Die Bundesrepublik steuert auf den zweiten Winter unter Coronabedingungen zu. Das ansteigende Infektionsgeschehen und verhängte Einschränkungen dürfte dem E-Commerce erneut Auftrieb verleihen. Anhand aktueller Zahlen lassen sich die Bedeutung des Onlinehandels sowie die zusätzlichen Onlineumsätze durch die Pandemie quantifizieren.
Die Effekte der Corona-Pandemie auf den Onlinehandel in Deutschland
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Die Bundesrepublik steuert auf den zweiten Winter unter Coronabedingungen zu. Das ansteigende Infektionsgeschehen und verhängte Einschränkungen dürfte dem E-Commerce erneut Auftrieb verleihen. Anhand aktueller Zahlen lassen sich die Bedeutung des Onlinehandels sowie die zusätzlichen Onlineumsätze durch die Pandemie quantifizieren.
Die Corona-Pandemie hat unter anderem erhebliche Auswirkungen auf den gesamten Einzelhandel. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive war bereits früh klar, dass der Trend zum Onlinehandel (Engels/Rusche, 2020) sowie die Position marktmächtiger Plattformunternehmen (Demary, 2020) gestärkt werden.
Dabei ist der Onlinehandel bereits vor Corona stärker gewachsen als der gesamte Einzelhandel, wodurch seine Bedeutung insgesamt gestiegen ist (Engels/Rusche, 2019). Der anstehende Black Friday am 26.11.2021, der vor allem über den Onlinehandel den Weg nach Deutschland gefunden hat, wird vor diesem Hintergrund zum Anlass genommen, um die Bedeutung des Onlinehandels für den Einzelhandel sowie die Auswirkungen der Corona-Pandemie zu evaluieren und an Zahlen zu veranschaulichen.
Bedeutung des gesamten Einzelhandels
Als Ausgangsquelle dienen dazu Statistiken des Statistischen Bundesamts. Dieses stellt über die Jahresstatistik Daten für den Umsatz in Euro sowie den Anteil des E-Commerce auch für den Einzelhandel (WZ08-47) bis einschließlich 2019 zur Verfügung (Statistisches Bundesamt, 2021a). Über die Monatsstatistik (Statistisches Bundesamt, 2021b; 2021c) stehen für den Einzelhandel zusätzlich Daten zum Umsatz und zur Umsatzentwicklung bis einschließlich September 2021 im Vergleich zum Basisjahr 2015 zur Verfügung. Mit Hilfe der Angaben der Monatsstatistik können die Angaben der Jahresstatistik nun bis zum September 2021 fortgeschrieben werden. Die Wachstumsraten der Monatsstatistik erlauben dabei ohne weitere Annahmen die Fortschreibung des Gesamtumsatzes im Einzelhandel. Exklusive Umsatzsteuer wurde 2019 ein Gesamtumsatz im Einzelhandel von 595,4 Milliarden Euro verzeichnet (Statistisches Bundesamt, 2021a). Wird das Wachstum von rund 5,7 Prozent im Jahr 2020 gemäß Monatsstatistik herangezogen (Statistisches Bundesamt, 2021b), dürfte der Gesamtumsatz 2020 rund 629,4 Milliarden Euro betragen haben. Anhand der Monatswerte der Monatsstatistik (Statistisches Bundesamt, 2021c) kann mittels der ersten neun Monate der Jahre 2020 und 2021 auch die Wachstumsrate für 2021 approximiert werden. Konkret legten die Umsätze von Januar bis September 2021 um rund drei Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu. Setzt sich diese Entwicklung für das ganze Jahr fort, kann für das ganze Jahr 2021 von einem Gesamtumsatz von rund 648,2 Milliarden Euro im Einzelhandel ausgegangen werden.
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Rolle des E-Commerce
Der Anteil des E-Commerce am gesamten Umsatz im Einzelhandel für die Jahre 2020 und 2021 kann mit dieser Methode jedoch nicht so ohne weiteres fortgeschrieben werden. Hilfsweise wird dazu die Kategorie „Versand- und Internet-Einzelhandel“ (WZ08-4791; im Folgenden Versand- und Internet-Einzelhandel) der Statistik des Statistischen Bundesamts herangezogen. Zu dieser Kategorie zählen vor allem reine Versand- und Onlinehändler. Da der E-Commerce mit einem Umsatzanteil von rund 86 Prozent prägend für den Versand- und Internet-Einzelhandel (Statistisches Bundesamt, 2021a) ist, wird die Entwicklung in diesem Teilbereich der Statistik auch zur Abschätzung des Onlineumsatzes des gesamten Einzelhandels herangezogen. Damit ist die Annahme verbunden, dass die Veränderung der Umsätze reiner Onlinehändler auch approximativ die Veränderung der Verkäufe von stationären Händlern beschreibt. Diese Annahme erscheint gerechtfertigt, da erzwungene Geschäftsschließungen im Rahmen der Virusbekämpfung verstärkt auch stationäre Händler zur Nutzung des Internets gebracht haben (HDE, 2020). Denn die erzwungene Nutzung von Onlinekanälen hat zur Ausnutzung von Umsatzpotenzialen und entsprechend zu erhöhten Wachstumsraten beim Onlineumsatz dieser Händler geführt.
Gemäß den Angaben des Statistischen Bundesamts (2021b; 2021c) können somit Wachstumsraten für den gesamten E-Commerce von 25,5 Prozent im Jahr 2020 und von 19,2 anhand der ersten neun Monate 2021 geschätzt werden. Im Jahr 2019 wurde über das Internet ein Umsatz – ohne Umsatzsteuer – von rund 79,2 Milliarden Euro verzeichnet (Statistisches Bundesamt, 2021). Die Wachstumsraten legen für 2020 einen Umsatz von rund 99,4 und für 2021 von rund 118,5 Milliarden Euro nahe (Abbildung).
Da die Wachstumsraten im Onlinehandel in den vergangenen Jahren über denen des gesamten Einzelhandels lagen, ist auch der Anteil des E-Commerce am gesamten Einzelhandelsumsatz gestiegen. Während der Anteil im Jahr 2015 lediglich 9,1 Prozent betrug, ist der Anteil nahezu linear bis auf 13,3 Prozent im Jahr 2019 gestiegen. In den Jahren 2020 und 2021 ist dieser Anteil nochmals sprunghaft angestiegen. Schätzungsweise beträgt der Anteil 2020 bereits nahezu 16 Prozent und 2021 mehr als 18 Prozent. Dies bedeutet, dass mittlerweile nahezu jeder fünfte Euro im Einzelhandel über das Internet ausgegeben wird.
Corona-Effekt
Anhand der Zahlen können ebenfalls die Auswirkungen der Corona-Pandemie quantifiziert werden. Dazu muss jedoch zunächst festgestellt werden, dass im Jahr 2015 im Versand- und Internet-Einzelhandel mit 29,5 Prozent (Statistisches Bundesamt, 2021b) bereits annähernd eine so große Wachstumsrate im Vergleich zum Vorjahr wie in den Jahren 2020 und 2021 verzeichnet werden konnte. Dies ist auf einen statistischen Effekt zurückzuführen: Nach der Eröffnung einer Niederlassung in Deutschland eines großen Onlinehändlers in 2015 wurden dessen inländische Umsätze in der Bundesrepublik erstmals mit in die Statistik aufgenommen (ebenda). Wird jedoch von diesem Effekt abgesehen, waren die Wachstumsraten im Zeitraum 2015 bis 2019 relativ konstant, was auch am linearen Trend in der Abbildung deutlich wird. Im Durchschnitt wuchs der Versand- und Internet-Einzelhandel von 2016 bis 2019 pro Jahr um rund 9,5 Prozent. Hätte sich diese Entwicklung – ohne die Pandemie – auch in 2020 und 2021 fortgesetzt, hätten die Umsätze lediglich bei 86,7 beziehungsweise 94,9 Milliarden Euro gelegen. Somit kann überschlagsmäßig angenommen werden, dass die Pandemie zu einem Mehrumsatz über das Internet von rund 12,7 Milliarden Euro in 2020 und 23,6 Milliarden in 2021 geführt hat.
Fazit
Die Corona-Pandemie hat den Trend zum E-Commerce nochmals stark beschleunigt. Dadurch hat der Onlinehandel mittlerweile einen erheblichen Anteil am gesamten Einzelhandelsumsatz. In den Zahlen spiegeln sich die aktuellen Entwicklungen des Jahresendes 2021, wie erhöhte Infektionswerte und die Verhängung von Lockdown-Maßnahmen, noch nicht wider. Somit dürfte die Entwicklung zum Onlinehandel sogar noch unterschätzt werden. Diese Entwicklung ist dabei nur zu einem Teil umkehrbar. Denn sobald die Konsumenten ein Konto bei einem Onlinehändler eröffnet haben und mit den Abläufen vertraut sind – z. B. wurden die App installiert und erste Käufe getätigt – dürfte auch die Nutzung in Zukunft tendenziell zunehmen.
Von der positiven Entwicklung im Onlinehandel profitieren jedoch vor allem die Händler, die auch online für die Kunden erreichbar sind. Das Internet ist somit für den stationären Handel ein Konkurrent, der jedoch auch Möglichkeiten für die Händler bietet. Dennoch wird sich nicht jeder Händler derart digitalisieren oder im Erfolgsfall wird sogar das stationäre Geschäft zugunsten des Internets aufgegeben. Dadurch leidet tendenziell die Innenstadt, die aufgrund geringerer Auswahl und Leerstand unattraktiver wird, wodurch der Onlinehandel zusätzlich profitieren kann. Es handelt sich somit um einen Strukturwandel im Einzelhandel. Diesen umzukehren oder aufzuhalten, dürfte kaum möglich sein. Dennoch bietet dieser auch Chancen für den gesamten Einzelhandel und die Innenstädte, wenn er entsprechend gestaltet wird.
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