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Hubertus Bardt / Edgar Schmitz IW-Kurzbericht Nr. 72 27. September 2023 Industrie schränkt Produktion ein

Drei Viertel der energieintensiven Unternehmen haben ihre Produktion bereits dauerhaft oder zeitweise reduziert, planen dies oder denken darüber nach.

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Industrie schränkt Produktion ein
Hubertus Bardt / Edgar Schmitz IW-Kurzbericht Nr. 72 27. September 2023

Industrie schränkt Produktion ein

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Drei Viertel der energieintensiven Unternehmen haben ihre Produktion bereits dauerhaft oder zeitweise reduziert, planen dies oder denken darüber nach.

Die industrielle Produktion am Standort Deutschland leidet unter wettbewerbswidrig hohen Energiekosten, aber auch unter der Steuerbelastung, oder zunehmenden bürokratischen Belastungen. Um den Abbau der industriellen Wohlstandsbasis in Deutschland zu stoppen, ist neben Entlastungen bei den Energiekosten eine grundlegende und kurzfristige Verbesserung der Standortbedingungen notwendig.

Die Energiepreiskrise hat die Standortnachteile Deutschlands deutlich sichtbar gemacht. Gestiegene und im internationalen Wettbewerb erheblich erhöhte Energiepreise verschlechtern die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Unternehmen. Gas ist deutlich teurer als in den USA, beim Strom sehen sich die deutschen Großverbraucher dem französischen Energiestrompreis und niedrigeren US-Preisen gegenüber. Auch beim Öl hat sich die Wettbewerbssituation gegenüber den Ländern verschlechtert, die mit Abschlägen trotz des Krieges in der Ukraine weiterhin Öl aus Russland beziehen. Zudem haben sich in den vergangenen Jahren weitere Standortschwächen verstärkt und bisherige Stärken geschwächt: Bei der Gesamtheit der standortspezifischen Kosten (wie Steuern, Lohn- und Energiekosten) liegt Deutschland auf Rang 44 von 45 Ländern (Hüther et al, 2023), Kostennachteile erweisen sich als dauerhaft (Grömling / Bardt, 2023), Infrastrukturvorteile gehen verloren, Bürokratie engt unternehmerisches Handeln ein und der Vorteil gut ausgebildeter Mitarbeiter wird durch den Fachkräftemangel infrage gestellt.

Schon im Winter waren erhebliche Produktionsstörungen durch die massiven Energiekostensteigerungen zwischen 2021 und 2022 erkennbar (Bardt / Grömling, 2023). Auch die zwischenzeitlich wieder zurückgegangenen Energiepreise haben die Wettbewerbsnachteile nicht wieder verschwinden lassen. Insbesondere energieintensive Unternehmen reagieren mit erheblichen Produktionseinschränkungen. Um diese zu vermessen, wurde im August 2023 eine Online-Befragung unter 148 Unternehmen der energieintensiven Branchen Papier, Chemie sowie Metallerzeugung und -verarbeitung vorgenommen. Diese Befragung ist nicht im statistischen Sinne repräsentativ, zeigt dennoch deutliche Tendenzen.

Im Ergebnis zeigt sich, dass rund drei Viertel der energieintensiven Unternehmen in den genannten Branchen aufgrund der hohen Energiepreise ihre Produktion im Inland drosseln oder dies zumindest in Erwägung ziehen. Lediglich ein Viertel der befragten energieintensiven Firmen sieht die eigene Produktion in Deutschland durch die schlechte Wettbewerbsposition nicht infrage gestellt. 8 Prozent der energieintensiven Unternehmen geben an, ihre Produktion dauerhaft reduziert zu haben. Darin spiegelt sich wider, dass eine einmal getroffene Schließung oder Verlagerung nicht mehr rückgängig gemacht wird, weil sich die Wettbewerbsbedingungen kaum ausreichend verbessern dürften. Darüber hinaus kam es bei 29 Prozent der Unternehmen zwar nicht zu dauerhaften, aber zu zeitweisen Produktionsstilllegungen. Weitere 9 Prozent der Unternehmen planen (zum Teil zusätzliche) dauerhafte oder permanente Produktionsstillegungen, 28 Prozent der Unternehmen denken darüber nach (Abbildung).

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Tendenziell reduzieren größere Unternehmen häufiger ihre Produktion in Deutschland. Bei den energieintensiven Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern liegt der Anteil der Firmen, die weder Stilllegungen beschlossen haben noch darüber nachdenken bei gerade einmal 8 Prozent. Große Unternehmen haben oft mehr Möglichkeiten, Produktionsreduktion im Inland durch ausländische Produktion zu kompensieren. Bei den größeren Unternehmen zeigt sich entsprechend, dass sie die Produktion an günstigeren Standorten im Ausland zulasten der Produktion in Deutschland erhöht haben. Kleinere Unternehmen, die ausschließlich in Deutschland produzieren, haben diese Möglichkeiten nicht. Hier drohen mit dauerhaften Stilllegungen die Aufgabe ganzer Unternehmen und entsprechend negativen Effekten für deren Zulieferer und den nachgelagerten Unternehmen.

Die Produktionseinschränkung der befragten Unternehmen ist dabei nicht marginal. 13 Prozent der Produktion der Unternehmen, die derartige Maßnahmen bereits umgesetzt oder geplant haben, ist dauerhaft stillgelegt worden. 24 Prozent der Produktion ist zumindest temporär eingestellt. Die in der Diskussion stehenden weiteren Produktionsvolumina sind hier noch nicht berücksichtigt.

Die Produktionsstilllegungen der deutschen Unternehmen wird nur partiell durch Auslandsproduktion kompensiert. Nur 14 Prozent der Unternehmen erhöhen die Produktion an Auslandstandorten zum Ausgleich von zumindest der Hälfte des Produktionsrückgangs. Über die Hälfte der Produktion ist verloren und muss durch Importe von Drittunternehmen kompensiert werden. Bei größeren Unternehmen ist aufgrund der eher vorhandenen Möglichkeit einer Verlagerung der kompensierbare Anteil deutlich größer.

Auch unter den nicht energieintensiven Firmen geben 3 Prozent an, dauerhafte oder temporäre Produktionseinschränkungen zu planen, weitere 10 Prozent prüfen dies.

Das Zurückfahren industrieller Produktion in Deutschland ist kein Szenario, das sich möglicherweise irgendwann in der Zukunft abspielen könnte. Es findet bereits statt und zahlreiche Unternehmen erwägen eine Drosselung der Produktion. Die hohen Energiepreise sind ein Faktor, der den Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb schwächt. Hinzu kommen die bekannten Standortbedingungen, die als unzureichend für zukünftige Produktion und Investitionen angesehen werden müssen. Eine überzeugende Initiative zur Verbesserung des Standorts (Steuersenkung, Reduktion der Energie- und Lohnnebenkosten, Bürokratieabbau, Infrastrukturverbesserungen, Stärkung der Bildung, erhebliche Beschleunigung von Verwaltungsentscheidungen insbesondere durch Digitalisierung) erscheint angesichts des bereits begonnenen und weiter fortschreitenden Abbaus industrieller Produktion unumgänglich.

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