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Hubertus Bardt / Michael Grömling / Edgar Schmitz IW-Kurzbericht Nr. 33 6. April 2022 Kosten- und Vorleistungsschock durch den Krieg in der Ukraine

Seit über einem Monat führt Russland einen Angriffskrieg in der Ukraine. Auch die deutsche Wirtschaft spürt zunehmend die Folgen. Eine laufend aktualisierte IW-Umfrage zeigt: Vor allem hohe Energiepreise und Lieferschwierigkeiten belasten die Unternehmen immer stärker.

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Kosten- und Vorleistungsschock durch den Krieg in der Ukraine
Hubertus Bardt / Michael Grömling / Edgar Schmitz IW-Kurzbericht Nr. 33 6. April 2022

Kosten- und Vorleistungsschock durch den Krieg in der Ukraine

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Seit über einem Monat führt Russland einen Angriffskrieg in der Ukraine. Auch die deutsche Wirtschaft spürt zunehmend die Folgen. Eine laufend aktualisierte IW-Umfrage zeigt: Vor allem hohe Energiepreise und Lieferschwierigkeiten belasten die Unternehmen immer stärker.

Die Überfall Russlands auf die Ukraine hat die Märkte in Aufruhr versetzt. Starke Preisanstiege und Schwankungen sind bereits an den Handelsplätzen für Energie und andere Rohstoffe zu beobachten. Die Prognosen für die Weltwirtschaft und die deutsche Wirtschaft wurden zuletzt deutlich zurückgenommen. So geht etwa der Sachverständigenrat (SVR) in seiner aktuellen Prognose für 2022 von einem BIP-Wachstum von nur noch 1,8 Prozent aus. Die Inflationsrate dürfte in diesem Jahr bei über 6 Prozent liegen (SVR, 2022).

Mit dem Krieg ist die Erholungsphase nach dem Corona-Einbruch von 2020 empfindlich gestört. Die gleichzeitig weiter bestehenden Nachwirkungen der Pandemie und die neuen Ausbrüche in China mit drastischen Lockdown-Maßnahmen und entsprechenden Risiken für bestehende Lieferketten erschweren die Lage weiter (Grömling, 2022). Auch wenn aktuell noch nicht von einer Rezession in Deutschland ausgegangen wird, sind die Abwärtsrisiken erheblich, die besonders durch den Stopp russischer Gaslieferungen nach Europa durch ein Embargo des Westens oder einen Boykott Russlands entstehen können. Mit einer Modellrechnung auf Basis von spezifischen Setzungen für die weitere geopolitische Entwicklung und ihrer ökonomischen Folgewirkungen schätzt beispielsweise der SVR die gesamtwirtschaftlichen Produktionsausfälle in diesem Jahr auf zusätzliche 2 Prozent (SVR, 2022). Dabei wird gleichwohl nicht zum Ausdruck gebracht, dass infolge eng aufeinander abgestimmter Wertschöpfungsketten die Ausfälle von bestimmten Rohstoffen nicht vollständig substituiert werden können und es deshalb zu weitaus größeren Produktionseinbußen kommen kann. Andere Abschätzungen gehen – auch ohne Berücksichtigung von Kaskadeneffekten – von deutlich größeren Einbußen aus (Behringer et al., 2022).

Um die Übertragungswege dieser geopolitischen Katastrophe und die potenziellen Belastungen für die deutsche Wirtschaft, und dabei konkret für die Industrie und die industrienahen Dienstleister, zu vermessen, nutzt das Institut der deutschen Wirtschaft das IW-Zukunftspanel (siehe hierzu ausführlich Bardt et al., 2022). Seit dem unmittelbaren Ausbruch des Krieges liegen mittlerweile drei Befragungsabschnitte vor. Damit kann zum einen eingeschätzt werden, über welche Übertragungswege die Unternehmen die größten Anpassungslasten erwarten. Zum anderen ist auch erkennbar, ob und wie sich die Risiken für die Geschäftsabläufe der befragten Unternehmen im Zeitablauf verändern. Folgende zentrale Ergebnisse liefern die mittlerweile drei Befragungsabschnitte:

Inhaltselement mit der ID 10711
Inhaltselement mit der ID 10712
  • Das größte Problem für die Unternehmen stellen nach wie vor die stark gestiegenen Energiepreise dar. Fast vier von fünf Unternehmen sehen am aktuellen Rand eine eher große oder sehr große Bedrohung ihrer Geschäftstätigkeit durch diesen Kostenschock. Im ersten Befragungsabschnitt bis Anfang März waren es zunächst drei von fünf Firmen aus dem Bereich der Industrie und industrienahen Dienstleister.
  • Zuletzt erheblich angestiegen sind die erwarteten Belastungen durch Probleme in den Lieferketten. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen sieht sich vor eher großen oder sehr großen Belastungen durch ausfallende Lieferungen – etwa von Bauteilen und anderen Vorleistungen (ohne Gaslieferungen). In der ersten und zweiten Befragungsrunde zeigte sich rund ein Drittel der Firmen sehr besorgt.
  • Eher stabil, aber gleichwohl auf einem besorgniserregenden Niveau liegen die erwarteten Belastungen durch fehlende Gaslieferungen. Der Wert gemäß IW-Zukunftspanel ist im Zeitverlauf von 32 auf 36 Prozent angestiegen. Dazu kommen die angesprochenen Kaskadeneffekte, die bei den Unternehmen in den nachfolgenden Stufen der Wertschöpfungskette nicht direkt den möglichen Gasunterbrechungen zugeschrieben werden.
  • Eine weiterhin untergeordnete Rolle spielt Russland als Absatzmarkt, nur eine kleine und im Zeitverlauf sogar rückläufige Minderheit der befragten Unternehmen in Deutschland sieht durch die Beschränkungen (Sanktionen) relevante Belastungen für ihre Geschäftstätigkeit.

Diese Ergebnisse machen deutlich, wie bedrohlich nicht nur die Preiseffekte und der damit einhergehende Kostenschock für die deutsche Wirtschaft eingeschätzt wird. Vielmehr wird auch erkennbar, wie hoch die Gefahren infolge gestörter und im schlimmsten Fall zerrissener Wertschöpfungsketten auf der Unternehmensebene gesehen werden. Modelle und Modellanalysen dürften diesen Komplexitäten und vor allem dem Zusammenwirken diverser Anpassungslasten nicht Rechnung tragen können. Zumal auch zu bedenken ist, dass die ökonomischen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf ein bereits durch die Pandemie, Produktionsstörungen und Preisschocks belastetes makroökonomisches Umfeld aufsetzen (Grömling, 2022).

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