Nicht nur unsere Gegenwart ist krisenanfällig. Auch die Herausforderungen der nächsten Zukunft verlangen nach mehr und besseren Innovationen. Die kritischen Felder sind dabei neben der Gesundheitsversorgung der demografische Wandel, die Dekarbonisierung und die Digitalisierung, schreibt IW-Bildungsexperte Axel Plünnecke in einem Blog für die Bertelsmann Stiftung.
Mit Innovationen die Probleme von heute und morgen bewältigen
Die aktuelle Coronakrise macht deutlich, wie wichtig Innovationen zur Sicherung des Wohlergehens der Bevölkerung sind. Neben den notwendigen Regulierungen wie Schließungen von Schulen, Kitas und Teilen des öffentlichen Lebens, um die Verbreitung des Virus einzudämmen, sind soziale Innovationen im Zusammenleben dringend geboten. Dazu zählen neue Formen von Besuchskontakten zu Freunden und vor allem älteren Verwandten, von Abstandhalten in Supermärkten, Kontakten zu Kunden und Zusammenarbeiten in Unternehmen. Dazu wird es nötig sein, die Potenziale von Big Data zu nutzen, wenn Kapazitäten aufgebaut sind, die Bevölkerung besser zu testen, um daraufhin besser gezielt den Virus isolieren zu können. Hoffnung besteht darin, dass Innovationen in diesem oder dem nächsten Jahr zu Impfstoffen führen, die dann langfristigen Schutz vor dem Virus bieten können.
Um den Wohlstand in Deutschland nachhaltig zu sichern, sind in den nächsten Jahren für die deutsche Volkswirtschaft aber auch weitere Herausforderungen zu meistern, deren Trend sich leichter vorherbestimmen lässt. Eine Befragung von Unternehmen durch das IW Ende 2019 zeigt, dass Unternehmen durch Digitalisierung, Dekarbonisierung und demografischen Wandel starke Auswirkungen für ihre Geschäftstätigkeit erwarten und von der Politik vor allem eine Stärkung von Innovationen, Investitionen und Bildung erhoffen.
Die Digitalisierung führt bereits heute dazu, dass die Beschäftigung in Informatikerberufen stark zunimmt – allein in den IT-Expertenberufen seit Ende 2012 um über 70 Prozent. Die weitere Vernetzung von Wertschöpfungsketten, selbstfahrende Autos, die Digitalisierung der Schulen und Bildungseinrichtungen verstärken die Nachfrage nach IT-Kräften. Allein die 40.000 Schulen in Deutschland werden in hohem Maße IT-Experten und -Lehrkräfte benötigen, um den Digitalpakt zu einem Erfolg zu führen. Die Chancen von der Digitalisierung zu profitieren, sind dabei in Deutschland regional sehr ungleich verteilt. So ist die Zahl der IT-Experten je 10.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Großstädten von Ende 2012 bis Ende Juni 2019 von 100 auf 164 sehr dynamisch gestiegen. In ländlichen Kreisen mit Verdichtungsansätzen nahm im selben Zeitraum die entsprechende Kennziffer nur von 26 auf 37, in dünn besiedelten ländlichen Kreisen nur von 20 auf 28 zu. Unter den Flächenländern liegt der Süden Deutschlands deutlich vorn. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei Patenten. Auswertungen der IW-Patendatenbank zeigen, dass in Bayern und Baden-Württemberg ein Großteil aller Digitalisierungspatente in Deutschland angemeldet wird.
220.000 neue MINT-Kräfte benötigt
Die Dekarbonisierung der Wirtschaft und eine nachhaltige Sicherung des Wohlstands gelingen nur, wenn technologische Innovationen entfacht werden. Um die Innovationskraft zu stärken, sollten die Forschungsausgaben in Deutschland auf 3,5 Prozent des BIP steigen. Dies hat auch die Bundesregierung als Ziel formuliert und sollte durch eine entsprechende Innovationspolitik die geeigneten Rahmenbedingungen dafür setzen. Rund 83 Prozent der Erwerbstätigen in Forschungsabteilungen sind MINT-Kräfte. Um das 3,5%-Ziel zu erreichen, werden nach Berechnungen des IW allein 220.000 zusätzliche MINT-Kräfte benötigt.
Der demografische Wandel bewirkt einen stark steigenden Ersatzbedarf an MINT-Kräften. Zusammen mit dem Expansionsbedarf, der durch die Digitalisierung und steigende Forschungsintensivierung getragen wird, entsteht ein steigender Gesamtbedarf an MINT-Kräften, der bereits in den letzten Jahren nicht durch die Potenziale im Inland gedeckt werden konnte. So hat die Zuwanderung dazu beigetragen, die MINT-Basis und Innovationskraft in Deutschland zu stärken. Der Anteil der zugewanderten MINT-Akademiker an allen erwerbstätigen MINT-Akademikern stieg im Zeitraum von 2011 bis 2017 von 14,3 Prozent auf 20,4 Prozent. Auswertungen der IW-Patentdatenbank zeigen, dass der Anteil von Erfindern mit ausländischen Wurzeln in den letzten Jahren zudem stark gestiegen ist.
Wir müssen weltoffen bleiben
Um langfristig die Herausforderungen von Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demografie zu meistern, ist Weltoffenheit von zentraler Bedeutung. Zum einen findet Forschung im internationalen Austausch von Ideen statt. Zum anderen wird die Forschungs- und Innovationslandschaft in Deutschland selbst zunehmend internationaler. Die Zuwanderung über die Hochschulen bietet dabei auch Regionen im Osten oder in ländlichen Regionen die Chance, Netzwerke für weitere Zuwanderung und internationalen Ideenaustausch aufzubauen. Damit können auch diese Regionen die Wohlstandspotenziale von Digitalisierung und Forschungsintensivierung besser nutzen. Wenn die Coronakrise auch vorübergehend zu Grenzschließungen und einen stärken Blick nach innen führt, sollte bewusst bleiben, dass Weltoffenheit die Innovationskraft stärkt und hilft, den Wohlstand nachhaltig zu sichern.
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