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Matthias Diermeier / Simon Gerards Iglesias IW-Kurzbericht Nr. 47 2. Juni 2022 Der Staat als Co-Investor: Notwendige Stütze deutscher Innovationen?

Mit der Verschärfung der Klimakrise und der immer dringlicher werdenden Digitalisierung stellt sich der Wirtschaft die Aufgabe, schneller als zuvor Geschäftsmodelle an die Anforderungen der großen Transformationen anzupassen, sofern Politikziele, wie etwa die Emissionsreduktionen, eingehalten werden sollen. Um im europäischen Vergleich nicht noch weiter ins Hintertreffen zu geraten, ist zu begrüßen, dass der deutsche Staat eine aktivere Rolle in der (Co-)Finanzierung von konkreten Innovationen einnimmt.

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Notwendige Stütze deutscher Innovationen?
Matthias Diermeier / Simon Gerards Iglesias IW-Kurzbericht Nr. 47 2. Juni 2022

Der Staat als Co-Investor: Notwendige Stütze deutscher Innovationen?

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Mit der Verschärfung der Klimakrise und der immer dringlicher werdenden Digitalisierung stellt sich der Wirtschaft die Aufgabe, schneller als zuvor Geschäftsmodelle an die Anforderungen der großen Transformationen anzupassen, sofern Politikziele, wie etwa die Emissionsreduktionen, eingehalten werden sollen. Um im europäischen Vergleich nicht noch weiter ins Hintertreffen zu geraten, ist zu begrüßen, dass der deutsche Staat eine aktivere Rolle in der (Co-)Finanzierung von konkreten Innovationen einnimmt.

Unter Transformationen werden langjährige Prozesse verstanden, in denen sich Gesellschaft und Wirtschaft auf eine wandelnde Umwelt mit neu konfigurierten Konsumpräferenzen und Produktionsbedingungen graduell einstellen. Um der Geschwindigkeit standzuhalten, mit der die Klimakrise und die Digitalisierung die Anforderungen und Notwendigkeiten für Unternehmen verändert, sind Innovationen in Produkte und Produktionsbedingungen sowie deren schnelle Einsetzung als Massentechnologie notwendig. Insbesondere die stetige Verschärfung der klimapolitischen Zielsetzungen lassen sich nur schwerlich in den Innovationszyklen der Privatwirtschaft abbilden. Die hohe politische Unsicherheit und die schwer zu kalkulierenden Investitionsrisiken hemmen eine private Bereitstellung von innovativen Lösungen zur Bewältigung der Transformation.

Auch das Strategiepapier des Bundesfinanzministers vom Mai 2022 merkt an, dass „aus gesamtwirtschaftlicher Sicht (…) tendenziell zu wenig in den Innovationsprozess investiert wird, insbesondere aufgrund von positiven Wissens-Externalitäten und Finanzierungsbeschränkungen“ (Bundesministerium der Finanzen, 2022). Als Grund dafür werden im Finanzministerium der fehlende Wagniskapitalmarkt in Deutschland und die vergleichsweise hohen steuerlichen Belastungen für Unternehmen angeführt. So wichtig eine Senkung bürokratischer Hürden und die Setzung von steuerlichen Anreizen auch ist, richtet sich der Blick doch auf die staatliche Aktivierung von privatem Kapital.

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Der Staat hat als Akteur zwischen Forschung und Produktinnovationen eine lange Tradition. 1949 legten die Länder im Königsteiner Staatsabkommen den Grundstein für die öffentlich geförderten Forschungseinrichtungen, wie den Fraunhofer- oder Leipniz-Instituten, in denen angewandte Forschungsprojekte in Kooperation mit Unternehmen in Geschäftsmodelle umgemünzt werden sollen. Zudem setzt der Staat über Förderfonds wie EXIST Anreize, Ausgründungen mit innovativen Geschäftsideen durchzuführen.

Große Investitionsprojekte werden in Public-Private-Partnerships (PPP) gemeinsam mit privaten Investoren umgesetzt. Deutschland zeigt sich hier eher zurückhaltend (EIB, 2022). 2021 wurden gerade einmal 125 PPP-Projekte mit einem Projektvolumen von 16,1 Mrd. Euro realisiert. Ländern wie Frankreich (38,5 Mrd. Euro) und das Vereinigte Königreich (160 Mrd. Euro) bedienen diese Vehikel wesentlich aktiver. Der Fokus der PPP-Kooperationen liegt dabei in fast allen europäischen Ländern auf großen Transportinfrastrukturprojekten (60 Prozent) und weniger auf dem Ausbau der Erneuerbaren Energien (7 Prozent) oder der Telekommunikationsinfrastruktur (2,5 Prozent) (EIB, 2022).

Um die Risikoprämie für Unternehmensinvestitionen in innovativen Geschäftsfeldern zu senken, vergibt der Staat Garantien. Deren bereits hoher Anteil am BIP ist in Deutschland während der Corona-Pandemie auf 17,5 Prozent angestiegen. Damit gehört Deutschland in Europa zu den aktivsten Ländern (Europäische Kommission, 2022).

Entwicklungsbanken wie die KfW oder die EIB leisten direkte Anschubfinanzierungen für erfolgsversprechende Projekte. Hier tritt der Staat selbst als Venture-Kapitalgeber auf und versucht eine Lücke zu füllen, die private Investoren hinterlassen. Der Anteil der öffentlichen Hand im Wagniskapitalmarkt liegt in Deutschland bei lediglich 16 Prozent (für eingeworbene VC-Mittel zwischen 2017 und 2019) und damit europaweit im mittleren Bereich (KfW, 2020).

Auf europäischer Ebene versucht die EIB bis 2030 Investitionen in Klima- und Umweltschutz in Höhe von einer Billion Euro anzuschieben (Handelsblatt, 2021). Sowohl in der Infrastruktur- als auch in der Innovationsförderung gewann die Bank in der Bekämpfung der Pandemiefolgen eine neue inhaltliche Stoßrichtung. Hierunter fällt auch die frühe Finanzierung des späteren Impfstoffentwicklers BioNTech. Mit dem Europäischen Investitionsfonds (EIF) hat die EIB zudem ein Instrument geschaffen, das ihre Eigenmittel von 30,5 Mrd. Euro im Jahr 2021 auf Investitionsprojekten bei mehreren hundert Tausenden KMUs von über 110,6 Mrd. Euro hebeln konnte (EIF, 2022a). Schwerpunktmäßig werden die digitale Transformation und die ökologische Nachhaltigkeit sowie die wirtschaftliche Kohäsion gefördert.

Insbesondere führt der EIF die KMU-Finanzierungen des Europäischen Fonds für Strukturelle Investitionen (EFSI) aus. Dieser hat das Ziel, KMUs über staatliche Garantien oder Co-Finanzierungen Investitionsprojekte zu ermöglichen, die sonst nicht realisiert würden. Die Abbildung zeigt die zehn europäischen Mitgliedstaaten, in denen die KMU-Garantien durch den EIF die größten privaten Investitionen anstoßen konnte. Bei italienischen Unternehmen konnten etwa mit EIF-Mitteln in Höhe von 4,4 Mrd. Euro Investitionen von über 38 Milliarden Euro mobilisiert werden. Wesentlich geringer fallen die mobilisierten Investitionen in Polen und Ungarn aus, dafür konnte hier ein besonders hoher Hebel erzielt werden: Mit einer Garantie über einen Euro wurden Investitionen von rund 15 Euro angestoßen. Deutschland rangiert in der europäischen Rangliste abermals am unteren Rand. KMUs haben hierzulande nur in sehr geringem Maße auf die staatlichen Garantien zurückgegriffen und auch der Hebel fällt mit 6,7 unterdurchschnittlich aus.  

Die KfW wird von der Bundesregierung vermehrt damit betraut, Investitionen zur Gestaltung der Transformation zu finanzieren. Dies wird sichtbar im allein von 2019 (19,9 Mrd. Euro) bis 2021 (48,1 Mrd. Euro) an Bedeutung gewonnenen Förderschwerpunkt „Energieeffizienz“ und „Erneuerbare Energien“ (KfW, 2022). Hierbei handelt es sich jedoch vornehmlich um die energieeffiziente Wohnraumfinanzierung (19,3 Mrd. Euro in 2021) sowie die Bundesförderung für effiziente Gebäude (15,2 Mrd. Euro, in 2021) und damit weniger um tatsächliche Innovationsförderung von Unternehmen oder Start-Ups.

Als unmittelbare Investorin tritt die KfW hingegen mit ihrer Tochtergesellschaft KfW Capital GmbH auf. Diese verfügt über ein Fördervolumen an Neuzusagen von über 502 Mio. Euro für das Jahr 2021 (KfW, 2021). Damit ist die KfW Capital ein wachsender aber immer noch kleiner Akteur im Venture-Capital Markt. Die KfW Capital investiert in deutsche und europäische Venture-Capital Fonds, die wiederum an Start-Up Firmen und Wachstumsunternehmen beteiligt sind. Der Anteil der KfW-Beteiligungen am Gesamtvermögen dieser Fonds reicht von ca. 3 Prozent bis knapp 20 Prozent und soll ebenfalls eine Hebelwirkung für die Aktivierung privater Investments entfalten (KfW Capital, 2021). Das Portfolio deckt vor allem Tech-Unternehmen mit nachhaltiger Ausrichtung, Fin-Tech, Internet-Unternehmen, Deep Tech oder Life-Science ab. Ein weiterer Bereich der KfW Capital ist die Beteiligung an staatlichen Fonds, wie dem High-Tech Gründerfonds (HTGF) und Coparion, bei denen auch das Wirtschaftsministerium sowie die EIB beteiligt sind. Der Fokus dieser Fonds liegt auf Start-ups in der Startkapitalphase (Seed-Phase) oder jungen Wachstumsunternehmen.

In einem „Zukunftsfonds“ bündelt die Bundesregierung derzeit ihre Aktivitäten zur Gründungsfinanzierung. Den Kern bilden auch hier die in den Entwicklungsbanken angesiedelten Fonds. Bemerkenswerterweise wird auch eine neue Wachstumsfazilität des HTGFs geschaffen, die mit zwei Mrd. Euro unterlegt ist und speziell auf spätere Finanzierungsphasen abzielt. Als Zielmarke wird versucht, 10 Mrd. Euro an öffentlichen Mitteln bis 2030 über private Investitionen zu verdreifachen (Röhl, 2021).

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