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Maike Haag / Enno Kohlisch / Oliver Koppel IW-Kurzbericht Nr. 63 1. August 2022 Industrieunternehmen melden rund neun von zehn deutschen Patenten an

86 Prozent aller Patentanmeldungen aus Deutschland stammen aktuell von Industrieunternehmen – bei einem Industrieanteil von 20 Prozent an allen Erwerbstätigen. Für das Innovationsgeschehen in Deutschland kommt der Industrie folglich sowohl absolut als auch relativ eine überragende Bedeutung zu.

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Industrieunternehmen melden rund neun von zehn deutschen Patenten an
Maike Haag / Enno Kohlisch / Oliver Koppel IW-Kurzbericht Nr. 63 1. August 2022

Industrieunternehmen melden rund neun von zehn deutschen Patenten an

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

86 Prozent aller Patentanmeldungen aus Deutschland stammen aktuell von Industrieunternehmen – bei einem Industrieanteil von 20 Prozent an allen Erwerbstätigen. Für das Innovationsgeschehen in Deutschland kommt der Industrie folglich sowohl absolut als auch relativ eine überragende Bedeutung zu.

Die IW-Patentdatenbank

In der IW-Patentdatenbank sind alle rund 7 Millionen Patentanmeldungen des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA), des Europäischen Patentamts (EPA) sowie der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) erfasst, die seit dem Jahr 1994 Schutzwirkung für Deutschland oder darüber hinaus anstreben oder angestrebt haben. Dieser integrierte Ansatz ermöglicht unter anderem, unter Berücksichtigung von Patentfamilien die Gesamtheit der Patentaktivität in Deutschland zu erfassen. Patentanmeldungen juristischer Personen aus Deutschland (Unternehmen, Hochschulen, Vereine, …) sind bei einer Abdeckungsquote von 100 Prozent passgenau zugeordnet und werden fortlaufend aktualisiert, wobei die Erfassung der Branche auf Basis der amtlichen Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 (Statistisches Bundesamt, 2010) erfolgt. Da Patentanmeldungen einer Offenlegungsfrist unterliegen, bildet 2019 das zum Auswertungszeitpunkt aktuelle Jahr.

Abgrenzung des Industriesektors

Dem Industriesektor zugerechnet werden im Folgenden die Wirtschaftsgruppen 05.1 bis 39.0, also sämtliche Wirtschaftsgruppen aus den Abschnitten B bis E (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Verarbeitendes Gewerbe, Energieversorgung, Wasserversorgung; Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen). Ergänzend beinhaltet die IW-Patentdatenbank eine Verbundvariable für solche Dienstleistungsunternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit exklusiv im Verbund mit Industrieunternehmen und oft sogar in ein und derselben Konzernstruktur mit diesen ausüben. Als quantitativ besonders relevantes Beispiel diene die Schaeffler Technologies AG & Co. KG mit ihren im Jahr 2019 rund 1.730 Patentanmeldungen, die in sämtlichen marktüblichen Unternehmensdatenbanken in der Wirtschaftsgruppe 71.1 (Architektur- und Ingenieurbüros) und folglich dem Dienstleistungssektor zugehörig geführt wird. Als Tochtergesellschaft des Schaeffler-Konzerns, der in der Branchenperspektive ein Zulieferer der Automobil- und Maschinenbauindustrie ist, stehen ihre Leistungen jedoch in unmittelbarem Bezug zu der Patententwicklung des Gesamtkonzerns. Folglich sollte die Schaeffler Technologies AG & Co. KG – wie auch vergleichbare Unternehmen – zumindest über den Verbund dem Industriesektor zugerechnet werden.

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Gemessen an allen 2019er-Patentanmeldungen aus Deutschland stammen 86,3 Prozent von Industrieunternehmen (Abbildung). Im Vergleich dazu liegt der Industrieanteil unter allen Erwerbstätigen im Referenzjahr bei 20,4 Prozent, was die Bedeutung der Industrie für das Innovationsgeschehen in Deutschland sowohl absolut als auch relativ hervorhebt. Je nach Bundesland sind jedoch deutliche Unterschiede zu erkennen.

Besonders ausgeprägt in ihrer industriellen Patentaktivität erweisen sich die Flächenländer Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern. Ein Grund dafür liegt in der Innovationskraft der Kraftfahrzeugindustrie, welche die patentstärkste Einzelbranche in Deutschland repräsentiert (Kohlisch et al., 2021) und in den drei genannten Bundesländern besonders prominent vertreten ist. Aber auch in vielen anderen Bundesländern ist das Aggregat der Industriepatentanmeldungen maßgeblich auf bestimmte Industriezweige zurückzuführen. So verzeichnet Rheinland-Pfalz den Großteil seiner Anmeldungen in der chemischen Industrie aus dem Raum Ludwigshafen. Thüringen weist in der industriellen Binnenstruktur einen starken Fokus auf Optoelektronik-Patente aus dem Raum Jena auf.

Unter den Stadtstaaten nimmt Hamburg eine exponierte Stellung in puncto Industriepatente ein, was auf zahlreiche innovationsstarke Unternehmen aus den Bereichen Flugzeug- und Maschinenbau zurückzuführen ist. Das patentstärkste Berliner Unternehmen ist die dem Industriesektor zugerechnete, jedoch im Staatsbesitz befindliche Bundesdruckerei.

Die ostdeutschen Bundesländer sind im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt deutlich weniger industriell geprägt. So kann beispielsweise Sachsen-Anhalt lediglich 45 Prozent seiner Patentanmeldungen dem Industriesektor zuschreiben. Allein Thüringen hebt sich durch die bereits erwähnten Innovationen im Bereich der optoelektronischen Industrie ab und unterstreicht die besondere Bedeutung eines starken industriellen Clusters für den Wohlstand einer Region.

In der obigen Analyse wird der Industrieanteil inklusive der industrienahen Dienstleistungsunternehmen und gemessen an allen Patentanmeldungen juristischer und natürlicher Personen aus Deutschland ermittelt. In einer ersten Berechnungsvariante, welche bei unveränderter Grundgesamtheit die industrienahen Dienstleistungsunternehmen nicht dem Industriesektor zurechnet, resultiert ein Industrieanteil in Höhe von 78,4 Prozent, was als strikte Untergrenze interpretiert werden kann. Bei ansonsten unveränderten Rahmenbedingungen steigt der Industrieanteil an den gesamtwirtschaftlichen Patentanmeldungen folglich um rund 8 Prozentpunkte, wenn der industrienahe Dienstleistungsverbund berücksichtigt wird. Die grundsätzliche Tendenz bezüglich Herkunft der Patentanmeldungen wird dadurch jedoch nicht maßgeblich beeinflusst. Den größten Zugewinn durch die Berücksichtigung des Industrieverbunds verzeichnet Bayern. Streng nach originärem Branchencode ermittelt stammen bayerische Patentanmeldungen nur zu knapp 70 Prozent aus der Industrie. Erst durch Berücksichtigung des Industrieverbunds (wie im Fall des obigen Schaeffler-Beispiels) steigt dieser Anteil auf 85 Prozent, womit Bayern insgesamt leicht unter dem Durchschnitt liegt.

In einer zweiten Berechnungsvariante, welche die industrienahen Dienstleistungsunternehmen dem Industriesektor zurechnet, aus der Grundgesamtheit jedoch Patentanmeldungen natürlicher Personen („freier Erfindender“) eliminiert, liegt der Industrieanteil bei 92,0 Prozent. Die restlichen 8 Prozent entfallen auf Nicht-Industrieunternehmen und sonstige juristische Personen (Hochschulen, Vereine, gemeinnützige Stiftungen, etc.). Das Ergebnis dieser zweiten Berechnungsvariante kann als Obergrenze des Industrieanteils interpretiert werden und unterstreicht die binnenstrukturelle Bedeutung der Industrie in einer Patentanalyse unter juristischen Personen.

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