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(© Foto: Maksim Kostenko - Fotolia)
Michael Hüther für die Atlantik-Brücke Gastbeitrag 17. Juli 2015

Megatrend Digitalisierung

Digitalisierung ist in aller Munde, nicht zuletzt seit sie durch Smartphones in allen Händen ist, schreibt IW-Direktor Michael Hüther für den Verein Atlantik-Brücke. Selbst die Politik hat sich des Themas bereits angenommen und eine Digitalstrategie entwickelt. Etwas diffuser ist allerdings der Blick des Ökonomen auf diesen Megatrend des Strukturwandels.

Die mit der Digitalisierung verbundenen großen Versprechen und großen Hoffnungen auf mehr wirtschaftliche Dynamik und Wachstum lassen sich bisher nicht empirisch bestätigen. Stattdessen diskutieren wir global über einen Verlust im Produktivitätstrend. Dort jedenfalls ist die vielgerühmte Digitalisierung noch nicht angekommen.

Weitere Fragezeichen ergeben sich, wenn man versucht, Digitalisierung prinzipiell in ihren ökonomischen Wirkungen zu beschreiben und zu definieren. In der öffentlichen Wahrnehmung dominieren Dienstleistungsbranchen, die ganz überwiegend den privaten Haushalt und damit den Konsumenten im Blick haben. Hier ist die Wirkung der Digitalisierung evident: Das Smartphone navigiert uns durch den Alltag, es ermöglicht die Steuerung der privaten Lebenssituation, es liefert uns in Echtzeit Informationen über Handlungsoptionen oder es vernetzt uns in sozialen Medien.

Doch ist das der herausragende wirtschaftliche Effekt der Digitalisierung? Nein. Industrial Internet – in den USA – und Industrie 4.0 – in Deutschland – stehen für die Veränderung industrieller Wertschöpfung infolge der Digitalisierung. Bislang vollzieht sich dieser Prozess weitgehend unabhängig von der Digitalisierung des privaten Lebens. Und noch ist unklar, wodurch die wirtschaftliche Realität stärker verändert wird. In der Industrie geht es um die Zukunft der bestehenden Geschäftsmodelle.

Der Begriff Industrie 4.0 steht für die vierte industrielle Revolution, einer neuen Stufe der Organisation und Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette über den gesamten Lebenszyklus der Produkte. Dieser Zyklus orientiert sich an den zunehmend individualisierten Kundenwünschen und erstreckt sich von der Idee, dem Auftrag über die Entwicklung und Fertigung, die Auslieferung eines Produkts an den Endkunden bis hin zum Recycling, einschließlich der damit verbundenen Dienstleistungen. Im Kern geht es um die kosteneffiziente Bereitstellung von Losgröße 1.

Basis ist die Verfügbarkeit aller relevanten Informationen in Echtzeit durch Vernetzung aller an der Wertschöpfung Beteiligten sowie die Fähigkeit aus den Daten den zu jedem Zeitpunkt optimalen Wertschöpfungsfluss abzuleiten. Durch die Verbindung von Menschen, Objekten und Systemen entstehen dynamische, echtzeitoptimierte und selbst organisierende, unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke, die sich nach unterschiedlichen Kriterien wie bspw. Kosten, Verfügbarkeit und Ressourcenverbrauch optimieren lassen.

Für die Frage, ob und wie die Industrie den Strukturwandel infolge der Digitalisierung beherrscht, ist es wichtig, das volkswirtschaftliche Geschäftsmodell zu verstehen. Das MIT hat hierzu 2013 eine Studie vorgelegt (S. Berger and MIT Task Force on Production in the Innovation Economy (2013): Making in America. From Innovation to Market. Cambridge, MA.) Dafür wurde differenziert das deutsche Geschäftsmodell untersucht, das mit seiner Industriebasierung, der Verbindung mit Dienstleistungen und der Exportstärke herausragt.

Die Industrie ist der Hub der deutschen Volkswirtschaft. Sie ist Taktgeber im Konjunkturzyklus und Impulsgeber im Strukturwandel. Die Beeinflussung der Dienstleistungswirtschaft hat enorme Folgen für die dort stattfindende Wertschöpfung. Diese „joint production“ ist ein Alleinstellungsmerkmal Deutschlands und Europas. Daraus ergibt sich die Chance, für die Kunden differenzierte und komplexe Lösungen zu entwickeln, aber trotzdem kosteneffizient zu sein.

Bei der Frage, welche Digitalisierung am Ende dominiert – Smart living oder Industrie 4.0 – oder ob beide Welten sich ergänzen, sind nicht zuletzt die Standards und Normen entscheidend, die den Markt definieren werden. Die Ausgangssituation der großen Volkswirtschaften ist dafür sehr unterschiedlich. Noch ist offen, wer die Standards setzt, ob es verschiedene geben kann und wer dabei eine Führungsrolle haben wird. Der Vorsprung Deutschlands liegt in der durchaus kleinteiligen Industrie mit ihrer Fähigkeit zu differenzieren und Komplexität zu managen, der Vorsprung der USA liegt in der Welt skalierungsfähiger und Big Data-Potenziale nutzender Internetfirmen mit großem Kapitalhebel.

Was kann, was muss der Staat leisten? Der Breitbandausbau ist die Nummer 1 der Prioritätenliste. Das überrascht nicht, ist aber trotzdem wichtig. Denn die Bundesregierung hat zwar diverse Strategien zur Digitalisierung aufgelegt, die Investitionen in den Breitbandausbau aber zunächst vernachlässigt (1 Mrd. Euro im Entwurf des Koalitionsvertrags wurden gestrichen). Das zweitbedeutendste Thema ist die internationale Wettbewerbsordnung und das Datenrecht, insbesondere Datenschutz und Datensicherheit.

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