Hohe Krankenstände rücken die Gesundheitsförderung wieder verstärkt in den betrieblichen Fokus. Daten des IW-Personalpanels zeigen die Vielfalt und Verbreitung des betrieblichen Angebots. Auch die individuelle Resilienz wird vielerorts gestärkt – rund jedes vierte Unternehmen setzt auf Stress- und Resilienztrainings.
Betriebliche Gesundheitsförderung – resilient in Krisenzeiten
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Hohe Krankenstände rücken die Gesundheitsförderung wieder verstärkt in den betrieblichen Fokus. Daten des IW-Personalpanels zeigen die Vielfalt und Verbreitung des betrieblichen Angebots. Auch die individuelle Resilienz wird vielerorts gestärkt – rund jedes vierte Unternehmen setzt auf Stress- und Resilienztrainings.
Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten sind wichtige betriebliche Ressourcen. Aktuell stehen viele Arbeitgeber wegen der anhaltend hohen krankenbedingten Ausfallzeiten vor großen Herausforderungen. Das betriebliche Gesundheitsmanagement ist ein wichtiger Baustein zur Förderung der Erwerbsfähigkeit und wird vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des verlängerten Erwerbslebens auch noch weiter an Bedeutung gewinnen.
Krankenstand auf Rekordhoch
Im Jahr 2022 waren 40 Prozent der Beschäftigten mindestens einmal wegen Atemwegserkrankungen krankgeschrieben (BKK-Dachverband, 2023, 89). Gesundheitsexperten führen den sprunghaften Anstieg nach der Covid-19-Pandemie zum Teil auf die gesunkene Bevölkerungsimmunität zurück. Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Störungen hingegen kommt zwar vergleichsweise selten vor, ist jedoch mit der höchsten Dauer an Ausfalltagen (mehr als fünf Kalenderwochen) verbunden (ebenda). Die Anzahl an Arbeitsunfähig-keitstagen je Beschäftigten erreichte im Jahr 2022 mit 22,6 Tagen rückblickend auf die letzten zehn Jahre einen Höchstwert (ebenda, 81). Das kostete die Arbeitgeber laut Schätzungen gut 70 Milliarden Euro an Entgeltfortzahlungen (Pimpertz, 2023).
Der hohe Krankenstand ist für Arbeitgeber jedoch nicht nur ein großer Kostenfaktor, sondern lässt sich an vielen Stellen auch nicht mehr durch Vertretungsregelungen kompensieren. Lieferverzögerungen und Einschränkungen in dem Leistungsangebot sind die Folge, welche die Kundinnen und Kunden in vielen Bereichen wie im öffentlichen Nahverkehr deutlich zu spüren bekommen.
Die drei Säulen des betrieblichen Gesundheitsmanagements
Während Arbeitgeber unter anderem nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet sind, Gefährdungen am Arbeitsplatz festzustellen und geeignete Schutzmaßnahmen für die Sicherung und Gesundheit der Beschäftigten zu treffen und nach § 167 Abs. 2 im SGB IX auch das betriebliche Eingliederungsmanagement bei längerer Krankheit gesetzlich vorgeschrieben ist, sind Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) als dritte Säule des betrieblichen Gesundheitsmanagements freiwillige Arbeitgeberleistungen.
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Seit dem 1. Januar 2008 hat der Gesetzgeber auch einen steuerlichen Anreiz zur Gesundheitsförderung geschaffen und Leistungen des Arbeitgebers zur Gesundheits-förderung, die bestimmte Anforderungen erfüllen und 600 Euro pro Mitarbeiter jährlich nicht überschreiten, steuerfrei gestellt (§ 3 Nummer 34 Einkommensteuergesetz (EStG)).
Für Arbeitgeber ist neben den gesundheitsförderlichen Effekten auch die Arbeitgeberattraktivität ein Motiv für ihr BGF-Angebot (vgl. EU-OSHA, 2022, 65). Welche Maßnahmen angeboten werden, richtet sich folglich nach den Bedarfen und Wünschen in der Belegschaft bzw. der Zielgruppe an potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern.
Mehr als nur Sportkurse
Im der 34. Welle des Personalpanels, die zwischen Oktober 2023 und Januar 2024 ins Feld gegangen ist, wurden Unternehmen in Deutschland danach befragt, welche Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung sie derzeit anbieten. Die Angaben sind gewichtet, um repräsentative Aussagen über die Grundgesamtheit der privatwirtschaftlichen Unternehmen mit mindestens einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Deutschland treffen zu können.
Betriebliche Gesundheitsförderung wird häufig mit Sportkursen assoziiert. Allerdings sind diese aufgrund von Skaleneffekten vor allem in größeren Unternehmen mit 250 Mitarbeitern und mehr verbreitet. Am häufigsten investieren Unternehmen in eine gesundheitsförderliche Arbeitsplatzgestaltung, die ergonomischen Kriterien folgt. Im Verarbeitenden Gewerbe spielt die ergonomische Arbeitsgestaltung eine besonders große Rolle. Hier ist in der Regel auch der Gestaltungseinfluss des Arbeitgebers höher im Vergleich zu Tätigkeiten im öffentlichen Raum oder bei wechselnden Arbeitsorten.
Ebenfalls häufig werden in den Unternehmen Entscheidungsspielräume für die Beschäftigten geschaffen, um ihre Arbeit zeitlich selbst zu planen und einzuteilen. Autonomie als Instrument zur Gesundheitsförderung ist besonders für Beschäftigtengruppen wichtig, deren Arbeit nicht gut vorausplanbar ist und die über die nötigen Kompetenzen verfügen, selbst einzuschätzen, wie sie ihre Arbeit effektiv und belastungsreduzierend erledigen können. So verwundert es nicht, dass Unternehmen mit einem höheren Anteil an Hochqualifizierten häufiger Entscheidungsspielräume als Instrument der Gesundheitsförderung nutzen. Ein Effekt der Unternehmensgröße zeigt sich im Unterschied zu den sonstigen Maßnahmen hingegen nicht.
Führungskräfte haben in der Organisation häufig maßgeblichen Einfluss sowohl im positiven wie auch negativen Sinne auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten (vgl. Grunau et al., 2023, 19 f.). Zwei Drittel der Unternehmen sensibilisieren ihre Führungskräfte für einen gesundheitsförderlichen Führungsstil.
Mit organisatorischen und strukturellen Anpassungen, wie der Überprüfung von Aufgabenprioritäten oder dem Aufbau von Stellvertretersystemen, schaffen Arbeitgeber Entlastungen bei Auftragsspitzen und sorgen für Ausfall- und Urlaubszeiten vor. Orientierung und eine klare Ressourcenzuteilung sind besonders in Phasen betrieblicher Veränderungen wichtig. Unternehmen, die angeben, dass die Digitalisierung sie in den nächsten fünf Jahren stark beeinflussen wird, setzen häufiger auf die Umverteilung von Aufgaben und Entscheidungsspielräume als Unternehmen ohne digitale Transformationserfordernisse.
Der souveräne Umgang mit Stress und Krisensituationen lässt sich erlernen. Für Unternehmen sind Beschäftigte, die sich ihren eigenen Fähigkeiten bewusst sind und in stressigen Situationen auf ausgleichende Ressourcen und bewährte Verhaltensmuster zum Abbau von Stress zurückgreifen können, erfolgsrelevant (Flüter-Hoffmann et al., 2018). Rund jedes vierte Unternehmen bietet Stress- oder Resilienztrainings an. Besonders häufig – rund 30 Prozent – im Bereich der gesellschaftsnahen Dienstleistungen.
Resilienz in Krisenzeiten
Geopolitische Verwerfungen, Pandemie, Klimawandel und hohe Inflation – in den letzten Jahren kamen viele Krisen zusammen, die Unsicherheit und Ängste auslösten und auch in die Arbeitswelt hineinwirkten. Dadurch sind Resilienztrainings als gesundheitsförderliche Maßnahme stärker in den betrieblichen Fokus gerückt.
Trainings sind jedoch nur ein Ansatzpunkt, um Beschäftigten zu helfen, mit Krisen, Unsicherheiten und Stress bestmöglich umzugehen. Unterstützend wirkt auch ein gutes Betriebsklima, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Führungskraft und eigene Handlungsspielräume. Die aktuellen Befunde aus dem IW-Personalpanel zeigen, wie verbreitet und breit aufgestellt das betriebliche Engagement zur Gesundheitsförderung in Deutschland ist. Eine sinnvolle betriebliche Investition, um sich nachhaltig krisenfest aufzustellen.
Die Daten stammen aus dem IW-Personalpanel, einer regelmäßigen, repräsentativen Unternehmensbefragung, und wurden vom 06.10.2023 bis 07.01.2024 erhoben. Es haben 820 Unternehmen teilgenommen.
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Die Arbeitsmarktentwicklung ist derzeit von einer konjunkturellen Eintrübung gekennzeichnet, hinter der sich allerdings eine strukturelle Wachstumsschwäche verbirgt. Das Wohlstandmodell steht vor großen Herausforderungen.
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