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Martin Beznoska / Judith Niehues / Ruth Maria Schüler / Maximilian Stockhausen Gutachten 3. April 2024 Inflationsbelastungen von Rentnerhaushalten: Einordnung möglicher Wohlstandsverluste entlang der Einkommensverteilung

Anhaltend hohe Verbraucherpreissteigerungen prägten den Beginn des Jahres 2023 und führten gemäß der amtlichen Statistik zu einer jahresdurchschnittlichen Inflationsrate von 5,9 Prozent. War das Inflationsgeschehen im Vorjahr noch im Wesentlichen durch höhere Preise für Energie, Nahrungsmittel und Verkehr geprägt, dominierten im Jahresverlauf 2023 zunehmend die Nahrungsmittelpreissteigerungen die Inflationsentwicklung.

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Einordnung möglicher Wohlstandsverluste entlang der Einkommensverteilung
Martin Beznoska / Judith Niehues / Ruth Maria Schüler / Maximilian Stockhausen Gutachten 3. April 2024

Inflationsbelastungen von Rentnerhaushalten: Einordnung möglicher Wohlstandsverluste entlang der Einkommensverteilung

Studie unter Zuwendung des FNA – Forschungsnetzwerks Alterssicherung

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Anhaltend hohe Verbraucherpreissteigerungen prägten den Beginn des Jahres 2023 und führten gemäß der amtlichen Statistik zu einer jahresdurchschnittlichen Inflationsrate von 5,9 Prozent. War das Inflationsgeschehen im Vorjahr noch im Wesentlichen durch höhere Preise für Energie, Nahrungsmittel und Verkehr geprägt, dominierten im Jahresverlauf 2023 zunehmend die Nahrungsmittelpreissteigerungen die Inflationsentwicklung.

Da verschiedene Bevölkerungsgruppen unterschiedliche Konsumstrukturen aufweisen, können diese unterschiedlich stark von der Inflation betroffen sein. Im Besonderen rücken Rentnerhaushalte hier ins Erkenntnisinteresse, da diese weniger Handlungsspielräume haben, um die Inflation durch höhere Einkommen auszugleichen. Zur konkreten Beantwortung der Frage, ob Rentnerhaushalte der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV-Rentnerhaushalte) anders von der Inflation belastet waren als Haushalte, deren Haupteinkommensbezieher nicht verrentet war (sonstige Haushalte), werden gruppenspezifische Inflationsraten auf Basis der Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahr 2018 und aktuellen Preisreihen des Statistischen Bundesamtes auf Monatsbasis berechnet. Für die Hochinflationsjahre 2022 und 2023 zeigt sich, dass die GRV-Rentnerhaushalte im Jahresdurchschnitt ähnlich stark von der Inflation betroffen waren wie die sonstigen Haushalte. So lag die Jahresinflationsrate der GRV-Rentnerhaushalte im Jahr 2023 bei 5,8 Prozent und für die sonstigen Haushalte bei 5,7 Prozent. Allerdings zeigen sich im Jahr 2023 anders als im Vorjahr Unterschiede in den Inflationsbelastungen entlang der Nettoeinkommensverteilung. So fiel die Jahresinflationsrate der unteren 20 Prozent der GRV-Rentnerhaushalte mit 6,4 Prozent höher aus als unter den oberen 20 Prozent mit 5,6 Prozent. Aber auch für die Gruppe der sonstigen Haushalte ist eine ähnliche Inflationsprogression auf vergleichbarem Niveau zu beobachten, sodass diese nicht anders betroffen sind als vergleichbare GRV-Rentner. Wesentliche Ursache für die höheren Inflationsraten in den unteren Nettoeinkommensgruppen ist im Kern deren höherer Ausgabenanteil für Nahrungsmittel. Denn die Preissteigerungen für Nahrungsmittel wurden im Jahr 2023 zum bestimmenden Faktor für die Inflationsentwicklung und wurden nicht durch ähnlich hohe Preissteigerungen in anderen Konsumabteilungen unterjährig „ausgeglichen“, für die Haushalte aus den oberen Einkommensgruppen ihrerseits einen höheren Anteil ausgaben. 2022 waren das beispielsweise Ausgaben für den Verkehr.

Um Veränderungen der Kaufkraft einordnen zu können, werden die verfügbaren Haushaltseinkommen mithilfe von Informationen aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in Verbindung mit dem Mikrosimulationsmodell IW-STATS von 2018 bis 2023 nach Nettoeinkommensquintilen und für die Gruppen GRV-Rentner und alle anderen Haushalte differenziert fortgeschrieben. Das IW-STATS wurde zur Umrechnung von Brutto- zu Nettoeinkommensgrößen eingesetzt und kann Änderungen im Steuer- und Abgabenrecht und Einmal- und Hilfszahlungen in den jeweiligen Jahren berücksichtigen. Dabei zeigt sich, dass die relativen Kaufkraftverluste der GRV-Rentnerhaushalte zwischen den Jahren 2018 und 2023 mit durchschnittlich rund 1,7 Prozent geringer waren als die der sonstigen Haushalte mit 2,2 Prozent und dass die Kaufkraftverluste in beiden Gruppen mit steigendem Einkommen höher ausfielen. Gründe für die geringeren Kaufkraftverluste der GRV-Rentner im Betrachtungszeitraum dürften unter anderem in der positiveren Entwicklung der GRV-Renten liegen. Beispielsweise sind die Renteneinkommen der GRV im Gegensatz zu den Bruttolöhnen und -gehältern je Arbeitnehmer oder den Kapitaleinkünften zwischen 2019 und 2020 nicht gesunken. So verhinderte die Schutzklausel in der Rentenanpassungsformel ein Absinken des Rentenwerts im Folgejahr. Auch von der Erhöhung des Wohngeldes im Jahr 2020 und der Wohngeld-Plus – Reform zum 1. Januar 2023, durch die sich die Zahlbeträge reiner Wohngeldhaushalte im Durchschnitt ungefähr verdoppelt haben, dürften Rentnerhaushalte als größte Empfängergruppe ebenfalls deutlich profitiert haben. Allerdings gilt einschränkend, dass die GRV-Rentnerhaushalte durchschnittlich deutlich geringere Haushaltseinkommen zur Verfügung haben als die sonstigen Haushalte, wenngleich die relativen Kaufkraftverluste im unteren Teil der Nettoeinkommensverteilung insgesamt etwas geringer ausgefallen sind als im oberen Einkommensbereich, was für GRV-Rentner als auch sonstige Haushalte gleichermaßen gilt. Somit sind bereits geringe Kaufkraftverluste schwieriger zu bewältigen, da beispielsweise ein Rückgriff auf noch günstigere Produkte oder eine Veränderung ihres Arbeitsangebots nicht mehr oder nur unter großer Anstrengung möglich sind.

Abschließend wird sich der Frage gewidmet, über welche Ersparnisse Rentnerhaushalte im Vergleich zu den sonstigen Haushalten verfügen, und in welchem Umfang diese zur Deckung der zusätzlichen Inflationsbelastungen potenziell eingesetzt werden können. Auch hierfür mussten die Bruttovermögen und Schulden der Haushalte aus dem Jahr 2018 fortgeschrieben werden. Die Bruttovermögen wurden nach Nettovermögensquintilen differenziert und mithilfe der Vermögenspreisindizes von Flossbach von Storch fortgeschrieben, die Schulden mit einheitlicher Jahresveränderungsrate aus der Finanzierungsrechnung der Deutschen Bundesbank. Wenngleich die sonstigen Haushalte im Mittel über höhere Bruttovermögen verfügen, so führt die ebenfalls höhere Verschuldung dazu, dass das mittlere Nettovermögen der GRV-Rentnerhaushalte mit 62.200 Euro im Jahr 2018 höher ausfiel als unter den sonstigen Haushalten mit rund 48.500 Euro. Im Jahr 2023 bestehen diese Unterschiede auf höherem Niveau fort. Unabhängig davon zeichnen sich entlang der Nettoeinkommensverteilung der GRV-Rentnerhaushalte deutliche Unterschiede in der Vermögenshöhe ab. So verfügten die unteren 20 Prozent der GRV-Rentnerhaushalte im Jahr 2018 (2023) über durchschnittlich 28.200 Euro (32.600 Euro), während die oberen 20 Prozent im Durchschnitt auf 440.500 Euro (516.700 Euro) kamen. Damit können zwar breite Teile der GRV-Rentnerhaushalte auf nennenswerte Nettovermögenswerte zurückgreifen, die zwischen 2018 und 2023 nominal deutlich an Wert zugenommen haben. Gleichwohl besaßen im Jahr 2023 rund 5,2 Prozent der GRV-Rentnerhaushalte keinerlei Nettovermögen, wendeten gleichzeitig aber mehr für den Konsum auf als sie an Einnahmen erzielten – unter den sonstigen Haushalten lag der Anteil mit rund 5,1 Prozent ähnlich hoch. Einschränkend gilt, dass die Vermögenspreissteigerungen oftmals nicht realisierte Bewertungsgewinne darstellen, beispielsweise im Fall von selbstgenutzten Wohnimmobilien, auf die nicht ohne Weiteres zurückgegriffen werden kann. Bei den hier präsentierten Ergebnissen kann es sich daher nur um eine Annäherung an die tatsächlichen Wohlstandsverluste der Haushalte handeln, da es an aktuellen Haushaltsbefragungen mangelt und die Berechnungen der Inflationsbelastungen und Kaufkraftverluste mit methodischen Unsicherheiten und Einschränkungen durch teils restriktive Annahmen begleitet werden. Die wesentlichste Einschränkung besteht darin, dass überwiegend nur Preiseffekte und keine Verhaltensanpassungen berücksichtigt werden konnten.

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Einordnung möglicher Wohlstandsverluste entlang der Einkommensverteilung
Martin Beznoska / Judith Niehues / Ruth Maria Schüler / Maximilian Stockhausen Gutachten 3. April 2024

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