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Barbara Engels / Christian Rusche IW-Kurzbericht Nr. 29 24. März 2020 Corona: Schub für den Onlinehandel

Vorübergehende Engpässe im Supermarkt und die Maßgabe, soziale Kontakte zu reduzieren und zu Hause zu bleiben, führen derzeit dazu, dass viele Deutsche anderes einkaufen als sonst. Für den Onlinehandel bietet sich in der Corona-Krise die Gelegenheit, neue Kunden zu gewinnen und Waren zu verkaufen, in denen der Offlinehandel bisher dominant ist.

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Schub für den Onlinehandel
Barbara Engels / Christian Rusche IW-Kurzbericht Nr. 29 24. März 2020

Corona: Schub für den Onlinehandel

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Vorübergehende Engpässe im Supermarkt und die Maßgabe, soziale Kontakte zu reduzieren und zu Hause zu bleiben, führen derzeit dazu, dass viele Deutsche anderes einkaufen als sonst. Für den Onlinehandel bietet sich in der Corona-Krise die Gelegenheit, neue Kunden zu gewinnen und Waren zu verkaufen, in denen der Offlinehandel bisher dominant ist.

Prognosen des Handelsverbands Deutschland (HDE) aus dem Januar 2020 gingen für 2020 von einem Gesamtumsatz im Einzelhandel von rund 557 Milliarden Euro aus (HDE, 2020). Der Onlinehandel sollte rund 63 Milliarden Euro, gut 11 Prozent, dazu beitragen. Die Corona-Krise führt nun dazu, dass diese Prognosen vermutlich nach oben korrigiert werden müssen. Zwar ist der Anteil des Onlinehandelsumsatzes in den vergangenen Jahren bereits konstant gestiegen (Engels/Rusche, 2019). Für 2020 dürfte nun ein deutlicherer Schub zu erwarten sein – vorausgesetzt, die Onlinehändler verfügen über ausreichend personelle Ressourcen und logistische Strukturen, um die stark gestiegene Nachfrage zu bedienen.

Die Nachfrage im Online- und Offlinehandel war bislang durch starke strukturelle Unterschiede geprägt. Im Offlinehandel trugen sogenannte FMCG (Fast Moving Consumer Goods), also schnelllebige Verbrauchsgüter wie Drogerieartikel, Tiernahrung oder Lebensmittel, mit 42,5 Prozent mit Abstand den größten Teil zum Gesamtumsatz 2018 bei (HDE, 2019, 14). Im Onlinehandel dagegen machten FMCG 2018 lediglich einen Anteil von 8,4 Prozent aus. Am Gesamtmarkt der FMCG betrug der Onlineanteil nur 2,2 Prozent (HDE, 2019, 12). Dies war der geringste Wert für alle vom HDE untersuchten Warengruppen.

Die FMCG, allen voran Lebensmittel, wurden bislang lieber offline gekauft und waren verlässliche Umsatzlieferanten für den stationären Einzelhandel. In Zeiten des Coronavirus werden die Vorteile des Onlinehandels wie Bequemlichkeit und der flexible Zugang zu einer breiten Produktpalette von der heimischen Couch noch verstärkt. Die Schließungen von Bekleidungsgeschäften und anderen Orten des stationären Einzelhandels verlagern die Nachfrage möglicherweise ins Netz. Aber auch Lebensmittel werden zunehmend online gekauft – eine Möglichkeit für den Onlinehandel, sich auch in dieser Warengruppe einen Namen zu machen.

Dass Verbraucher zunehmend auch FMCG online kaufen, legt das innerhalb von wenigen Wochen stark gestiegene Suchinteresse auf Google an Begriffen wie „Nudeln“, „Desinfektionsmittel“, „Klopapier“ und „Konserven“ nahe. Die Funktionsweise und die Beschaffenheit der Güter, die mit diesen Begriffen verbunden sind, dürften den meisten Konsumenten bereits vertraut sein. Somit liegt die Vermutung nahe, dass sie diese Suchbegriffe eingegeben haben, um Einkaufsmöglichkeiten für entsprechende Güter zu finden. Die Werte in der Abbildung stammen von Google-Trends und sind für jeden Begriff so skaliert, dass der Tag mit den meisten Suchanfragen in den vergangenen 90 Tagen den Wert 100 erhält. Der erste Wert stammt vom 18. Dezember 2019 und der letzte vom 15. März 2020. Ein Wert von 50 beispielsweise besagt, dass an dem jeweiligen Tag nur halb so viele Suchanfragen wie im Maximum während des Vergleichszeitraums eingegangen sind.

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Mit den verwendeten Suchbegriffen sollen insbesondere Güter abgedeckt werden, die zu den FMCG zählen und laut Medien im Zusammenhang mit dem Coronavirus besonders nachgefragt wurden. Viele Konsumenten kaufen haltbare Lebensmittel ein, um nicht das Haus oder die Wohnung verlassen zu müssen. Zudem ist Hygiene ein wichtiger Beitrag, um das Ansteckungsrisiko zu verringern. Der veranschlagte Zeitraum von 90 Tagen dient dazu, die Zeit vor dem ersten Ausbruch in China im Januar 2020 mit den Entwicklungen am aktuellen Rand zu vergleichen.

Tatsächlich wurden die Begriffe Konserven, Klopapier und Desinfektionsmittel vor Januar 2020 kaum gesucht (Wert < 30). Erst innerhalb des vergangenen Monats stiegen die Suchanfragen rapide an. Klopapier verzeichnete am 14. März seinen Höhepunkt, während die anderen Begriffe bereits Ende Februar am stärksten gesucht wurden. Nudeln hingegen wurde relativ oft über den gesamten Zeitraum gesucht. Jedoch konnte auch analog zu Klopapier am 14. März die höchste Anzahl an Anfragen verzeichnet werden. Die Vermutung liegt also nahe, dass die Konsumenten die genannten Güter und andere Güter nicht nur gesucht, sondern auch verstärkt online gekauft haben.

Das birgt das Potenzial, dass Kunden FMCG auch in Zukunft vermehrt online kaufen. Ein Grund könnte darin bestehen, dass sie von dem Service und der Tatsache, die Güter nicht selbst transportieren zu müssen, überzeugt sind. Ein weiterer Grund könnte sein, dass eigentlich offline-affine Konsumenten aus Angst vor Ansteckung erstmals online einkaufen. Falls sie ein Konto bei einem Anbieter eröffnen und sich mit dem Sortiment vertraut machen, dürfte dadurch auch die Wahrscheinlichkeit für zukünftige Einkäufe steigen. Des Weiteren könnten Onlineeinkäufe von FMCG zunehmen, wenn diese in der Vergangenheit offline eingekauft wurden, weil ein Konsument beispielsweise auf dem Arbeitsweg an dem entsprechenden Geschäft vorbeikam. Mit Ladenschließungen und vermehrter Arbeit aus dem Homeoffice verringern sich somit auch diese Offlineeinkäufe.

Mit einer Verschärfung der Krise und weiteren Maßnahmen (z.B. Ausgangssperren) könnten diese Effekte verstärkt werden. Die Suchanfragen dürften jedoch tendenziell abnehmen, da Konsumenten einen bevorzugten Anbieter beziehungsweise die verfügbaren Anbieter für ihre Region identifiziert haben und in Zukunft direkt auf diese Shops zugreifen.

Insgesamt könnten der Virus und die ergriffenen Maßnahmen somit dazu führen, dass die Strukturen sich im Einzelhandel nachhaltig verschieben und der Onlinehandel nun auch in die wichtigste Warengruppe des Offlinehandels vordringt.

Generell setzt die Logistik dem Wachstum des Onlinehandels enge Grenzen (Engels/Rusche, 2019), da die bestellten Waren auch zum Kunden geliefert werden müssen. In der aktuellen Krise haben private Sendungen in der Tat auch zugenommen, jedoch sind gewerbliche Sendungen zurückgegangen, weshalb im Moment nicht zwingend mit Kapazitätsproblemen zu rechnen ist (ntv.de, 2020). Einer Umfrage des Händlerbunds unter 412 Online-Händlern in Deutschland zufolge hatten jedoch bereits Anfang März 52 Prozent der Befragten Probleme, ihre gewohnte Leistung zu erbringen (Händlerbund, 2020). 15 Prozent der Befragten mussten wegen der Corona-Krise Aufträge stornieren. Auch personelle Engpässe könnten den Onlinehandel behindern. Allerdings ändert sich derzeit die Lage täglich, sodass auch aktuelle Umfragen nur Momentaufnahmen sein können. Die wachsende Bedeutung des Onlinehandels im Bereich der FMCG dürfte die Krise jedoch überdauern.

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Barbara Engels / Christian Rusche: Corona – Schub für den Onlinehandel

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