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Jan Büchel / Enno Kohlisch / Armin Mertens IW-Kurzbericht Nr. 90 28. Oktober 2022 Süddeutsche Cluster und Automobilstandorte prägen KI-Patentintensität

Die KI-Forschungslandschaft der Unternehmen in Deutschland ist geografisch stark konzentriert: 56 Prozent aller KI-Patentanmeldungen im Jahr 2019 von Erfindern aus Deutschland entfallen auf lediglich 10 von 401 Kreisen. Dabei dominieren Kreise mit starken Verbindungen zur Automobilindustrie. In mehr als der Hälfte der Kreise entstehen dagegen überhaupt keine KI-Patentanmeldungen.

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Süddeutsche Cluster und Automobilstandorte prägen KI-Patentintensität
Jan Büchel / Enno Kohlisch / Armin Mertens IW-Kurzbericht Nr. 90 28. Oktober 2022

Süddeutsche Cluster und Automobilstandorte prägen KI-Patentintensität

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die KI-Forschungslandschaft der Unternehmen in Deutschland ist geografisch stark konzentriert: 56 Prozent aller KI-Patentanmeldungen im Jahr 2019 von Erfindern aus Deutschland entfallen auf lediglich 10 von 401 Kreisen. Dabei dominieren Kreise mit starken Verbindungen zur Automobilindustrie. In mehr als der Hälfte der Kreise entstehen dagegen überhaupt keine KI-Patentanmeldungen.

Künstliche Intelligenz (KI) ist eine Zukunftstechnologie, deren Potenziale immer mehr Unternehmen in Deutschland wahrnehmen. Sie setzen KI immer häufiger in Produktionsprozessen, in entwickelten Produkten und Dienstleistungen oder im Unternehmensalltag ein (Demary et al., 2022). Auch die Politik beschäftigt sich mit der Ausgestaltung eines Rechtsrahmens zu KI, vor allem in Form des AI Acts der EU. Dabei findet Forschung zu KI nicht nur in Hochschulen und Forschungseinrichtungen statt, sondern auch in Unternehmen. Zwar ist KI in Europa nicht selbst patentierbar, aber Unternehmen melden Patente für entwickelte KI-Anwendungen an, wenn diese beispielweise technische Komponenten steuern oder miteinschließen. Im Jahr 2019 wurde der Großteil der KI-Patente in Deutschland von Unternehmen angemeldet. Aus diesem Grund wird im Folgenden die räumliche Verteilung der KI-Patentanmeldungen in Deutschland analysiert, um Hinweise auf regionale Besonderheiten der KI-Forschungsaktivitäten der Unternehmen aufdecken zu können.

Identifikation von KI-Patentanmeldungen

Um ein Lagebild der KI-Patentaktivität in Deutschland und insbesondere der räumlichen Verteilung der Anmeldeorte zu erhalten, wird eine Auswertung aus der IW-Patentdatenbank mit dem Stand März 2022 verwendet. Da Patentanmeldungen einer 18-monatigen Offenlegungsfrist unterliegen, bilden Patentanmeldungen mit dem Anmeldejahr 2019 den zum Auswertungszeitpunkt aktuellen Datenstand. In der IW-Patentdatenbank sind alle Patentanmeldungen des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA), des Europäischen Patentamts (EPA) sowie der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) erfasst, die seit dem Jahr 1994 Schutzwirkung für Deutschland oder darüber hinaus anstreben oder angestrebt haben. Dieser Ansatz ermöglicht unter Berücksichtigung von Patentfamilien die Gesamtheit der Patentaktivität in Deutschland zu erfassen.

Aus der Grundgesamtheit an Patentanmeldungen wurden im KI-Monitor 2022 (Demary et al., 2022) 823 KI-Patentanmeldungen identifiziert. Hierbei wurde ein zweistufiger Mechanismus entwickelt, der im ersten Schritt potenzielle KI-Patentanmeldungen anhand von IPC-Klassen identifiziert und diese Patentanmeldungen in einem zweiten Schritt mittels deren Beschreibungen per Algorithmus als Patentanmeldungen mit KI-Bezug verifiziert.

Die KI-Patentanmeldungen werden nach dem Sitz der Erfinder den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten regional zugeordnet und in Relation zu den Beschäftigten der Kreise gesetzt. Somit kann die KI-Patentaktivität einzelner Kreise unverzerrt miteinander verglichen werden. Neben dem Erfindersitz können die Patentanmeldungen auch dem Anmeldersitz zugeordnet werden. Davon wird jedoch abgesehen, da es gerade bei Großunternehmen mit mehreren Standorten zum sogenannten „Headquarter“-Effekt kommen kann: Patent¬anmeldungen werden vom Hauptsitz aus angemeldet, auch wenn sie an anderen Standorten entwickelt wurden. Auch die Verwendung des Erfindersitzes kann Verzerrungen enthalten, jedoch auf geringerem Niveau: Pendeln kann dazu führen, dass Patentanmeldungen nicht zwangsläufig am Arbeitsort eines Erfinders gemessen werden, sondern möglicherweise am Wohnort. Diese Verzerrung ist jedoch lokal sehr nah an dem Ort verortet, an dem eine Patentanmeldung tatsächlich entstanden ist. Eine Analyse von Clustern benachbarter Kreise beinhaltet somit zweifelsfrei den tatsächlichen Entstehungsort einer KI-Patentanmeldung. Somit kann identifiziert werden, wo in Deutschland an Patentanmeldungen mit KI-Bezug gearbeitet wurde (Abbildung).

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Regionale Cluster in Süddeutschland

KI-Patente wurden im Jahr 2019 vor allem in Clusterregionen um die Standorte großer deutscher Unternehmen aus den Bereichen Fahrzeugbau, Automobilzulieferer, Elektrotechnik und sonstigen Technologiebereichen angemeldet. Dazu zählen die Kreise um Karlsruhe und Stuttgart, Wolfsburg, München, Ingolstadt und den Bodensee: Mit 6,3 KI-Patenten pro 10.000 Beschäftigte ist die Patentintensität am Bodenseekreis am höchsten, gefolgt von Kronach (6,0). Ausschlaggebend sind ansässige Unternehmen aus dem Automobilzuliefererbereich, die sich vorwiegend mit Antriebs- und Fahrwerktechnik sowie Sensorik und Fahrassistenz beschäftigen.

Darauf folgen Böblingen (4,1), Wolfenbüttel und Ludwigsburg (jeweils 2,6), Stuttgart (1,7) sowie Eichstätt (1,6). Eine bedeutende Rolle für die KI-Forschung der Unternehmen nimmt dabei das Cluster um Stuttgart und die Kreise Böblingen, Ludwigsburg, Calw sowie Karlsruhe und dem umliegenden Kreis Heilbronn ein, wo 29 Prozent aller KI-Patentanmeldungen in Deutschland im Jahr 2019 entstanden. Sie wurden im Wesentlichen von den ansässigen großen Unternehmen aus dem Fahrzeugbau und Zuliefererbereich angemeldet. Die Fahrzeugbaubranche ist generell sehr forschungsaktiv (Büchel/Engels, 2022). Gerade das Zukunftsthema Autonomes Fahren scheint die hohe KI-Patentaktivität auszulösen.

Generell sind die KI-Patentanmeldungen in Deutschland sehr konzentriert: Auf die zehn Kreise und kreisfreien Städte mit den meisten KI-Patenten entfallen 56 Prozent aller KI-Patentanmeldungen. In 227 der 401 Kreise wurden in Deutschland zum Zeitpunkt 2019 keine KI-Patente angemeldet.

Mit Ausnahme der Region um Wolfsburg wurde der Großteil der KI-Patente in Clusterregionen in Süddeutschland angemeldet. Unter den Bundesländern liegt Baden-Württemberg mit durchschnittlich 0,8 KI-Patenten pro 10.000 Beschäftigten und Bayern mit 0,4 an der Spitze. Zum Vergleich: Der deutschlandweite Durchschnitt liegt bei 0,2. Auf die östlichen Bundesländer (Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt) sowie die nördlichen Bundesländer (Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen und Hamburg) entfallen absolut betrachtet nur etwa 13 Prozent aller KI-Patentanmeldungen aus 2019 in Deutschland, ohne Niedersachsen sind es nur 5 Prozent.

Fazit

Die regionale Analyse verdeutlicht, dass gerade die Standorte der Fahrzeugbauer und Zulieferer die treibende Kraft der KI-Patentanmeldungen sind. Allerdings erfasst die vorliegende Studie nur die KI-Forschungsaktivitäten der Unternehmen, die sich auch tatsächlich patentieren lassen. Dabei ist zu beachten, dass die Patentierbarkeit für Verfahren oder Produkte in Deutschland eine notwendige Technizität voraussetzt (DPMA, 2019). Ist diese nicht gegeben, kann kein Patentschutz erwirkt werden. Unternehmen, die beispielsweise KI-Software entwickeln, werden demnach in der Statistik der KI-Patentanmeldungen nicht aufgelistet. Das kann ein Erklärungsfaktor sein, warum Standorte wie Frankfurt am Main oder Berlin, deren Branchenmix beispielsweise durch einen hohen Anteil an (Finanz-)Dienstleistern oder KI-Start-ups (Rammer, 2022) geprägt ist, unter den Standorten der KI-Patentcluster nicht auftauchen. Generell sind hohe Forschungsaktivitäten der Unternehmen zu KI wichtig, um die Potenziale von KI vollumfänglich ausnutzen zu können und Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten realisieren zu können.

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