Rund zwei Drittel aller Beschäftigten sind zufrieden mit der Länge ihrer vereinbarten Arbeitszeiten. Doch ganz nach dem Vorbild des vor kurzem eingeführten Anspruchs auf eine verkürzte Arbeitswoche in Belgien können sich auch hierzulande rund 28 Prozent der Vollzeitbeschäftigten vorstellen, ihre bestehende Wochenarbeitszeit auf weniger Tage umzuverteilen.
Arbeitszeitwünsche: Kürzere Arbeitswoche auch in Vollzeit?
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Rund zwei Drittel aller Beschäftigten sind zufrieden mit der Länge ihrer vereinbarten Arbeitszeiten. Doch ganz nach dem Vorbild des vor kurzem eingeführten Anspruchs auf eine verkürzte Arbeitswoche in Belgien können sich auch hierzulande rund 28 Prozent der Vollzeitbeschäftigten vorstellen, ihre bestehende Wochenarbeitszeit auf weniger Tage umzuverteilen.
Belgien hat im Jahr 2022 einen Anspruch auf die Verkürzung der Arbeitswoche bei gleicher Stundenzahl in der Privatwirtschaft geschaffen. Die sogenannte Compressed Workweek (zu Deutsch: verdichtete Arbeitswoche) sieht für Vollzeitkräfte die Möglichkeit einer Umverteilung ihrer Arbeitszeit auf in der Regel vier statt fünf Tage vor – bei gleicher Wochenarbeitszeit und Bezahlung.
Auch in Deutschland wird eine Debatte über eine Verringerung der Anzahl der Arbeitstage geführt. Die Arbeitszeitpolitik ist in den letzten Jahren aufgrund der zunehmenden Flexibilitätswünsche der Beschäftigten einerseits und der gestiegenen Flexibilitätsanforderungen durch die Kunden andererseits zunehmend zu einem tarifpolitischen Konfliktfeld geworden (Lesch, 2019). Meist geht es dabei nicht ausschließlich um die Verteilung, sondern auch um die Länge von Arbeitszeiten. Aktuell machen Gewerkschaften wie die IG Metall und die Lokomotivführergewerkschaft GDL mit Forderungen nach geringeren Wochenarbeitszeiten mit Lohnausgleich von sich reden.
Diese Vorstellungen stehen im starken Kontrast zu den in breiten Teilen der Wissenschaft und Politik diskutierten Ansätzen, die helfen sollen, das Arbeitszeitvolumen in Deutschland im Hinblick auf das im Zuge des demografischen Wandels zukünftig sinkende Erwerbspersonenpotenzial zu stabilisieren. Eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit, insbesondere von Teilzeitbeschäftigten, ist hierfür eine mögliche Stellschraube (Hüther et al., 2022; Schäfer, 2023).
Die Beschäftigten in Deutschland wünschen sich im Durchschnitt aber offenbar zunehmend kürzere Arbeitszeiten (BAuA, 2023, 40 ff.; Beckmannshagen/Schröder, 2022, 432). Der Anteil der unfreiwillig in Teilzeit Beschäftigten war im Zeitraum zwischen 2008 und 2019 rückläufig (Statistisches Bundesamt, 2023) und nur ein vergleichsweise geringer Anteil der Teilzeitbeschäftigten würde gerne auf eine Vollzeitstelle wechseln (Schäfer, 2018).
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Hinsichtlich der Diskrepanz zwischen tatsächlicher und gewünschter Arbeitszeit zeigt sich indes kein eindeutiger Befund. Während Auswertungen auf Basis des Mikrozensus bei Vollzeitbeschäftigten keinen nennenswerten Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung feststellen, besteht bei Auswertungen auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) bei zwei Dritteln der Vollzeitbeschäftigten ein Verkürzungswunsch, der durchschnittlich mehr als fünf Wochenstunden ausmacht. Es kann vermutet werden, dass diese Diskrepanzen auf erhebungstechnische Unterschiede zurückgehen (vgl. Rengers et al., 2017). Die Befunde aus der BAuA-Arbeitszeitbefragung ähneln eher denen auf Basis des SOEP (BAuA, 2023).
Zu der (gewünschten) Verteilung der Arbeitszeit auf die Arbeitstage gibt es bislang nur wenige Befunde. In Deutschland arbeitete im Jahr 2021 der Großteil der abhängig Beschäftigten (75 Prozent) fünf Tage die Woche. Rund die Hälfte aller Beschäftigten wünschte sich eine Arbeitswoche von fünf Tagen. Etwa genauso viele würden jedoch gerne vier Tage oder weniger arbeiten. Beschäftigte, die gerne vier Tage arbeiten würden, wollten zu rund 47 Prozent trotzdem zwischen 35 bis 48 Stunden arbeiten (BAuA, 2023, 45 f.).
Der verbreitete Wunsch nach einer Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit zugunsten einer kürzeren Arbeitswoche bestätigt sich auch in der IW-Beschäftigtenbefragung. In der im Frühjahr 2023 durchgeführten Befragung unter sozialversicherungspflichtigen und ausschließlich geringfügig Beschäftigten zwischen 18 und 65 Jahren arbeiteten rund 75 Prozent in Vollzeit, jeder Zehnte in einer vollzeitnahen Teilzeit mit mindestens 28 Wochenstunden und entsprechend 15 Prozent mit einer geringeren wöchentlichen Arbeitszeit. Rund zwei Drittel der Beschäftigten gaben an, ihre vertragliche Arbeitszeit unter Berücksichtigung einer entsprechenden Gehaltsanpassung weder ausdehnen noch verringern zu wollen (Grafik).
Unter allen Teilzeitbeschäftigten (inkl. geringfügige Beschäftigung) können sich rund 11 Prozent vorstellen, ihre vertragliche Arbeitszeit auszudehnen. Einen Verkürzungswunsch haben hingegen rund 29 Prozent aller Beschäftigten – vor allem Vollzeitkräfte. Rund 28 Prozent der Vollzeitkräfte würden ihre vertragliche Arbeitszeit gerne unverändert lassen, dafür jedoch ihre Arbeitszeit auf weniger Tage verteilen.
Mit anderen Worten: Rund 43 Prozent der Vollzeitkräfte, die die Länge ihrer vertraglichen Arbeitszeit unverändert so belassen möchten, können sich ein Arbeitszeitmodell im Sinne einer Compressed Workweek vorstellen. Damit bekommt das Modell aus Belgien auch in Deutschland viel Zustimmung aus den Reihen der Beschäftigten – wobei offenbleibt, aus welchen Gründen das bevorzugte Arbeitszeitmodell bisher nicht realisiert werden konnte und aus welchen Motiven heraus eine verdichtete Arbeitswoche gewünscht wird.
Viele der Befürworter dürften eine Vier-Tage-Woche im Kopf haben, in der sie Montag bis Donnerstag arbeiten und an die sich drei Tage Wochenende anschließen. Freie Tage mitten in der Woche sind vermutlich weniger beliebt, womit sich Konflikte über die Aufteilung der Arbeitstage in Teams ergeben könnten. Für Betriebe, in denen sich Kunden eine möglichst durchgängige Erreichbarkeit über die Woche hinweg wünschen – etwa im Einzelhandel –, dürfte das Modell in aller Regel nur über zusätzliches Personal umzusetzen sein.
Vor allem Beschäftigte, die sich häufig durch ihre Arbeit gestresst fühlen, wünschen eine Compressed Workweek. Die möglicherweise damit erhofften Erholungseffekte durch mehr freie Tage in der Woche könnten sich jedoch als Trugschluss erweisen. Eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit ist nicht für alle Tätigkeiten und Beschäftigtengruppen zu empfehlen.
So kann die Konzentration und letztlich auch die Gesundheit und Produktivität durch lange Arbeitstage leiden. Der Druck, in vier Tagen das Arbeitspensum von fünf Tagen zu erledigen, kann den empfundenen Arbeitsstress also gegebenenfalls sogar noch erhöhen und bewirken, dass sich Beschäftigte nur noch auf die Bewältigung des Tagesgeschäftes konzentrieren. Dort wo kreative und innovative (Team-)Arbeit gefragt ist, wäre das kontraproduktiv. Anders könnte die Bilanz aus Sicht vieler Beschäftigten und Arbeitgeber ausfallen, wenn eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit zusätzliche Anfahrten oder Übernachtungen beispielsweise an wohnortfernen Baustellen einspart.
Das Arbeitszeitgesetz würde es erlauben, eine 40-Stunden-Woche auf vier Arbeitstage zu verteilen. Die Grenze von zehn Stunden Arbeit am Tag darf jedoch in der Regel nicht überschritten werden. Insofern wird der erhoffte Zugewinn an Flexibilität durch einen zusätzlichen freien Tag durch eine Verringerung der Flexibilität an den Arbeitstagen erkauft. Wer in seiner Vier-Tage-Woche einmal früher Feierabend machen möchte, kann dies wegen der Zehnstundengrenze nur an dem Tag ausgleichen, der eigentlich frei sein sollte. Auch die betriebliche Flexibilität leidet, weil Mehrarbeit über zehn Stunden hinaus nicht angeordnet werden kann.
Die empirischen Befunde legen nahe, dass sich Beschäftigte vor allem mehr Flexibilität wünschen. Der Gesetzgeber könnte dies unterstützen, indem er überholte Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes anpasst. So würde es ausreichen, eine aus arbeitsmedizinischer und -wissenschaftlicher Sicht begründete wöchentliche Höchstarbeitszeit festzuschreiben und dabei die vorgeschriebenen Ruhepausen flexibler zu gestalten, zum Beispiel indem kurze Unterbrechungen erlaubt werden.
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