Die Erreichbarkeit der Daseinsvorsorge und besonders von Bildungsstätten für Kinder ist zentral für die Attraktivität des Wohnorts. Grundsätzlich können 95 Prozent der Kinder in Deutschland in maximal sieben PKW-Minuten zur am schnellsten erreichbaren Grundschule gebracht werden; in unter 5 Minuten zur Kita.
Erreichbarkeiten: Schulen und Kitas
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Die Erreichbarkeit der Daseinsvorsorge und besonders von Bildungsstätten für Kinder ist zentral für die Attraktivität des Wohnorts. Grundsätzlich können 95 Prozent der Kinder in Deutschland in maximal sieben PKW-Minuten zur am schnellsten erreichbaren Grundschule gebracht werden; in unter 5 Minuten zur Kita.
Gerade im ländlichen Raum mit längeren Fahrzeiten sind jedoch vier von zehn Menschen mit der Daseinsvorsorge unzufrieden. In zwei Prozent der Gemeinden brauchen Eltern über 15 Minuten zur Grundschule – auf der Mecklenburgischen Seenplatte oder in Teilen Vorpommerns oder Brandenburgs sogar noch länger.
Mehr als ein Drittel der Deutschen ist unzufrieden mit der kommunalen Versorgung (Schulen, Kitas, Sportplätzen oder ÖPNV) in der Nachbarschaft (IW-Personenbefragung im Frühjahr 2023, siehe Diermeier et al. 2023; 4.899 Befragte). Am stärksten ist die Unzufriedenheit in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern (43 Prozent); am niedrigsten in den Agglomerationen mit mehr als 500.000 Bewohnern (30 Prozent). Die alltagsspezifischen Implikationen von Kitas und Grundschulen für Familien machen diese zu einem Grundpfeiler der kommunalen Daseinsvorsorge. Tatsächlich sinkt die Zufriedenheit mit dem Wohnumfeld bei längerer Anfahrt zur nächsten Bildungseinrichtung (Neu et al., 2020, 170 ff.).
In diesem Kontext ist ein kritischer Trend zu beobachten: Im Vergleich zum Schuljahr 2010/11 gibt es 2020/21 deutschlandweit 843 (5 Prozent) Grundschulen weniger (Westen: 764, Osten: 79). Gerade bei öffentlichen Trägern wurden wurden rund 1.000 (Westen: 876, Osten: 118) Einrichtungen geschlossen. Die deutschlandweit leicht gestiegene Anzahl an Bildungsteilnehmenden (Westen: -72.875; Osten: +77.443) resultiert in einem höheren Verhältnis von Kindern pro Grundschule: 2020/21 wurden mit 183 Kindern zehn Kinder pro Grundschule mehr unterrichtet als im Schuljahr 2010/11 – im Osten sind Grundschulen sogar um 29 Schüler:innen gewachsen (Westen: +5) (Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, 2022). Damit zeigt sich ein Zentralisierungsprozess, bei dem Grundschulen zusammengelegt und vergrößert werden.
Erreichbarkeit von Grundschulen
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Erreichbarkeit von Kindergärten
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Der Blick auf die Kitas offenbart eine andere Dynamik. Zwar stieg deren Anzahl seit 2010 um 15 Prozent (rund 7.200 Einrichtungen), dennoch besteht eine Unterversorgung – insbesondere am Betreuungsangebot für unter 3-Jährige. In Bremen, Rheinland-Pfalz und Hessen zeigen sich Betreuungslücken, bei denen der Bedarf das verfügbare Angebot um 15 bzw. 16 Prozent übersteigt (Geis-Thöne, 2022). Dies dürfte sich vielfach aus Kapazitätsengpässen für die Betreuung unter 3-Jähriger speisen. Zudem könnten Einrichtungen nicht in das Anforderungsprofil der Eltern fallen oder auch die Kinder könnten nicht die von der Einrichtung bevorzugte konfessionelle Prägung mitbringen.
Während bei Kindertagesplätzen vor allem für die unter 3-Jährigen die Verfügbarkeit ein Problem sein mag, ist dies nicht die einzige Stellschraube der Zufriedenheit mit der Daseinsvorsorge, da Eltern sich aufgrund der allgemeinen Schulpflicht nicht für eine Heimbetreuung entscheiden können, ist gerade bei Grundschulen im ländlichen Raum die Erreichbarkeit eine entscheidend.
Dies zeigt sich auch in Auswertungen der am schnellsten zu erreichenden Grundschule und Kita auf Gemeindeebene. Abgebildet wird die PKW-Fahrzeit in Minuten, innerhalb der 95 Prozent der Kinder im Alter zwischen 0 und 10 Jahren in einer Gemeinde eine Einrichtung erreichen können. In Deutschland können 95 Prozent der Kinder in die nächstgelegene der 15.629 Grundschulen in einer PKW-Fahrzeit von höchstens sieben Minuten gebracht werden. Nur in 2 Prozent der Gemeinden ist eine Fahrzeit von mehr als 15 Minuten nötig. Die Bundeslandunterschiede sind enorm: Im ländlich geprägten Mecklenburg-Vorpommern, wo auf einem Quadratkilometer nur rund fünf unter 10-Jährige leben, beträgt die Bringzeit für 95 Prozent der Kinder 11,4 Minuten oder weniger; in Berlin (324 Kinder pro Quadratkilometer) 3,6 Minuten. In Bundesländern mit vergleichbarer Kinderdichte wie Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein sind die Unterschiede der Erreichbarkeiten mit 6,9 bzw. 8,4 Minuten deutlich niedriger. Differenzen zeigen sich wiederum innerhalb der Bundesländer: Wohingegen Kinder in Gemeinden der Mecklenburgischen Seenplatte Fahrzeiten über 20 oder sogar 30 Minuten in Kauf nehmen müssen, ist Schwerin genauso gut versorgt wie der deutschlandweite Durchschnitt. Auffallend sind die durchweg weiteren Fahrzeiten in den ostdeutschen Flächenländer. Dort liegen 80 Prozent der Gemeinden mit einer Erreichbarkeit von über 15 Minuten. Eine Ausnahme bildet lediglich Sachsen: Nur in sieben Gemeinden im (Ost-)Erzgebirge können 95-Prozent der Kinder nicht in 15 Minuten in die nächste Grundschule gebracht werden. Obwohl der PKW nicht das präferierte Verkehrsmittel für den Schulweg sein sollte, können gerade die langen errechnete PKW-Fahrzeiten nur schwer mit ÖPNV oder Fahrrad substituiert werden.
Die Erreichbarkeit der nächstgelegenen Kita zeigt grundsätzlich ein ähnliches Bild – mit erwartbar kürzeren Fahrzeiten. In Deutschland erreichen 95 Prozent der Kinder die nächstgelegene der untersuchten 56.233 Kitas in einem PKW in 4,7 Minuten. Über 10 Minuten fällt die Fahrzeit lediglich in 5 Prozent der Gemeinden aus. Zwar ist die Erreichbarkeit einer Kita eine weniger bedeutsame Zugangsvoraussetzung als bei Grundschulen, die Auswertungen erlauben trotzdem den Vergleich der Versorgungsintensität. Abermals schneidet das ländliche Mecklenburg-Vorpommern unter den Bundesländern am schlechtesten ab: Hier erreichen 95-Prozent der Kinder die nächstgelegene Einrichtung in 8 Minuten; im dicht besiedelten NRW hingegen in unter 3,8 Minuten; in den Stadtstaaten sogar noch schneller. Schwer erreichbar sind Kitas auch in Teilen Niederbayerns und der Oberpfalz. Dass Bremen mit 3,2 Minuten eine besonders schnelle Erreichbarkeit gewährleistet, relativiert sich durch den hohen Anteil an Eltern, die keinen Betreuungsplatz finden (Geis-Thöne, 2022). Die Fahrzeit der tatsächlich in Anspruch genommenen Einrichtung dürfte wesentlich größer ausfallen.
Die Daten für allgemeinbildende Schulen für das Schul-jahr 2021/22 wurden manuell aus offiziellen Verzeichnissen der jeweiligen Landesstatistikämter zusammengetragen. Nur Schulen in Bayern beruhen auf dem Zeitraum 2020/21. Insgesamt wurden die Adressen von 15.629 Grundschulen in Deutschland verwendet. Die Standorte der Kitas in Deutschland wurden über die Google Maps „Places“ API (Keywords „Kindergarten“ und „Kindertagesstätte“) zwischen November und Dezember 2022 abgerufen und händisch bereinigt. Nach Aufbereitung der Daten wurden 56.233 Kitas identifiziert. Kitas, die nicht bei Google gelistet sind, fließen nicht in die Berechnungen ein. Dadurch können einzelne berechnete Erreichbarkeiten überschätzt sein. Auch wenn stichprobenhaft kontrolliert wurde, können Orte, die bei Google fälschlicherweise als Kitas eingetragen wurden, in die Berechnung einfließen, sodass Erreichbarkeiten unterschätzt werden.
Die PKW-Erreichbarkeiten werden mithilfe der „Open Source Routing Machine“ (OSRM) (Luxen/Vetter, 2011) basierend auf „OpenStreetMap“ Deutschlandkarten (OpenStreetMap Mitwirkende, 2017) berechnet. In Abwesenheit von vergleichbaren Daten über Schulbuslinien, sind PKW-Fahrzeiten gerade in ländlichen Regionen ein relevanter Proxy um Wegdauern miteinander zu vergleichen. Die Bevölkerungsdaten der unter 10-Jährigen stammen aus den 100 m x 100 m Rasterdaten des Zensus 2011. Der Mittelpunkt jeder Rasterzelle wird repräsentativ für das Raster verwendet, um die Erreichbarkeiten zu den per Luftlinie zehn geografisch nächstgelegenen Schulen oder Kitas zu ermitteln. Die kürzeste Fahrzeit wird mit der Bevölkerungsdichte der unter 10-jährigen Kindern gewichtet. Auf dieser Basis berechnen sich die Erreichbarkeiten auf Gemeindeebene. Mit OSRM wird nur die reine Fahrzeit ohne Verkehr gemessen. Dadurch liegt es nahe, dass die berechneten Fahrdauern die tatsächliche Anreisezeit unterschätzen – insbesondere in dichtbesiedelten Agglomerationsgebieten mit hohem Verkehrsaufkommen zu Stoßzeiten.
Da keine kleingliedrige Unterscheidung für Kinder zwischen 3 und 6 bzw. 6 und 10 Jahren für Rasterdaten des Zensus vorliegt, wurde für die Berechnungen die Bevölkerungsdichte der unter 10-Jährigen verwendet. Diese Unschärfe ist insofern wenig bedeutsam, als dass die Verteilung von unter 3-Jährigen, 3-6-Jährigen und 6-10-Jährigen in höchstem Maße korreliert ist (Korrelationskoeffizienten auf Gemeindeebene >0,99). Im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerungsdichte bilden die unter 10-Jährigen für unsere Forschungsfrage hingegen eine deutlich relevantere Bezugsgruppe.
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