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Samina Sultan / Gero Kunath / Henrik Förster/ Jürgen Matthes IW-Report Nr. 9 15. Februar 2024 Indonesien: Ein neuer indo-pazifischer Partner?

Am 14. Februar wählt Indonesien einen neuen Präsidenten. Nach zehn erfolgreichen Jahren im Amt darf Joko Widodo nicht erneut antreten. Er hat eine Reformära in dem Land eingeläutet.

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Ein neuer indo-pazifischer Partner?
Samina Sultan / Gero Kunath / Henrik Förster/ Jürgen Matthes IW-Report Nr. 9 15. Februar 2024

Indonesien: Ein neuer indo-pazifischer Partner?

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Am 14. Februar wählt Indonesien einen neuen Präsidenten. Nach zehn erfolgreichen Jahren im Amt darf Joko Widodo nicht erneut antreten. Er hat eine Reformära in dem Land eingeläutet.

Auch deshalb ist Indonesien seit zwei Dekaden mit jahresdurchschnittlich rund 5 Prozent gewachsen und hat selbst die Krisen der vergangenen Jahre erstaunlich gut gemeistert. Die Infrastruktur wie Straßen und das Eisenbahnnetz, aber auch der digitale Bereich wurde stark ausgebaut. Widodo hat wirtschaftliche Interessen nach vorn gestellt und viel Reformeifer gezeigt, was das Wachstum gestützt hat, auch wenn verschiedene Herausforderungen, etwa im Bildungsbereich oder bei der Korruption, bleiben.

Indonesien ist mit einer Bevölkerung von gut 277 Millionen Menschen ein wichtiges Land im Indo-Pazifik. Diese Region spielt für die EU eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, kritische Abhängigkeiten von China zu vermindern durch eine Diversifizierung der Handelsbeziehungen. Allerdings kann Indonesien China wegen seiner begrenzten wirtschaftlichen Bedeutung bei Weitem nicht ersetzen. Denn der Handel der EU mit Indonesien macht nur rund 4 Prozent des EU-Handels mit China aus. Trotzdem ist mehr wirtschaftlicher Austausch mit Indonesien ein wichtiger Baustein für das von der Europäischen Union (EU) angestrebte De-Risking von China, bei dem umso mehr auch andere Länder der Indo-Pazifik-Region einbezogen werden müssen sowie Lateinamerika und Afrika.

Im gegenseitigen Handel der EU mit Indonesien bestehen große Potenziale. Denn die komparativen Vorteile zwischen Indonesien und der EU sind stark unterschiedlich: Im Fall von Indonesien liegen sie besonders bei Agrargütern und Rohstoffen, im Fall von der EU bei anspruchsvollen Industriegütern. Auch aus diesem Grund zeigen Schätzungen der Europäischen Kommission, dass durch ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indonesien die EU-Ausfuhren nach Indonesien mittelfristig um bis zu 44 Prozent steigen könnten, während die EU-Einfuhren aus Indonesien um 18 Prozent zunehmen könnten. Ein Anstieg des Handels mit Indonesien in der Größenordnung von beispielsweise 25 Prozent, könnte damit ein Fünftel eines angenommenen Rückgangs im EU-Handel mit China von 5 Prozent kompensieren, der sich möglicherweise aus einem De-Risking gegenüber China ergeben mag.

Derzeit lassen sich diese Potenziale aber kaum heben, weil

  • Indonesien und die EU jeweils gerade diejenigen Güter mit relativ hohen Zöllen belegen, bei denen der andere Partner komparative Vorteile hat.
  • Indonesien bereits Freihandelsabkommen mit anderen asiatischen Staaten – und China – hat, sodass die EU unter starken Handelsumlenkungseffekten leidet, weil EU-Akteure im Handel diskriminiert werden.

Vor allem China profitiert von der Handelsumlenkung zu seinen Gunsten und zum Nachteil der EU. So weist China eine ähnliche Handelsspezialisierung auf Industriegüter auf wie die EU und steht daher in enger Konkurrenz zu europäischen Firmen. Dies trug zu den großen Gewinnen Chinas bei den Ausfuhren und Einfuhren mit Indonesien bei. Der Anteil Chinas an den gesamten Exporten Indonesiens ist von 11,4 Prozent im Jahr 2012 auf 22,6 Prozent im Jahr 2022 gestiegen. Auf der Importseite betrug der Anteil Chinas 15,3 Prozent im Jahr 2012 und 29 Prozent im Jahr 2022. Darüber hinaus tragen Chinas Investitionen in Indonesien als Teil der chinesischen Neuen Seidenstraße Initiative zu einem weiteren Anstieg des Handels mit Indonesien bei.

Hingegen hat die Bedeutung der EU als Handelspartner für Indonesien im letzten Jahrzehnt weiter abgenommen. Auch aus Sicht der EU hat Indonesien an Relevanz verloren: Zwischen 2012 und 2022 stagnierte der Anteil Indonesiens an den gesamten EU-Importen bei rund 0,35 Prozent, weil die Importe aus Indonesien weniger dynamisch wuchsen als die EU-Importe insgesamt. Auf der Exportseite ist das Bild noch deutlicher: Während der Anteil Indonesiens an den Gesamtausfuhren der EU im Jahr 2012 noch bei 0,22 Prozent lag, sank dieser Anteil bis 2022 auf nur noch 0,13 Prozent. In diesem Zeitraum ist der absolute Wert der EU-Ausfuhren nach Indonesien kaum gestiegen. Die deutschen Exporte nach Indonesien sind zwischen 2012 und 2022 sogar um rund 5 Prozent zurückgegangen.

Bei den Direktinvestitionen ergibt sich ein ähnliches Bild. So ist der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen aus der EU in Indonesien zwischen 2015 und 2022 in absoluten Zahlen von rund 47 Milliarden Euro auf rund 29 Milliarden Euro zurückgegangen. Dies trug zu einem erheblichen Rückgang des Anteils der EU an den ausländischen Direktinvestitionen in Indonesien bei. China hingegen konnte seinen Anteil in diesem Zeitraum von 2,2 Prozent auf 6,5 Prozent ausbauen.

Bei Handel und Direktinvestitionen erfolgte damit in der letzten Dekade das Gegenteil von Diversifizierung mit Indonesien. Denn dafür hätten die Anteile Indonesiens aus Sicht der EU zunehmen müssen. Bildlich gesprochen fährt der Zug der Diversifizierung mit Indonesien demnach nicht vorwärts, sondern sogar rückwärts.

Die EU sollte daher dringend ein Freihandelsabkommen mit Indonesien anstreben, welches ermöglicht,

  • die jeweiligen komparativen Vorteile wirklich nutzen zu können,
  • die Handelsumlenkung zulasten der EU zu stoppen,
  • Chinas Vordringen zumindest zu bremsen durch deutlich mehr EU-Handel mit Indonesien.

Daneben sollten die europäischen Unternehmen Indonesien und den Chancen, die sich ihnen dort bieten, mehr Aufmerksamkeit schenken. Das ist zu flankieren mit handels- und investitionspolitischen Übereinkommen, um die Investitionsbedingungen vor Ort attraktiv genug zu gestalten. Dazu braucht es auch ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, das Ansiedelungen von EU-Firmen in Indonesien vorsieht. Hier ist beispielsweise an sogenannte Exportfreizonen (‚export processing zones‘) zu denken, also weniger regulierte Regionen, in denen sich multinationale Firmen ansiedeln können.

Um solche Übereinkommen umzusetzen, ist es wichtig zu verstehen, dass es eine klare Interessenübereinstimmung zwischen der EU und Indonesien gibt: Die EU hat ein Interesse daran, die industrielle und technologische Entwicklung in Indonesien zu unterstützen, um Indonesiens Rolle als wachsender Handels- und Investitionspartner zu fördern, sowohl für Exporte als auch für Importe. So könnte die EU beispielsweise im Zuge des De-Risking mit Indonesien zusammenarbeiten, indem sie Indonesien beim Aufbau einer umfangreichen Batterieproduktion für E-Fahrzeuge und möglicherweise einer Produktion von Solarmodulen unterstützt. Diese Bemühungen sind ebenfalls ganz im Interesse Indonesiens.

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