Heute unternimmt die belgische Ratspräsidentschaft einen erneuten Versuch, eine Mehrheit für das EU-Lieferkettengesetz zu finden. Trotz Nachbesserungen drohen immer noch erhebliche Nachteile – nicht nur für die europäische Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch für die Entwicklungsländer.
EU-Lieferkettengesetz: Gravierende Folgen für Entwicklungsländer
Jetzt kommt es womöglich doch: Mit dem Lieferkettengesetz will die EU Unternehmen verpflichten, die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards entlang ihrer Beschaffungswege zu kontrollieren. Mehrfach war das Vorhaben gescheitert – auch am deutschen Widerstand. Doch selbst nach mehreren Nachbesserungen bleibt das Gesetz unausgegoren, seine negativen Folgen dürften weit über die EU hinausgehen. Denn die mit der Umsetzung verbundenen Kosten sind hoch und betreffen einen größeren Kreis von Unternehmen als angedacht. Das zeigen die Erfahrungen mit dem deutschen Lieferkettengesetz, die das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kürzlich in einer Studie untersucht hat.
Deutlich mehr Unternehmen als angedacht betroffen
Das deutsche Gesetz richtet sich wie sein EU-Pendant eigentlich nur an Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern. (Der aktuelle EU-Vorschlag sieht zudem einen Mindestumsatz von 450 Millionen Euro Umsatz vor.) Nach IW-Umfrage ist inzwischen aber fast jedes zweite deutsche Unternehmen betroffen. Denn auch kleinere Firmen müssen die Berichtspflichten erfüllen, wenn sie ein größeres Unternehmen beliefern. Selbst in der Gruppe der Unternehmen mit bis zu 49 Mitarbeitern gibt die Hälfte der befragten Unternehmen an, direkt oder indirekt vom Gesetz betroffen zu sein. Mit schwerwiegenden Folgen: Der Standort wird teurer und damit weniger wettbewerbsfähig.
Vorschriften zu komplex für Entwicklungsländer
Das deutsche Gesetz wirkt sich auch schon negativ auf die Entwicklungsländer aus. Ein Grund: Insbesondere kleinere Betriebe – sowohl in der EU als auch in den Lieferländern – haben keine Kapazitäten, um sich mit den komplexen gesetzlichen Vorschriften auseinanderzusetzen, wenn sie Angaben für ihre Kunden machen müssen. So sanken die Bekleidungsimporte aus Entwicklungsländern wie Bangladesch oder Pakistan im Jahr 2023 um mehr als ein Fünftel. Gleichzeitig kamen immer mehr Textilimporte aus Ländern wie Nordmazedonien, Tunesien oder Marokko. Für die Nachhaltigkeit in den Entwicklungsländern sind das keine guten Nachrichten, in Bangladesch etwa entfallen zwölf Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf die Bekleidungsindustrie. Ziehen sich jetzt nicht nur deutsche, sondern auch europäische Unternehmen zurück, müssen die Staaten mit Ländern handeln, deren Umwelt- und Sozialstandards bei weitem nicht auf dem EU-Niveau sind – beispielsweise China.
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