Unter Tarifbindung wird häufig einseitig allein die Mitgliedschaft des Betriebs in einem Arbeitgeberverband verstanden. Nach dem Tarifvertragsgesetz setzt Tarifbindung eine gleichzeitige Mitgliedschaft auf der Arbeitgeberseite und der Arbeitnehmerseite – und damit auch die Mitgliedschaft des Beschäftigten in einer Gewerkschaft – voraus.
Die statistische Erfassung von Tarifbindung und Tarifgeltung
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Unter Tarifbindung wird häufig einseitig allein die Mitgliedschaft des Betriebs in einem Arbeitgeberverband verstanden. Nach dem Tarifvertragsgesetz setzt Tarifbindung eine gleichzeitige Mitgliedschaft auf der Arbeitgeberseite und der Arbeitnehmerseite – und damit auch die Mitgliedschaft des Beschäftigten in einer Gewerkschaft – voraus.
Diese „originäre Tarifbindung“ ist die kraft beiderseitiger Mitgliedschaft im Sinne von § 3 Absatz 1 und § 4 Absatz 1 Satz 1 Tarifvertragsgesetz erzeugte Tarifgeltung. Zwar werden in einem tarifgebundenen Betrieb die Regelungen eines Tarifvertrags in den allermeisten Fällen auch auf Nicht-Gewerkschaftsmitglieder angewandt. Dennoch gibt es Ausnahmen beispielsweise bei außertariflich entlohnten Mitarbeitern, wie etwa Führungskräften. Tarifbindung ist überdies nicht Tarifbindung. Durch Öffnungsklauseln in Flächentarifverträgen werden Abweichungen ermöglicht. In Ergänzungstarifverträgen werden die Branchenregelungen noch weiter individualisiert, sodass auch in tarifgebundenen Betrieben unterschiedliche Arbeitsbedingungen entstehen. Darüber hinaus schließen viele Unternehmen Haustarifverträge, die sich teilweise eng an Regelungen des Flächentarifvertrags anlehnen, mitunter aber auch deutlich davon abweichen. Schließlich kann auch eine informelle Tarifbindung durch eine Orientierung an einem Flächentarifvertrag entstehen. Das Thema Tarifbindung ist daher sehr komplex und facettenreich. Diese Vielfalt wird durch die bisherige Statistik nicht ausreichend abgebildet.
Die drei wichtigsten Statistiken zur Erhebung der Tarifbindung sind das IAB-Betriebspanel, die Verdienststrukturerhebung (VSE) des Statistischen Bundesamtes, die 2022 durch eine neue Verdiensterhebung (VE) abgelöst wurde, und das Sozio-ökonomische Panel (SOEP). Alle erfassen die Tarifbindung nur unzureichend. Das IAB-Betriebspanel erhebt ausschließlich die Tarifbindung der Unternehmen. Eine Orientierung am Tarifvertrag wird als eigener Tarifbindungsstatus erfasst. Der Begriff „Orientierung“ bleibt jedoch eher unkonkret. Auch die VSE und die VE befragen ausschließlich die Betriebe nach ihrer Tarifbindung. Auch hier fehlt eine direkte Erfassung der Tarifbindung von Arbeitnehmern und die Erfassung der Gewerkschaftsmitgliedschaft. Das SOEP ist die einzige Erhebung, welche die Arbeitnehmer sowohl nach ihrem Tarifbindungsstatus als auch nach einer Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft befragt. Daher lässt sich aus den SOEP-Daten die originäre Tarifbindung, also die Tarifbindung Kraft gleichzeitiger Bindung auf Arbeitgeber- und Arbeitgeberseite, berechnen. Sie betrug 2019 lediglich 12,4 Prozent. Die Differenzierung des Tarifbindungsstatus (Tarif- oder Haustarifvertrag) wurde im SOEP im Jahr 2018 aufgegeben. Dringlicher Klärungsbedarf besteht in Bezug auf die großen Unterschiede in den Ergebnissen der Erhebungen. So schwankte der Anteil der Beschäftigten ohne Tarifbindung und ohne Tariforientierung im Jahr 2018 zwischen 23 Prozent (IAB-Betriebspanel) und 54 Prozent (VSE).
Hieraus ergeben sich Vorschläge zur Verbesserung der Datenlage: Die Tarifbindung kraft gesetzlicher Anordnung könnte künftig sowohl im IAB-Betriebspanel als auch in der VE eigens abgefragt werden. Außerdem sollte der Tarifbindungsstatus der einzelnen Mitarbeiter in der VE nicht alle fünf Jahre, sondern alle zwei Jahre abgefragt werden. Im SOEP sollte wieder nach Haus- und Branchentarifbindung differenziert werden. Zudem sollte die Frage nach der Gewerkschaftsmitgliedschaft mit der Frage nach dem Tarifbindungsstatusverknüpft werden, um regelmäßig Angaben zur originären Tarifbindung berechnen zu können. Weiteren Erkenntnisgewinn würde eine Befragung bringen, die bei Beschäftigten und Betrieben durchgeführt wird. Dabei müsste deutlich werden, dass Betriebe, die formal an einen gemeinsamen Flächentarifvertrag gebunden sind, Arbeitsbedingungen und Bezahlung durchaus unterschiedlich regeln und umgekehrt Tarifverträge auch auf nicht gebundene Betriebe ausstrahlen. Auf diese Weise ließe sich die politische Debatte um die Stärkung der Tarifbindung aus ihrer verengten Perspektive herausführen.
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