Die Kaufkraft der Lohnminute hat sich gegenüber 1960 mehr als verdreifacht. Dies bedeutet, dass ein Warenkorb, für den man damals noch eine Stunde arbeiten musste, heute bereits in 19 Minuten verdient ist. Ein wichtiger Treiber dieses Kaufkraftgewinns ist der technische Fortschritt, der besonders bei elektronischen Geräten zu einem starken Preisverfall führt.
Kaufkraft: Mit einer Stunde Arbeit deutlich mehr im Einkaufskorb als früher
IW-Kurzbericht
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Die Kaufkraft der Lohnminute hat sich gegenüber 1960 mehr als verdreifacht. Dies bedeutet, dass ein Warenkorb, für den man damals noch eine Stunde arbeiten musste, heute bereits in 19 Minuten verdient ist. Ein wichtiger Treiber dieses Kaufkraftgewinns ist der technische Fortschritt, der besonders bei elektronischen Geräten zu einem starken Preisverfall führt.
Das früher alles besser war, ist eine sehr nostalgisch geprägte Sichtweise, die zumindest nicht in allen Bereichen einer Überprüfung standhält. Besonders augenfällig ist dies bei der Entwicklung der Kaufkraft. Denn heute kann man sich von dem Nettolohn einer Stunde Arbeit deutlich mehr leisten als früher. Zwar sind heute die Preise für die Lebenshaltung im Durchschnitt 4,3-mal so hoch wie 1960. Gleichzeitig sind aber die Nettoverdienste je geleisteter Stunde auf den 14-fachen Wert von 1960 gestiegen. Die Kaufkraft hat sich somit verdreifacht. Oder anders ausgedrückt: Der Warenkorb, für den man 1960 noch eine Stunde arbeiten musste, ist heute bereits nach 19 Minuten verdient.
Diese recht abstrakte Rechnung lässt jedoch außer Acht, dass sich die Preise für einzelne Produkte oder Warengruppen höchst unterschiedlich entwickelt haben. Besonders stark ist die Kaufkraft dort gestiegen, wo der technische Fortschritt einen großen Einfluss hat. Dies zeigt sich am Beispiel Fernseher: Musste man 1960 für einen einfachen Schwarz-Weiß-Fernseher noch mehr als 339 Stunden arbeiten, bekommt man heute für den Einsatz von gut 24 Nettostundenverdiensten einen Smart-TV mit hochauflösendem 40-Zoll-Bildschirm. Der Preis für den Flachbildfernseher liegt heute mit knapp 440 Euro etwa so hoch wie damals für das Röhrengerät.
Gerade bei den persönlichen Dienstleistungen ist die Produktivität dagegen kaum gestiegen. Da dort aber die Verdienste ebenfalls gestiegen sind, hat sich die Kaufkraft kaum erhöht oder ist im Einzelfall sogar gesunken. So muss für ein Zeitungsabo heute länger gearbeitet werden als 1960. Hier spielt nicht nur eine Rolle, dass die Journalisten ihre Denkgeschwindigkeit nicht beliebig steigern können, sondern auch der Druck im Anzeigengeschäft wirkt sich aus. Anders als früher gibt es die Fotos dafür heute in Farbe. Für einen Herren-Haarschnitt in einem einfachen Friseurgeschäft musste 1960 noch 42 Minuten gearbeitet werden. Heute ist es mit 1:16 Stunden sogar gut eine halbe Stunde mehr. Allerdings gilt die Einschränkung „einfaches Friseurgeschäft“ nicht mehr und die Haare werden vor dem Schneiden auch gewaschen. Der Wohlstandszuwachs zeigt sich auch in solchen Details.
Dies dürfte auch ein wichtiger Grund dafür sein, dass die persönliche Wahrnehmung der Preisentwicklung oft anders ausfällt. Denn das Statistische Bundesamt versucht Qualitätsänderungen der (technischen) Produkte möglichst herauszurechnen. So kommt es, dass die Preise für Telefone und ähnliches heute nur noch ein Neuntel des Werts von 1995 betragen. Die Telefon-Kaufkraft ist damit annähernd 14-mal so hoch wie Mitte der 1990er Jahre. Wer jedoch alle zwei Jahre das Topmodell seiner Lieblingsmarke erwirbt, dürfte hiervon wenig mitbekommen, denn die Preissenkung wird durch den gestiegenen Funktionsumfang und die bessere Qualität weitgehend aufgezehrt.
Wie sich die Preise entwickeln, hängt noch von vielen weiteren Faktoren, wie beispielsweise der internationalen Arbeitsteilung ab. Bekleidung wird heute meist zu niedrigen Arbeitskosten im fernen Ausland produziert. Ein hochwertiges Herrenhemd ist daher heute bereits in gut zwei Stunden verdient – 1960 waren es dagegen noch fast 8 Stunden.
Bei den Nahrungsmitteln spielen die Industrialisierung der Landwirtschaft, die weltweite Nachfrage nach Lebensmitteln, die Ernten im In- und Ausland und andere Umweltfaktoren, wie beispielsweise die Überfischung der Meere eine Rolle. Folge: Für den Kabeljau muss man heute sogar länger arbeiten als 1960, während sich die Arbeitszeit für einen Pfund Kaffee von 3:30 Stunden auf 20 Minuten reduziert hat.
1960 ist eine Zeit, an die sich viele nicht aus eigener Erfahrung erinnern können. Aber auch seit der deutschen Einheit hat sich die Kaufkraft noch merklich erhöht (Grafik): Um die gleiche Menge an Gütern wie 1991 zu kaufen, müsste man heute ein Sechstel weniger arbeiten. Dabei zeigen sich die langfristigen Muster auch in der Zeit nach 1991 mit besonders hohen Spareffekten bei technischen Geräten und einer verringerten Kaufkraft bei Verkehrsdienstleistungen.
Christoph Schröder: Kaufkraft: Mit einer Stunde Arbeit deutlich mehr im Einkaufskorb als früher
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