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Hubertus Bardt / Michael Grömling / Edgar Schmitz IW-Kurzbericht Nr. 19 9. März 2022 Russlands Krieg in der Ukraine belastet deutsche Unternehmen

Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat spürbare Auswirkungen auf deutsche Unternehmen. Stark gestiegene Energiepreise stellen für eine Mehrheit der Unternehmen eine große oder sehr große Belastung dar. Fehlende Zulieferungen und mögliche Engpässe in der Gasversorgung folgen als weitere Risiken. Als Absatzmarkt und Produktionsstandort sind Russland und die Ukraine kaum bedeutsam.

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Russlands Krieg in der Ukraine belastet deutsche Unternehmen
Hubertus Bardt / Michael Grömling / Edgar Schmitz IW-Kurzbericht Nr. 19 9. März 2022

Russlands Krieg in der Ukraine belastet deutsche Unternehmen

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat spürbare Auswirkungen auf deutsche Unternehmen. Stark gestiegene Energiepreise stellen für eine Mehrheit der Unternehmen eine große oder sehr große Belastung dar. Fehlende Zulieferungen und mögliche Engpässe in der Gasversorgung folgen als weitere Risiken. Als Absatzmarkt und Produktionsstandort sind Russland und die Ukraine kaum bedeutsam.

Der Krieg in der Ukraine hat in kurzer Zeit die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen für deutsche Unternehmen verändert. Die immer noch bestehenden Verzögerungen und Probleme in den globalen Zuliefernetzwerken als direkte und indirekte Folge der Corona-Pandemie (Bardt/Grömling, 2022) werden dadurch verschärft. Die wirtschaftliche Erholung wird sich weiter in die Länge ziehen, da höhere Preise den Konsum bremsen und die Investitionstätigkeit der Unternehmen infolge der höheren geopolitischen Verunsicherungen und der voraussichtlich schwächeren Entwicklung der Unternehmenserträge ebenfalls belastet wird.

Eine global insgesamt schwächere Wirtschaftsdynamik infolge der russischen Invasion in der Ukraine kann auch dem deutschen Außenhandel zusetzen. Die direkten Effekte spielen jedoch nur eine untergeordnete Rolle (Beer, 2022), denn allenfalls 2 Prozent des deutschen Außenhandelsumsatzes wird mit Russland erzielt. Umgekehrt ist Deutschland aber für Russland ein wichtiger Absatzmarkt: Ein Drittel der russischen Exporte geht in die Europäische Union, gut 5 Prozent der russischen Ausfuhren werden nach Deutschland geliefert.

Eine besondere Rolle für den deutschen Außenhandel und die deutsche Wirtschaft hat Russland jedoch bei Rohstoffen und vor allem bei Energierohstoffen (Fischer/Küper, 2022). Die Sorgen um die Gasversorgung haben bereits zu stark gestiegenen Preisen in Europa geführt. Dies belastet direkt die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, die vergleichsweise viel Gas als Energiequelle oder als Rohstoff verbrauchen. Unabhängig von der aktuellen geopolitischen Weltlage haben die Lieferengpässe in den letzten Monaten bereits zu hohen Anstiegen der Erzeugerpreise in Deutschland geführt. Diese lagen zuletzt um 26 Prozent über dem Vorkrisenniveau von Anfang 2020. Mehr und mehr finden diese höheren Produktionskosten ihren Niederschlag in den Konsumpreisen. Allein anhaltend hohe Gaspreise können die Inflationsrate in Deutschland in diesem Jahr um mehr als 2 Prozentpunkte erhöhen (Kolev/Obst, 2022). Dabei sind die Auswirkungen höherer Preise für Rohöl, Ölprodukte, Weizen und Industrierohstoffe oder höherer Logistikkosten noch nicht mit eingerechnet.

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Der Einmarsch des russischen Regimes in die Ukraine und die politisch unumgänglichen Sanktionen des Westens, einschließlich des Rückzugs von Unternehmen aus ihrem Russland-Geschäft, lösen umfangreiche Probleme und Anpassungslasten aufseiten der deutschen Unternehmen aus. Firmen mit einer direkten Geschäftstätigkeit in Russland oder der Ukraine sorgen sich um ihre Mitarbeiter und deren Angehörigen vor Ort und müssen über den kurz- und langfristigen Verbleib im Land entscheiden. Der Krieg bringt nicht nur unfassbares Leid über die Menschen in der Ukraine, er zerstört auch einen Teil der ökonomischen Lebensgrundlagen und des volkswirtschaftlichen Produktionspotenzials.

Deutsche Unternehmen ohne Produktion oder direkte Absatzbeziehungen zu den beiden Ländern sind bereits von ausfallenden Lieferungen betroffen. Software-Dienstleister in der Ukraine fallen aus, vielfältige Rohstoffe, die für industrielle Produktionsprozesse eine wichtige Rolle spielen, müssen anderweitig organisiert werden. Einzelteile werden nicht mehr geliefert, wodurch die Produktion auch in Deutschland ins Stocken gerät und teilweise stillsteht. So werden etwa die bereits über das gesamte Jahr 2021 und aktuell gestörten Produktionsprozesse der deutschen Automobilindustrie, vorwiegend aufgrund fehlender Halbleiter, nochmals über fehlende Bauteile beeinträchtigt.

Um eine zeitnahe Bewertung der Belastungen deutscher Unternehmen infolge des Kriegs in der Ukraine vornehmen zu können, hat das Institut der deutschen Wirtschaft im Rahmen des IW-Zukunftspanels Firmen in Deutschland befragt. In der ersten Kriegswoche (24. Februar bis 4. März 2022) haben gut 200 Unternehmen aus der Industrie und den industrienahen Dienstleistungen entsprechende Fragen zu den unterschiedlichen Wegen einer möglichen Beeinträchtigung ihrer Geschäftsabläufe beantwortet (Abbildung):

  • Gut drei von fünf Unternehmen erwarten bereits große oder sehr große Belastungen durch die erhöhten Energiepreise. Bei den Industrieunternehmen sind es aufgrund der energieintensiven Produktionsprozesse gut 70 Prozent der Firmen, die infolge der höheren Produktionskosten eine Schwächung vorhersehen.
  • Ausfallende Zulieferungen von Gas stellen für fast ein Drittel aller hier berücksichtigten Unternehmensbereiche ein Problem dar. In der Industrie sind die Sorgen hinsichtlich einer eingeschränkten Gasversorgung höher: 37 Prozent der befragten Indus-triebetriebe sehen eine ausbleibende Gasversorgung als einen (sehr) großen Angebotsschock.
  • Gut 30 Prozent aller befragten Unternehmen bewerten ausfallende Zulieferungen von anderen Vorleistungen für ihre Produktion als ein eher großes oder sehr großes Problem. Unter den Industriefirmen sind es aufgrund der international stärker aufgestellten Wertschöpfungsketten fast 40 Prozent, die (sehr) große Anpassungslasten erwarten.
  • Deutlich weniger bedeutend sind wegfallende Absatzmärkte in Russland und der Ukraine. Es wurde bereits darauf verwiesen, dass die direkten Ausfuhren Deutschlands nach Russland überschaubar sind. Weniger als ein Zehntel aller Firmen sieht aufgrund eines wegfallenden Absatzmarktes große oder sehr große Probleme in absehbarer Zeit. Das gilt in gleicher Größenordnung auch für die Industriefirmen.

Des Weiteren deuten die Antworten in der IW-Befragung darauf hin, dass Einschränkungen der eigenen Produktion von deutschen Unternehmen in Russland und der Ukraine – abgesehen von namhaften Einzelfällen – nicht zu spürbaren gesamtwirtschaftlich relevanten Auswirkungen führen werden.

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