Die regionale Corona-Betroffenheit in Deutschland zeigt sich in hohem Maße heterogen. Städte und industriell geprägte Regionen verzeichneten die höchsten Infektionsraten. Durch den Dienstleistungssektor geprägte Kreise mit bereits angespanntem Arbeitsmarkt bekommen die Krise in Form von gestiegener Arbeitslosigkeit besonders deutlich zu spüren. Der milde Anstieg an Arbeitslosigkeit in industriell geprägten Kreisen lässt sich zu einem großen Teil auf den resoluten Einsatz von Kurzarbeit im Verarbeitenden Gewerbe zurückführen.
Regionalanalyse Industrie: Geringe Arbeitslosigkeit trotz hoher Corona-Betroffenheit
IW-Kurzbericht
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Die regionale Corona-Betroffenheit in Deutschland zeigt sich in hohem Maße heterogen. Städte und industriell geprägte Regionen verzeichneten die höchsten Infektionsraten. Durch den Dienstleistungssektor geprägte Kreise mit bereits angespanntem Arbeitsmarkt bekommen die Krise in Form von gestiegener Arbeitslosigkeit besonders deutlich zu spüren. Der milde Anstieg an Arbeitslosigkeit in industriell geprägten Kreisen lässt sich zu einem großen Teil auf den resoluten Einsatz von Kurzarbeit im Verarbeitenden Gewerbe zurückführen.
Die Corona-Pandemie hält die deutsche Wirtschaft seit Monaten in ihrem Griff. Mit Blick auf die Arbeitslosigkeit hat sich die Krise hierzulande hingegen vergleichsweise moderat entwickelt. Im Juni 2020 stieg die Arbeitslosenquote auf 6,2 Prozent. Eine rasante Zunahme der Arbeitslosigkeit wie in den USA (13,3 Prozent im Mai 2020) ist damit ausgeblieben. Der moderate Anstieg der Arbeitslosigkeit in Deutschland ist zu einem großen Teil auf den stabilisierenden Einsatz von Kurzarbeit zurückzuführen, bei der die Bundesagentur für Arbeit den Beschäftigten das Nettoeinkommen zu 60 Prozent (kinderlos), 67 Prozent (mit Kindern) ersetzt und den Unternehmen die Sozialversicherungsbeiträge erstattet. Allein im März und April 2020 haben Betriebe für 10,66 Millionen Angestellte Kurzarbeit angezeigt - umgerechnet sind das knapp ein Drittel der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Die Anzeige der Kurzarbeit führt jedoch nicht zwangsläufig zu deren tatsächlichen Inanspruchnahme. Vielmehr halten sich Unternehmen mit der Anzeige lediglich alle Möglichkeiten offen. Wie vorläufige Zahlen der Bundesagentur für Arbeit nun zeigen, hat der Staat im April 2020 nur 6,83 Millionen Arbeitgebern oder in 64 Prozent der angezeigten Fälle tatsächlich konjunkturelles Kurzarbeitergeld ausgezahlt – im März 2,49 Millionen Arbeitgebern (Bundesagentur für Arbeit, 2020). Der durchschnittliche Arbeitsausfall dürfte nach anekdotischen Informationen aus verschiedenen Branchen eher unter 50 Prozent liegen, so dass die Bedeutung der Kurzarbeit für das Arbeitsvolumen deutlich geringer sein dürfte als für die Beschäftigten.
Der Blick auf die Wirtschaftsstruktur offenbart große Unterschiede in der Betroffenheit. Das vom Lockdown hart getroffene Gast- und Beherbergungsgewerbe hat in den Monaten März und April 2020 für 93,4 Prozent seiner Beschäftigten Kurzarbeit angezeigt. Und auch in der Automobilindustrie, wo viele Werke zwischenzeitlich still standen, wurde maßgeblich auf die Zuschüsse der Bundesagentur zurückgegriffen. In Emden und Wolfsburg wurde für über 50 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Kurzarbeit beantragt. Wie viele Angestellte tatsächlich in Kurzarbeit geschickt wurden, wird sich erst in einigen Monaten herausstellen. Dass in Leverkusen und Ludwigshafen die Anzeigen lediglich bei 11,6 beziehungsweise 16,2 Prozent lagen, passt jedoch zum relativ geregelten Verlauf der Produktion in Teilen der Pharmaindustrie und der Chemieindustrie auch im zweiten Quartal 2020.
Dabei gilt grundsätzlich: Das verarbeitende Gewerbe ist aufgrund der verflochtenen Wertschöpfungsketten etwa nach China oder Norditalien bereits deutlich länger von der Corona-Pandemie betroffen als der Dienstleistungssektor. Der frühe angebotsseitige Schock fällt hier bereits im ersten Quartal 2020 ins Gewicht. Erst in den letzten Wochen hellte sich das Bild auf. Nach historischem Einbruch war für Mai 2020 ein leichter Anstieg der Auftragseingänge zu beobachten – für Juni zeigt sich eine deutliche Verbesserung in den Stimmungsindikatoren. Trotzdem fällt der Arbeitsmarktausblick der Industrie im Vergleich zu den anderen Branchen besonders negativ aus: Die ausgeschriebenen Stellenanzeigen im Zeitraum März-Mai 2020 gingen in der Industrie im Vorjahresvergleich um ganze 35 Prozent zurück (ifo Institut, 2020).
Die regionale Konzentration der deutschen Industrie liefert damit auch einen Erklärungsansatz für die disparate regionale Corona-bedingte Arbeitsmarktbetroffenheit. Analysen der regionalen Dimension der Corona-Krise stehen derzeit noch am Anfang (Mense / Michelsen, 2020; Oberst / Voigtländer, 2020; WSI, 2020). In der medizinischen Dimension zeigt sich eine starke Konzentration von Infektionszahlen in Landkreisen und kreisfreien Städten mit hoher Industriebeschäftigung. In den 50 Kreisen mit dem höchsten Anteil von sozialversicherungspflichtiger industrieller Beschäftigung in Deutschland – wo im Durchschnitt 34 Prozent aller Einwohner im erwerbsfähigen Alter im Verarbeitenden Gewerbe arbeiten – wurden pro Kopf fast doppelt so viele Covid-19 Fälle festgestellt wie in den 50 Kreisen mit der niedrigsten Industriequote. Und das obwohl die Industrie-Kreise im Durchschnitt keine überdurchschnittliche Bevölkerungsdichte aufweisen – einem der wichtigsten Treiber des Infektionsgeschehens (Mense / Michelsen, 2020). Besonders niedrig ist die medizinische Corona-Betroffenheit zudem in den ländlichen Kreisen Ostdeutschlands.
Der medizinische Befund ist auf den ersten Blick nur schwerlich mit der wirtschaftlichen Betroffenheit der Kreise zusammenzubringen. Zwar ist die Arbeitslosigkeit in den stark betroffenen industrielastigen Kreisen im Vorjahresmonatsvergleich mit 41,95 Prozent besonders stark angestiegen. Der entsprechende Anstieg in Prozentpunkten fällt mit 1,27 aber durchschnittlich aus. Denn in den industrieintensiven Regionen herrschte vor dem Pandemieausbruch eine besonders niedrige Arbeitslosigkeit – in diesen Kreisen dominierte der Fachkräftemangel. Entsprechend ist auch der höchste prozentuale Anstieg der Arbeitslosigkeit im industriestarken Bayern und Baden-Württemberg zu beobachten; in Prozentpunkten fällt dieser Anstieg aufgrund des niedrigen Arbeitslosigkeitsniveaus aber relativ gering aus. Deutlich überdurchschnittlich fällt der Anstieg der Arbeitslosigkeit mit 1,55 Prozentpunkten hingegen in Regionen mit Dienstleistungsfokus aus, die medizinisch gar nicht so stark betroffen sind.
Hohe medizinische Betroffenheit in Kombination mit der bereits langanhaltenden wirtschaftlichen Krise in der Industrie – und trotzdem nur eine gering angestiegene Arbeitslosigkeit in den entsprechenden Kreisen: Der auf den ersten Blick erstaunliche Befund erklärt sich aus der stabilisierenden Wirkung der Kurzarbeit. Um diese auf Kreisebene zu quantifizieren, wird der Anteil an tatsächlich ausgezahltem konjunkturellem Kurzarbeitergeld an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in einem Kreis durch die Anzeigen zum Kurzarbeitergeld in den Monaten März und April approximiert und um die 36 Prozent der Anzeigen korrigiert, die in diesem Zeitraum voraussichtlich deutschlandweit nicht zu einem entsprechenden Bezug geführt haben. Die so approximierte bundesweite Kurzarbeiterquote von durchschnittlich 20,7 Prozent wird in den 50 Industriekreisen mit 23,8 Prozent deutlich übertroffen, in den 50 Dienstleistungskreisen mit 18,3 unterschritten. Auch wenn das Personal im Gast- und Beherbergungsgewerbe teilweise gänzlich in Kurzarbeit geschickt wurde, vermittelt sich dies nicht im Aggregat der Dienstleistungs-Kreise.
Die stabilisierende Wirkung der Kurzarbeit zeigt sich dafür deutlich in den 50 Industrie-Kreisen. Eine mögliche Erklärung könnte darin liegen, dass Industrieunternehmen besonders daran gelegen ist, die speziell angelernten Facharbeiter in ihren Betrieben zu halten. Und auch die wichtigen Absatzerwartungen mit Blick auf China haben sich inzwischen deutlich verbessert. Zudem dürfte das Verarbeitende Gewerbe einen kräftigeren Nachfrageschub ihrer Produkte erwarten als viele Dienstleister, deren Geschäftsmodelle aller Voraussicht nach nachhaltiger vom Infektionsgeschehen abhängen. Aktuelle Zahlen aus den USA zeigen bereits für den Mai eine Rückkehr des Verbrauchsgüterabsatzes fast auf Vorkrisenniveau – davon können Dienstleister derzeit nur träumen. Als Konsequenz werden Arbeitnehmer eher entlassen als auf Kurzarbeit gesetzt.
Matthias Diermeier / Michael Hüther: Regionalanalyse Industrie – Geringe Arbeitslosigkeit trotz hoher Corona-Betroffenheit
IW-Kurzbericht
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