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Ralph Henger / Kathrin Kaestner / Christian Oberst / Stephan Sommer IW-Kurzbericht Nr. 43 10. Mai 2022 CO2-Kosten-Stufenmodell: richtige Logik, aber falsche Bemessung

Am 4.4.2022 hat die Bundesregierung ein Konzept für ein Stufenmodell veröffentlicht, in dem die Höhe der Umlagefähigkeit der CO2-Kosten nach Gebäudeenergieklassen differenziert wird. Mieter werden demnach bei den (zusätzlichen) Heizkosten entlastet, wenn sie in energetisch schlechten Gebäuden wohnen.

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richtige Logik, aber falsche Bemessung
Ralph Henger / Kathrin Kaestner / Christian Oberst / Stephan Sommer IW-Kurzbericht Nr. 43 10. Mai 2022

CO2-Kosten-Stufenmodell: richtige Logik, aber falsche Bemessung

Veröffentlichung im Rahmen des Kopernikus-Projekts Ariadne, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Am 4.4.2022 hat die Bundesregierung ein Konzept für ein Stufenmodell veröffentlicht, in dem die Höhe der Umlagefähigkeit der CO2-Kosten nach Gebäudeenergieklassen differenziert wird. Mieter werden demnach bei den (zusätzlichen) Heizkosten entlastet, wenn sie in energetisch schlechten Gebäuden wohnen.

Vermieter erfahren einen größeren Anreiz, ihre Gebäude energetisch zu modernisieren. Der vorgesehene Nachweis über die Heizkostenabrechnung basiert jedoch auf Verbrauchswerten, was mitunter zu falschen Einstufungen führt und Mieter nicht zum sparsamen Heizen motiviert. Eine bessere Grundlage wären belastbare Energiebedarfswerte, wodurch der dringende Reformbedarf bei den Energieausweisen deutlich wird.

Anfang 2021 hat Deutschland im Rahmen eines nationalen Emissionshandelssystems zur Erreichung der sektoralen Klimaschutzziele einen CO2-Preis für den Wärme- und Verkehrssektor eingeführt (Brennstoff-emissionshandelsgesetz – BEHG). Die CO2-Bepreisung betrifft die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brenn- und Kraftstoffe. Zunächst wurde der Ausstoß einer Tonne CO2 mit einem Preis von 25 Euro belegt, mittlerweile ist er auf 30 Euro angestiegen und soll bis zum Jahr 2025 auf 55 Euro steigen. Hierdurch ist Erdgas dieses Jahr 0,7 Cent/kWh und Heizöl knapp 1 Cent/KWh) teurer. Für eine Durchschnittsfamilie fallen Mehrkosten in Höhe von 144 Euro (Erdgas, 20.000 kWh/a) bzw. 190 Euro (Heizöl, 2000 Liter/a) an. Seit der Einführung der CO2-Bepreisung werden neben der Maßnahmeneffektivität (Modernisierungsgeschwindigkeit) und den Wechselwirkungen mit anderen Maßnahmen vor allem die Verteilungswirkungen der CO2-Bepreisung intensiv diskutiert (vgl. z. B. Berneiser et al., 2021).

Bisher können Vermieter die Kosten, die durch die CO2-Bepreisung anfallen, zusammen mit den gesamten Kosten für die Heizungs- und Warmwasserversorgung vollständig auf die Mieter umlegen. Die Umlage wird mit dem Verursacherprinzip und dem Nutzungsverhalten der Mieter begründet. Die Energieeffizienz eines Gebäudes liegt jedoch im Verantwortungsbereich der Vermieter. Selbst eine vollständige Umlagefähigkeit der CO2-Kosten auf die Mieter würde nur indirekt und aufgrund der unelastischen Nachfrage am Wohnungsmarkt zeitverzögert mit Investitionsanreizen in energetische Modernisierungen verbunden sein. Vor diesem Hintergrund begann mit der Einführung der CO2-Bepreisung eine Debatte über die angemessene Verteilung der Zusatzkosten zwischen Vermietern und Mietern. Im Fokus stehen dabei drei Konzepte:

  1. Eine 50-50-Aufteilung beteiligt den Vermieter an den durch die CO2-Bepreisung gestiegenen Heizkosten zur Hälfte. Hierdurch entstehen direkte Anreize auf Seiten der Vermieter für energetische Effizienzmaßnahmen. Problematisch ist, dass Vermieter von energieeffizienten Gebäuden systematisch benachteiligt werden.
  2. Ein Stufenmodell, in dem die Höhe der Umlagefähigkeit nach Gebäudeenergieklassen differenziert wird und der Mieteranteil mit der energetischen Qualität des Gebäudes steigt (dena, 2021). Hierdurch entstehen Anreize für Vermieter, bei besonders schlechten Gebäuden energetische Effizienzmaßnahmen durchzuführen. Kritischer Punkt ist der Nachweis der Gebäudeeffizienz, der über bestehende Energieausweise nicht möglich ist.
  3. Eine Umstellung auf (Teil-)Warmmiete, die dazu führt, dass Teile der Heiz- und Warmwasserkosten vom Vermieter getragen werden und dieser dadurch direkt von Heizkosteneinsparungen profitiert. Hierdurch können starke Anreize zur Durchführung von Effizienzmaßnahmen etabliert werden. Es liegen jedoch verschiedene Konzepte vor, die alle aufgrund des hohen Verwaltungs- und Kontrollaufwands nicht zeitnah eingeführt werden können und neue Probleme hervorrufen (Henger et al., 2021; Klinski et al., 2021).
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Empirische Ergebnisse

Im Rahmen des Kopernikus-Projektes Ariadne findet seit 2021 jährlich eine deutschlandweite repräsentative Befragung statt (Frondel et al., 2022). An der ersten Erhebung nahmen 15.400 private Haushalte teil und machten detaillierte Angaben zu ihrem Gebäude und ihrem Energieverbrauch. Zudem wurden die Haushalte konkret nach ihren Einstellungen zur Umlagefähigkeit der CO2-Kosten befragt.

Die Befragungsergebnisse zeigen, dass das Stufenmodell die größte Zustimmung erfährt (Abbildung). Drei der vier befragten Gruppen bevorzugen dieses Modell. Die Mieter stimmen dem Stufenmodell mit 55 % am meisten zu, gefolgt von den Selbstnutzern und Mietern, die selbst andere Wohnungen vermieten (jeweils 52 %). Interessant ist, dass sogar 41 % der Vermieter dem Stufenmodell zustimmen. Am zweitbeliebtesten ist die hälftige Aufteilung der CO2-Kosten. Weniger Zustimmung gibt es für die Ansätze, bei der entweder der Mieter oder der Vermieter die CO2-Kosten allein tragen muss. Nur in den jeweils profitierenden Gruppen sind für diese Ansätze hohe Zustimmungswerte zu beobachten. Das Ergebnis der Befragung zeigt, dass die eigene Betroffenheit zwar eine große Rolle spielt, aber neben Kostenerwägung auch Aspekte wie die praktische Umsetzung, die gerechte Verteilung der Kosten sowie Auswirkungen auf die Kaltmiete berücksichtigt werden.

Reform der Kostenaufteilung

Das im April 2022 vorgestellte Konzept für das Stufenmodell stellt einen Kompromiss zwischen Maßnahmeneffektivität, Verteilungsgerechtigkeit und Praktikabilität dar: effektiv, da die CO2-Kosten umso mehr von den Mietern getragen werden müssen, je geringer die spezifischen Treibhausgasemissionen des Gebäudes sind; gerecht, da ein Stufenmodell am ehesten dem Verursacherprinzip folgt und dem Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung entspricht, wie die Ergebnisse der Befragung nahelegen. Schließlich müssen beide Seiten dazu beitragen, den Energieverbrauch in Gebäuden zu senken, Vermieter durch Sanierungen und eine effiziente Ausstattungsqualität und Mieter über das tatsächliche Heizverhalten. Durch die Neuregelung werden vor allem Mieterhaushalte in ineffizienten Gebäuden entlastet. Vor dem Hintergrund der zuletzt deutlich erhöhten Energiepreise und der zukünftig weiter steigenden CO2-Bepreisung können mit dem Stufenmodell verteilungs- und sozialpolitisch wünschenswerte Effekte erzielt werden. Den Vermietern entsteht auf der anderen Seite ein erhöhter Druck, ihre Gebäude energetisch zu ertüchtigen. Dies ist klimapolitisch gewünscht, erfordert jedoch auch den Ausbau investitionsfreundlicher Rahmenbedingungen, etwa durch das Mietrecht oder durch attraktive Förderangebote.

Ein kritischer Punkt des Stufenmodells ist die Praktikabilität. Ein Nachweis mit dem Energieausweis ist nicht möglich, da dieser nicht für alle Gebäude verpflichtend vorliegt und sich auf Verbrauchs- oder Bedarfsberechnungen beziehen kann, was zu Einteilungen in unterschiedliche Effizienzklassen führt, so dass er rechtlich kaum tragfähig ist. Aufgrund des hohen politischen Drucks (Ankündigung im Koalitionsvertrag, steigende Energiepreise) wird das Stufenmodell voraussichtlich zum 1.1.2023 eingeführt. Dann wird es neben den Energieausweisen eine weitere Einteilung der Gebäude geben. Die Bemessungsgrundlage für die Einstufung der Wohngebäude im Stufenmodell soll die jährliche Menge an CO2-Emissionen für die gelieferte Brennstoffmenge sein. Diese müssen die Vermieter bei der Heizkostenabrechnung seit dem Inkrafttreten der neuen Heizkostenverordnung zum 1.12.2021 den Mietern mitteilen. Hieraus lässt sich die Umlage der Heizkosten berechnen. Vorgesehen sind zehn Stufen, in denen der Vermieteranteil von 0 % (bei 12 kg CO2/m2/a) in 10-%-Schritten auf 100 % (bei mehr als 52 kg CO2/m2/a) ansteigt. Zwei verschiedene Einteilungskriterien für energetische Gebäudeklassifizierungen werden mit Sicherheit zu Irritationen und Fehlinterpretationen auf Seiten der Nutzenden führen. Hauptproblem ist jedoch, dass Verbrauchswerte für die Beurteilung von Gebäuden ungeeignet sind. Verbrauchswerte sind von den Heizgewohnheiten und dem Nutzungsverhalten abhängig. Es macht zudem einen großen Unterschied, wie viele Personen in einem Haushalt wohnen. Letztendlich können Gebäude nur mit Bedarfsausweisen objektiv miteinander verglichen werden, da sie vom individuellen Nutzerverhalten abstrahieren. Der Energieausweis übernimmt eine Schlüsselrolle in der sozial-ökologischen energetischen Modernisierung des Mietwohnungsmarktes. Daher sollte rasch ein einheitlicher, bedarfsorientierter und für alle Gebäude verpflichtender Energieausweis eingeführt werden, um einen von den Marktteilnehmern akzeptierten und zugleich rechtsgültigen Nachweis über die Gebäudequalität zu schaffen.

Kathrin Kaestner / Stephan Sommer: RWI — Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Essen

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richtige Logik, aber falsche Bemessung
Ralph Henger / Kathrin Kaestner / Christian Oberst / Stephan Sommer IW-Kurzbericht Nr. 43 10. Mai 2022

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