Führungskräfte arbeiten in der Regel Vollzeit und nehmen häufig auch Überstunden in Kauf. Nur rund 13 Prozent der Beschäftigten mit Personalverantwortung arbeiten in Teilzeit. Rund 73 Prozent von ihnen sind Frauen. Eine Teilzeitoption kann Führungspositionen attraktiver machen, doch dafür braucht es auch mehr unternehmerische Verantwortung in der Belegschaft.
Führung in Teilzeit
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Führungskräfte arbeiten in der Regel Vollzeit und nehmen häufig auch Überstunden in Kauf. Nur rund 13 Prozent der Beschäftigten mit Personalverantwortung arbeiten in Teilzeit. Rund 73 Prozent von ihnen sind Frauen. Eine Teilzeitoption kann Führungspositionen attraktiver machen, doch dafür braucht es auch mehr unternehmerische Verantwortung in der Belegschaft.
Rund jede zweite Frau in abhängiger Beschäftigung arbeitete im Jahr 2021 34 Stunden und weniger in Deutschland (Wanger/Weber, 2023, 26) und auch die Arbeitszeiten und Arbeitszeitwünsche der vor allem vollzeiterwerbstätigen Männer haben sich seit Beginn der 2010er Jahre deutlich reduziert (ebenda, 15).
Führungspositionen in Teilzeit kommen dem Wunsch vieler nach kürzeren Arbeitszeiten entgegen und bieten eine Möglichkeit, die Vereinbarkeit von Karriere und Familie zu gestalten. Dies könnte sich insbesondere positiv auf den Frauenanteil unter den Führungskräften auswirken. So finden Schmidt und Stettes (2018, 28) einen positiven Zusammenhang zwischen dem unternehmerischen Angebot an einer Führungsposition in Teilzeit und dem Anteil an Frauen in Führungspositionen. Bislang ist Führung in Teilzeit jedoch ein Randphänomen.
Karriere-Familienkonflikt ist Hindernis für mehr Frauen in Führungspositionen
Ein Grund ist der besondere zeitliche Konflikt zwischen Karriere und Familie. Beschäftigte mit Kindern und pflegebedürftigten Angehörigen benötigen planbare Arbeitszeiten, um die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen sicherzustellen und müssen gleichzeitig flexibel auf unvorhergesehene Betreuungspflichten zum Beispiel bei Krankheit des Kindes reagieren können. Bei der Übernahme einer Personalverantwortung bzw. um sich für diese zu qualifizieren wird hingegen häufig erwartet, sich über das vertragliche Maß hinaus zeitlich zu engagieren und flexibel einzuspringen, wenn es die Aufgaben erfordern.
Diese besondere zeitliche Beanspruchung kann Beschäftigte mit familiären Verpflichtungen abschrecken, eine Führungsposition zu übernehmen – insbesondere Frauen, die den Großteil der unentgeltlichen Sorgearbeit um Kinder und pflegende Angehörige in Paarhaushalten übernehmen. Die stärkeren Zeitkonflikte zwischen Beruf und Familie auf höheren betrieblichen Positionen sind ein möglicher Erklärungsgrund, warum Frauen deutlich seltener eine Karriere anstreben als Männer (Hammermann et al., 2015, 41), sich seltener auf Führungspositionen bewerben (Schmidt/Stettes, 2018, 10) und zumindest auf der obersten Führungsebene nach wie vor unterrepräsentiert sind (Kohaut/Möller, 2022, 1).
Führung in Teilzeit bleibt die Ausnahme
In Deutschland arbeiteten 2023 rund 13 Prozent aller Führungskräfte in Teilzeit. Dabei zeigt sich ein deutlicher Geschlechterunterschied. Unter den weiblichen Führungskräften arbeiten 25 Prozent in Teilzeit. Zum Vergleich: bei männlichen Führungskräften sind es gerade einmal 5,5 Prozent. Allerdings zeigt sich bei einem
genaueren Blick auch, dass die Mehrheit der Führungskräfte in Teilzeit vollzeitnah arbeitet mit mindestens 28 Wochenstunden. Diese Angaben basieren auf der Befragung von rund 4.700 abhängig Beschäftigten zwischen 18 und 65 Jahren aller Branchenklassen (mit Ausnahme der Landwirtschaft). Die Daten stammen aus der IW-Beschäftigtenbefragung 2023, die im März 2023 ins Feld gegangen ist.
Hipp et al. (2022, 5) finden in ihrer Untersuchung auf Basis der Europäischen Arbeitskräfteerhebung einen nur moderaten positiven Trend zur Teilzeitführung in den letzten Jahren: Unter den 25- bis 52-jährigen weiblichen Führungskräften ist ihr Anteil zwischen 2006 und 2019 von 26 auf 32 Prozent gestiegen. Bei Männern hat sich der Anteil von 2 auf 4 Prozent hingegen verdoppelt. Aufgrund der unterschiedlichen Altersabgrenzung der betrachteten Stichprobe und der Messung von Führungsverantwortung lassen sich die aktuellen Befunde auf Basis der IW-Beschäftigtenbefragung und der Studie Hipp et al. (2022) nicht direkt vergleichen. So definiert Letztere Führungskräfte in Teilzeit als abhängig Beschäftigte, die personenbezogene Kontroll- und Aufsichtsfunktionen übernehmen, wohingegen Führungskräfte auf Basis der IW-Beschäftigtenbefragung sich auf Beschäftigte beziehen, die nach eigenen Angaben direkte Vorgesetzte sind.
Die Art der Führungsposition spielt für die Wahl einer Teilzeitstelle eine große Rolle (IW-Beschäftigtenbefragung, 2023). Am häufigsten arbeiten Frauen (28,2 Prozent) und Männer (9,4 Prozent) auf der obersten Führungsebene in Teilzeit und am seltensten auf der mittleren Führungsebene (Frauen: 20,6 Prozent und Männer: 3,4 Prozent). Rund 55 Prozent aller Führungskräfte sind der Auffassung, dass, wer in ihrem Unternehmen aufsteigen möchte, auch außerhalb der Arbeitszeiten für berufliche Belange zur Verfügung stehen müsse.
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Geteilte Verantwortung schafft zeitliche Spielräume
Zeitgleich zur Beschäftigtenbefragung wurden im Rahmen der 32. Welle des IW-Personalpanels im Zeitraum von März bis Mai 2023 rund 1.000 Personalverantwortliche aus Unternehmen der Privatwirtschaft mit mindestens fünf Beschäftigten in Deutschland zu den Potenzialen und Herausforderungen für die Gestaltung von Führung in Teilzeit befragt (Abbildung). Rund 59 Prozent sehen Führung in Teilzeit als wichtiges Signal in ihre Belegschaft hinein, dass Karriere und Familie in ihrem Unternehmen gut vereinbar sind, 52 Prozent finden Teilzeitführung hilfreich bei der Förderung von Frauen in Führungspositionen in ihrem Unternehmen.
Gleichzeitig gibt aber auch nahezu jeder Zweite an, dass die Führungsverantwortung in ihrem Unternehmen ein hohes zeitliches Engagement mit der Bereitschaft zu regelmäßigen Überstunden voraussetzt. Für 57 Prozent ist eine zeitliche und räumliche Flexibilität ihrer Führungskräfte und ihre Erreichbarkeit im Privatleben in dringenden Fällen wichtig.
Die höchste Zustimmung zu den Anforderungen betrifft jedoch nicht die Führungskräfte selbst, sondern die Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung. Nahezu 70 Prozent der Personalverantwortlichen sind der Auffassung, dass Führung in Teilzeit in ihrem Unternehmen nur dann funktionieren kann, wenn auch die Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung (mehr) unternehmerische Verantwortung übernehmen. Die Delegation von Aufgaben über selbstbestimmte Teams oder Stellvertretersysteme kann ein Weg sein, Führungskräfte zu entlasten. Auch die Teilung einer Führungsstelle auf zwei Personen – das Job- oder auch Top-Sharing – kann eine Möglichkeit sein, den erhöhten Erreichbarkeitsanforderungen einerseits und den Vereinbarkeitsbedürfnissen von Führungskräften andererseits gerecht zu werden.
Wandel braucht Weisung
Wie wichtig die Vereinbarkeit für die Fach- und Führungskräftesicherung ist, zeigt auch der Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2023 (Hammermann/Stettes, 2023). Jedes zweite Unternehmen hat nach eigenen Angaben die Erfahrung gemacht, dass es in den letzten Jahren schwieriger geworden ist, Führungspositionen zu besetzen, da immer mehr Beschäftigte keine Führungsposition anstreben. Vereinbarkeit ist ein wichtiges Merkmal der Arbeitgeberattraktivität und Mitarbeiterbindung. Führung in Teilzeit kann Beschäftigte, die bereits Führungsverantwortung in Vollzeit übernommen haben, aber aufgrund einer Veränderung ihrer Lebenssituation dies nicht aufrechterhalten können oder wollen, eine Perspektive bieten. Gleichzeitig ist eine gute, funktionierende Teilzeitführung auch für karriereorientierte Beschäftigte ein starkes Signal, dass der berufliche Aufstieg nicht an ein festes Arbeitszeitvolumen gekoppelt ist.
In einem wirtschaftlichen Umfeld mit hoher Unsicherheit und großen Transformationsherausforderungen ist Führung, die Richtungen vorgibt und Veränderungsprozesse steuert, wichtiger denn je. Um Einzelne zu entlasten ist jedoch eine Verteilung von Verantwortung auf Mehrere nötig. Je reifer Teams sind und Mitarbeiter Verantwortung für den Unternehmenserfolg mittragen, umso eher können auch Führungskräfte zeitlich kürzertreten, wenn ihre Lebenssituation dies erfordert.
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