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(© Foto: Zsolt Nyulaszi - Fotolia)
Felicitas Kemeny in der Zeitschrift Trend Gastbeitrag 25. April 2014

Qualifizierte Zuwanderung bietet Chance für Deutschland

In jüngster Zeit wurde in der Öffentlichkeit vielfach kontrovers und teilweise auch sehr emotional über Migration diskutiert, schreibt IW-Ökonomin Felicitas Kemeny in einem Gastbeitrag für die Zeitschrift Trend. Eine ökonomische Bewertung von Zuwanderung setzt allerdings voraus, dass die Fakten nüchtern betrachtet werden.

So trifft es zwar zu, dass auch Personen ohne einen berufsqualifizierenden Bildungsabschluss nach Deutschland kommen, doch sehr viele der Neuzuwanderer sind hochqualifizierte Fachkräfte, die in der deutschen Wirtschaft gebraucht werden.

Aufgrund der demografischen Entwicklung – weniger junge bei immer mehr älteren Menschen – stoßen Unternehmen in Deutschland vermehrt auf Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Auszubildenden und Fachkräften. Besonders knapp sind derzeit, neben einigen Gesundheitsberufen, Fachkräfte im MINT-Bereich – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten dürfte sich die Lage noch weiter verschärfen, zumal ab dem Jahr 2020 die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer nach und nach aus dem Erwerbsleben ausscheiden werden. Wenn aber nicht genug Fachkräfte zur Verfügung stehen, muss damit gerechnet werden, dass die wirtschaftliche Entwicklung an Dynamik einbüßt.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, neben den inländischen Fachkräftepotenzialen auch die Chancen der Zuwanderung optimal zu nutzen. Hierbei wurden in den vergangenen Jahren Fortschritte erzielt, und Deutschland ist attraktiver für Menschen aus dem Ausland geworden. Für das Jahr 2012 verzeichnet das Statistische Bundesamt eine Nettozuwanderung von rund 370.000 Personen; im Jahr 2013 dürften sogar über 400.000 mehr Personen nach Deutschland gekommen sein als das Land verlassen haben, und zwar zu einem überwiegenden Teil aus Ländern der Europäischen Union.

Die Zuwanderer, die nach Deutschland kommen, sind im Durchschnitt jünger als die inländische Bevölkerung und häufig sehr gut qualifiziert. Dies lässt sich empirisch auf der Grundlage der aktuellsten Daten belegen. Während im Jahr 2011 von allen 25- bis 65-Jährigen in Deutschland nur knapp 19 Prozent einen Hochschulabschluss hatten, waren es unter den gleichaltrigen Personen, die bis zu zehn Jahre zuvor eingewandert waren, mit gut 29 Prozent deutlich mehr. Auch unter den im gleichen Zeitraum zugewanderten Rumänen und Bulgaren, die jüngst oft im Kontext von Armutsmigration genannt wurden, ist der Akademikeranteil mit rund 25 Prozent überdurchschnittlich.

Bemerkenswert ist außerdem, dass in den letzten Jahren immer mehr Personen mit besonders begehrten Qualifikationen zugewandert sind. So sind akademische Abschlüsse in MINT-Fächern unter den Personen, die nach Deutschland zuwandern, sehr verbreitet. Von den zwischen 2001 und 2011 zugewanderten 25- bis 65-Jährigen können über zehn Prozent einen entsprechenden Hochschulabschluss vorweisen, in der gleichaltrigen Gesamtbevölkerung sind es lediglich knapp sechs Prozent.

Auch in der Gesundheit und Pflege leistet Zuwanderung einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung. Im Jahr 2011 waren von allen in Deutschland tätigen Ärzten rund sechs Prozent Personen, die in den vorangegangenen zehn Jahren zugewandert waren. Bei den Altenpflegern beläuft sich die entsprechende Quote auf fast vier Prozent. Bedingt durch den demografischen Wandel dürfte sich die Nachfrage nach Gesundheits- und Pflegeleistungen sowie der Bedarf an entsprechenden Fachkräften in Zukunft zudem weiter verstärken. Zuwanderung kann in diesem Bereich somit weiterhin eine zentrale Rolle spielen.

Dass Zuwanderer im Durchschnitt jünger als die inländische Bevölkerung sind und immer besser in den Arbeitsmarkt integriert, erweist sich auch für die umlageorientierten Sozialversicherungen als großer Vorteil. Bereits heute ist aufgrund der günstigen Altersstruktur unter den zugewanderten Personen der Anteil sozialversicherungspflichtig Beschäftigter höher als unter den in Deutschland Geborenen. Die zusätzlichen Beitragszahler helfen dabei, die gesetzliche Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zu stabilisieren, die infolge des demografischen Wandels einen wachsenden Finanzierungsbedarf haben.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass qualifizierte Zuwanderung einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Sicherung des Wohlstands der Menschen in Deutschland leisten kann. Dass auch in Zukunft noch so viele Neuzuwanderer nach Deutschland kommen werden wie derzeit, ist allerdings nicht selbstverständlich. Dies nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass viele der Zuwanderer derzeit aus Ost- und Südeuropa stammen, wo der demografische Wandel in absehbarer Zeit ebenfalls zu Fachkräfteengpässen führen dürfte.

Um langfristig eine ausreichende Anzahl ausländischer Fachkräfte zu gewinnen und Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität zu sichern, muss sich Deutschland daher noch weiter für ausländische Fachkräfte öffnen – und insbesondere für jene aus demografiestarken Regionen. Das Zuwanderungsrecht sollte weiter liberalisiert, die Anerkennung ausländischer Abschlüsse verbessert und die Willkommenskultur in Deutschland gestärkt werden. Auch eine aktivere Ansprache potentieller Zuwanderer im Heimatland, etwa durch Informationsangebote und Möglichkeiten, vorab die deutsche Sprache zu erlernen, könnte sich lohnen.

Zum Gastbeitrag auf www.trend-zeitschrift.de

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