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Michael Hüther im Internetportal MaschinenMarkt Interview 4. Januar 2010

Der Maschinenbau hat einen Teil der Durststrecke noch vor sich

Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, begründet im Interview mit dem Internetportal MaschinenMarkt, warum das Investitionstief noch eine Weile anhalten wird und weshalb die Kritik am exportorientierten Wirtschaftsmodell unberechtigt ist.

Herr Professor Hüther, welche Chancen auf einen Aufschwung hat die Investitionsgüterindustrie in diesem Jahr?

Die Ergebnisse unserer Herbst-Konjunkturumfrage weisen eher darauf hin, dass die Erholung noch auf sich warten lassen wird. Denn die Produktionsauslastung liegt erst wieder um ein Drittel über ihrem Tiefststand, was bedeutet, dass es immer noch eine enorme Unterauslastung der Anlagen gibt. Wir erwarten für die Gesamtwirtschaft in diesem Jahr ein Plus von einem halben Prozentpunkt bei den Ausrüstungsinvestitionen. 2010 werden die Unternehmen zwar als Folge der Krise Innovationen entwickeln und ihre Geschäftsmodelle überarbeiten, aber nicht in großem Umfang investieren. Und nicht zuletzt steht die Konjunkturerholung der nächsten Monate immer noch auf wackeligen Füßen.

Wie sind denn die Perspektiven der einzelnen Industriezweige?

Die Krise traf zunächst den Automobilsektor und die Chemiebranche, Maschinenbau und Elektrotechnik kamen später hinzu. Entsprechend wird der Aufschwung in umgekehrter Reihenfolge einsetzen. In der Chemieindustrie beobachten wir Signale für eine nachhaltige Nachfrage, Ähnliches gilt langsam für den Stahlbereich. Der Maschinenbau steht am Ende der Kette und hat noch einen Teil der Durststrecke vor sich.

In der öffentlichen Diskussion wird immer wieder vor einer Kreditklemme gewarnt. Ist die Situation wirklich so ernst?

Der Maschinenbau hat im Boom stark in seine Produktionskapazitäten investiert, was jetzt neben höheren Arbeitskosten auch zu gestiegenen Kapitalkosten geführt hat. Das bekommen die Unternehmen angesichts der niedrigen Auslastung besonders zu spüren. Aber alle volkswirtschaftlichen Indikatoren zeigen, dass die Verschärfungen der Kreditkonditionen keinesfalls über das in einer Rezession übliche Maß hinausgehen. Gerade von Mittelständlern höre ich immer wieder, dass sie zwar mehr Sicherheiten hinterlegen müssen, aber trotzdem noch ihre Liquidität sichern können. Aber in der Tat verzögert ein verschlechterter Zugang zu Krediten die wirtschaftliche Erholung, weil er es Unternehmen bei insgesamt enger Liquiditätssituation erschwert, ihre Lagerbestände aufzubauen.

Sind in dieser Lage politische Interventionen angemessen?

Ja, und zwar insofern, als die Bundesregierung erstens das Bad-Bank-Gesetz so verbessern sollte, dass die Banken wirklich einen Anreiz verspüren, ihre toxischen Papiere auszulagern. Zweitens wäre es hilfreich, wenn die Regierung konsistent argumentieren würde. Sie kann nicht auf der einen Seite den Banken die falschen Risikostrategien der Vergangenheit vorwerfen und auf der anderen einfordern, sie sollten einfach lockerer die Kredite vergeben.

Viele Unternehmen der Investitionsgüterbranche setzen ihre Hoffnungen auf die Nachfrage aus Schwellenländern, besonders China. Tun sie das zu Recht?

Tatsächlich kommen wichtige Impulse aus China, was auch an den massiven Interventionen der Regierung liegt. Die Nachfrage aus Indien ist sogar nahezu ungebrochen weitergelaufen. Grundsätzlich wird der deutsche Export weiterhin von den Megatrends der Globalisierung profitieren, die eine allgemeine Wohlstandsmehrung mit sich bringt.

Vor allem aus den USA kommen Forderungen nach einer Aufwertung der chinesischen Währung, um die Handelsbilanzungleichgewichte zu vermindern. Welche Folgen hätte die Aufwertung für deutsche Exporte?

Die von China ins Ausland verkauften Güter sind nicht wirklich Konkurrenzprodukte für die deutschen Exportprodukte. Zudem bezieht das Land aus Deutschland vor allem jene Produkte, die für den Aufbau der eigenen Industrie gebraucht werden. Insofern glaube ich nicht, dass eine Aufwertung nennenswerte Folgen für die deutsche Außenwirtschaft haben würde. Besonders dann nicht, wenn die Aufwertung graduell über einen längeren Zeitraum passieren würde.

Einer Fraunhofer-Studie zufolge sind die Produktionsverlagerungen auf dem tiefsten Stand seit 15 Jahren. Nun hat die angekündigte Verlagerung der C-Klassen-Produktion in die USA Schlagzeilen gemacht, mit der Daimler den niedrigen Dollarkurs ausnutzen will. Stehen wir vor einer neuen Verlagerungswelle?

Nein. Wir beobachten ja sogar eine steigende Zahl an Rückverlagerungen. Denn es zeigt sich immer wieder, dass trotz aller Globalisierung von Produktionsprozessen ein hoher Anspruch etwa bei Qualität und Liefertreue an Produkte deutscher Unternehmen gestellt wird, der nicht so einfach in ausländischen Produktionsstätten erfüllt werden kann. Hinzu kommen kulturelle und mentale Unterschiede, die auch bei der gescheiterten Fusion von Daimler und Chrysler aufgetreten sind. Die offene Frage ist, ob solche Risiken wirklich mit den Vorteilen aufgewogen werden, die ein Unternehmen im Währungsmanagement gewinnt. Zudem setzt eine solche Strategie voraus, dass der Dollarkurs auf Dauer niedrig bleibt. Ich halte es aber nicht für ausgemacht, dass Europa schneller zu einem verlässlichen Wachstumspfad zurückfindet als die USA.

Angesichts des drastischen Einbruchs bei der Nachfrage nach Industriegütern gab es immer wieder Kritik an der starken Exportorientierung der deutschen Wirtschaftspolitik, verbunden mit Forderungen nach der Stärkung der Inlandsnachfrage. Ist diese Kritik berechtigt?

Die Wirtschaftspolitik hat in Deutschland nie spezielle Branchen adressiert, sondern immer allgemeine Wachstumsvoraussetzungen im Blick gehabt. Es ist keinesfalls so, dass die deutsche Wirtschaft auf einem Auge blind wäre. Wir sind der drittgrößte Exporteur von Dienstleistungen. Ich widerspreche auch der These von der schwachen Binnennachfrage. Auffälligkeiten zeigt weniger die deutsche als die französische oder die britische Volkswirtschaft. Beide Länder haben in den vergangenen zehn Jahren kein Wachstum aus dem Außenbeitrag gezogen. In der gleichen Zeit lief die deutsche Wirtschaft dagegen gewissermaßen immer auf beiden Motoren, wenn auch mit abwechselnd starker Dynamik.

Viele Industrieunternehmen haben die Kurzarbeit ins neue Jahr hinein verlängert. Ist das angesichts des erwarteten geringen Wachstums eine wirklich sinnvolle Maßnahme?

Zunächst einmal müssen wir uns fragen: Was sind eigentlich unsere Erwartungen an ein normales Niveau? Sind es die Produktionsauslastungen von Ende 2007, von Ende 2008 oder ist es nicht eher der Durchschnitt der Jahre 2006 und 2007? Manche Manager haben mir die geschildert, wie sehr die Überauslastungen von 2007 und 2008 die Betriebe und ihre Mitarbeiter gefordert hätten. Wenn ein Unternehmen vorhat, sich auf einem längeren Weg zum Auftragsvolumen von vor rund drei Jahren zurückzukämpfen, dann ist Kurzarbeit ein nützliches Instrument dafür. Sie wirkt aber bei solchen Unternehmen negativ, die kein Licht am Ende des Tunnels sehen. Denn dann hält es ein Arbeitsvolumen konstant, das es auf Dauer nicht benötigt. Diese beiden Alternativen werden sich vor allem im ersten Halbjahr auseinanderentwickeln.

Zu den Forderungen des IW Köln an die Bundesregierung gehört auch die nach einer Lockerung des Kündigungsschutzes. Zeigt die rege Nutzung der Kurzarbeit nicht eher, dass die Unternehmen andere Prioritäten haben?

Das Kurzarbeitergeld ist eine sinnvolle Intervention in der Krise. Dort trägt sie, dort ist sie auch sinnvoll. Die Frage einer anderen Regulierung am Arbeitsmarkt stellt sich eher auf mittlere Sicht. Ich halte es für sehr bedeutsam, dass die Bundesregierung bei befristeten Arbeitsverträgen das unbedingte Verbot im Falle einer Vorbeschäftigung aufheben will. Denn gerade wenn im Aufschwung die Unsicherheit bei den Unternehmen groß ist, sind befristete Arbeitsverträge ein wichtiges Absicherungsinstrument für die Unternehmen. Das entlastet im Übrigen auch den Druck auf den Kündigungsschutz. Trotzdem ist nach meiner Überzeugung zu überlegen, ob wir nicht den Mut finden sollten, den Kündigungsschutz durch eine vorab definierbare Abfindungsregel zu ersetzen. Damit wären sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer vom Arbeitsgerichtsverfahren befreit. Die Arbeitgeber könnten den neuen Mitarbeitern die Wahl lassen, einen Arbeitsvertrag mit Kündigungsschutz oder einen mit einer vorab definierten Abfindung zu unterschreiben. Das ist keine Absage an den Kündigungsschutz, sondern der Versuch, ein bisschen mehr Handlungs- und Entscheidungsoptionen zu eröffnen. Diese sind in einer Phase konjunktureller Erholung besonders wichtig.

Wäre es angesichts der starken Gewerkschaften in der Industrie auch möglich, dass sie in Tarifverträgen die Abfindungsregel wieder ausschließen?

Natürlich können Tarifverträge privatrechtliche Regelungen vorsehen, das hat es vielfach schon gegeben. Ich glaube aber nicht, dass das eintreffen würde. Bisher erleben wir ja, dass die Sozialpartnerschaft in dieser Krise außerordentlich gut funktioniert, was sich auch an den vielen betrieblichen Bündnissen zeigt, deren Vereinbarungen von den Tarifverträgen abweichen. Warum sollten Betriebsräte und Unternehmensführung nicht auch beim Kündigungsschutz in der Lage sein, Differenzierungen zu treffen?

Prof. Dr. Michael Hüther ist seit dem Jahr 2004 Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Zuvor arbeitete der 47-Jährige als Chefvolkswirt der Deka Bank und als Generalsekretär des Sachverständigenrats.

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