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Thilo Schaefer im Deutschlandfunk Interview 15. Dezember 2015

"Eigentlich fängt die richtige Arbeit erst jetzt an"

Die Einigung auf ein globales Klimaschutzabkommen habe gezeigt, dass ein "gemeinsames Problembewusstsein" bestehe, sagte Thilo Schäfer, Klimaschutzexperte im Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Jetzt gehe es darum, den Vertrag mit Leben zu füllen und Klimaschutzmaßnahmen zu entwickeln. Diese dürften aber nicht zu Wettbewerbsnachteilen Einzelner führen.

Die Reaktion der deutschen Stahlindustrie, um die zum Start zu nennen, auf Paris ist eindeutig. Da wird die Brücke geschlagen zur geplanten Verschärfung des Emissionsrechte-Handels. Das müsse gestoppt werden, überarbeitet werden; sonst stünde die Zukunft der Stahlindustrie in Europa auf dem Prüfstand. Was diese Branche angeht, klare Ablehnung. Das ist aber nicht allgemein so?

Ja, das ist aber auch verständlich. Gerade bei der Stahlindustrie ist es ja so, dass sie unmittelbar zum Beispiel von steigenden CO2-Preisen betroffen wäre, die ja schon angekündigt sind, und das sind einfach Kosten, die es anderswo in anderen Ländern außerhalb Europas so nicht gibt, und das ist ein klarer Wettbewerbsnachteil.

Es gibt aber auch eine einfache Lösung und die lautet, die anderen machen auch mit. Das heißt, entweder kann man den Emissionshandel ausweiten, oder es gibt andere Formen von CO2-Preisen, sodass es diese Unterschiede nicht mehr gibt.

Oder es bleibt der Politik der Ausnahmen, was aber sicherlich nicht angepeilt wird. - Auf der anderen Seite: Zahlreiche Konzerne haben ganz anders reagiert und die Politik zum Handeln aufgefordert. Da gibt es einen gemeinsamen Appell, in dem sogar verlangt wird, den Aktionsplan Klimaschutz nachzuschärfen.

In der Tat gibt es natürlich auch Chancen für die Wirtschaft, wenn es darum geht, Technologien zu exportieren, und wir haben viele innovative Technologien, viele Effizienz-Technologien, die an anderer Stelle der Welt sinnvoll zum Einsatz gebracht werden.

Wenn Sie zum Beispiel nach Indien und nach China schauen: Das sind die beiden Länder mit dem größten Emissionswachstum der letzten Jahre. Da lässt sich ja sehr günstig jede Menge CO2 vermeiden, was hier viel teurer zu vermeiden ist. Das wäre natürlich sinnvoll.

Das größte Problem hier vor Ort ist die große politische Unsicherheit. Die Erfahrung mit der Politik der letzten Jahre ist ein ständiges Hü und Hott. Wenn Sie an den Atomausstieg denken, oder jetzt zuletzt das Hin und Her bei der Kohleverstromung, das sind die Probleme, mit denen die Wirtschaft hier zu tun hat.

Trotzdem scheint man das ja recht unterschiedlich zu sehen, denn unter den Unternehmen, die diesen Appell unterschrieben haben, da sind Metro und Rewe zu finden, Adidas oder Puma. Da kann man natürlich sagen, das tut denen auch nicht weh. Aber auch Energiekonzerne wie ENBW.Nach Ihrer Einschätzung: Wie verbreitet ist allgemein die Akzeptanz für Klimaschutz in den deutschen Unternehmen?

Ich glaube nicht, dass der Klimaschutz als solcher infrage gestellt wird, und das ist auch nicht die Rückmeldung, die wir von den Unternehmen bekommen, sondern es geht tatsächlich darum zu überlegen, wie bekommen wir das auch hier vor Ort hin, ohne dass die Unterschiede zwischen den Kosten, die wir hier haben, und den Kosten an anderer Stelle so groß werden.

Es geht auch gar nicht darum, dass jetzt, wenn die CO2-Preise ein bisschen steigen, sofort hier das Stahlwerk abgebaut und woanders aufgebaut wird. Aber wenn Sie zum Beispiel an die Chemieindustrie denken und sich vorstellen, da geht es darum, vielleicht eine Investitionsentscheidung für ein neues Werk zu treffen, ist natürlich schon die Frage, ist das hier am Standort, einem deutschen, einem europäischen Standort wirklich sinnvoll und kostendeckend, oder ist hier die Unsicherheit darüber, dass die Kosten sehr stark steigen eben so groß. Und eigentlich müsste es unser Interesse sein, dass wir die Unternehmen hier halten, wo sehr hohe Klimaschutzanforderungen sind. Es kann ja nicht das Ziel sein, dass die Unternehmen ihre Produktion dorthin verlagern, wo darauf nicht so geachtet wird, denn dem Klima ist damit auch nicht geholfen.

Haben auf der anderen Seite die Erfahrungen mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht gezeigt, dass kurzfristige Mehrkosten auf die längere Sicht sich wandeln in langfristige Know-how-Vorteile?

Ich würde es eher genau anders herum sehen. Am Anfang war sicherlich das Erneuerbare-Energien-Gesetz insofern einfach ein Erfolg, weil es hier Technologien angeregt hat, dass die überhaupt entwickelt wurden, sehr schnell Innovationen auch zustande kamen.

Doch heutzutage ist es ja so, dass die entscheidenden Technologien ja gar nicht mehr wirklich oder kaum noch in Deutschland produziert werden. Es ist vor allem so, dass sehr hohe Kosten entstanden sind, sehr hohe Umlagekosten, die im Grunde ja auch nur Emissionen verlagern. Denn alles, was vom EEG abgedeckt wird, unterliegt ja eigentlich auch dem Emissionshandel und drückt die CO2-Preise auf der anderen Seite, und es ist so, dass diese Umlagekosten ja nicht nur die privaten Verbraucher treffen, sondern auch viele Unternehmen, die auch nicht unter irgendwelche Ausnahmeregelungen fallen.

Eins aber noch. Wenn Sie ein Fazit aus Unternehmenssicht nach Paris versuchen, was am Vertrag hat Sie am meisten überrascht und was sehen Sie aus der Unternehmensperspektive kurz zum Schluss als besonders bedeutsam an?

Ich sehe in dem Vertragsabschluss schon ein wichtiges Signal, dass es gelungen ist, dass wirklich alle Nationen mit einer Stimme hier gesprochen haben.

Wir haben zumindest das gemeinsame Problembewusstsein. Aber eigentlich fängt die richtige Arbeit erst jetzt an, denn das muss mit Leben gefüllt werden, und das kann auch nicht mit allen Nationen passieren, sondern da müssen sich wirklich die großen Emittenten zusammentun und überlegen, wie sie wirklich gemeinsam daran arbeiten zu reduzieren, ohne die Wettbewerbsbedingungen völlig unterschiedlich zu gestalten.

Das Interview zum Anhören auf deutschlandfunk.de

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