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Oliver Stettes IW-Kurzbericht Nr. 1 29. Januar 2016 Werkverträge: Empirie signalisiert keinen gesetzlichen Handlungsbedarf

Gesetzliche Neuregelungen sollen missbräuchliche Werkvertragskonstellationen verhindern. Dabei sind aus empirischen Untersuchungen keine Anhaltspunkte für den Missbrauch eines wichtigen Elements zwischenbetrieblicher Arbeitsteilung zu erkennen.

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Empirie signalisiert keinen gesetzlichen Handlungsbedarf
Oliver Stettes IW-Kurzbericht Nr. 1 29. Januar 2016

Werkverträge: Empirie signalisiert keinen gesetzlichen Handlungsbedarf

Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Gesetzliche Neuregelungen sollen missbräuchliche Werkvertragskonstellationen verhindern. Dabei sind aus empirischen Untersuchungen keine Anhaltspunkte für den Missbrauch eines wichtigen Elements zwischenbetrieblicher Arbeitsteilung zu erkennen.

Derzeit befindet sich die Diskussion auf der Zielgeraden, welche zusätzlichen gesetzlichen Regelungen künftig den Rahmen für die Vergabe von Werkverträgen bestimmen sollen. Es ist zu erwarten, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Kürze einen Referentenentwurf präsentiert, der dann in die Ressortabstimmung gehen wird. Bereits im vergangenen November war ein Vorentwurf bekannt geworden, der auf scharfe Kritik der Wirtschaft gestoßen ist, die in dem Regulierungsvorhaben einen unsachgemäßen Eingriff in die unternehmerische Freiheit und die Funktionalität zwischenbetrieblicher Arbeitsteilung sieht. Gewerkschaften hingegen kritisierten, dass die bekannt gewordenen Regelungen dieses Vorentwurfs, insbesondere im Zusammenhang mit den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates, nicht ausreichend seien.

Die Grundlage für diese Diskussion wurde im Koalitionsvertrag gelegt. Diesem zufolge sollten rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen verhindert werden. Unabhängig davon, was nun konkret unter einem „Missbrauch“ zu verstehen ist, wie eine solche Definition und die bekannt gewordenen Punkte zur Regulierung von Werkverträgen im Einzelnen dann zu bewerten sind (vgl. hierzu bspw. Schäfer/Stettes, 2015; Schäfer et al., 2014), stellt sich zunächst eine weitere Frage:

Ist der geplante gesetzgeberische Eingriff in den Handlungsspielraum von Unternehmen bei der Organisation von Arbeits- und Fertigungsprozessen durch eine solide empirische Faktenlage abgedeckt?

Die Antwort muss zum einen negativ ausfallen, weil der Gesetzgeber bis heute Zahlen für einen vermeintlichen flächendeckenden oder zumindest weit verbreiteten Missbrauch von Werkverträgen schuldig geblieben ist. Zum anderen ist sie mit nein zu beantworten, weil auch die Befunde von Unternehmensbefragungen im Grunde keinen Handlungsbedarf signalisieren.

Verbreitung von Werkverträgen in Deutschland

Eine Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung kam bereits auf Basis einer Befragung unter mehreren hundert Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe zu dem Ergebnis, dass nur jedes zwölfte Unternehmen in dem Jahr vor dem Befragungszeitpunkt auf Werkverträge zurückgegriffen hat (Hertwig et al., 2015). Nicht einmal 2,5 Prozent nutzten einen Werkvertrag bei einer Leistung, die im Betrieb des Auftraggebers erbracht wurde, zum Kernbereich seines Wertschöpfungsprozesses gezählt wurde, auf Dauer angelegt war und von Beschäftigten des Auftragnehmers ausgeübt wurde. Gerade diese Form der Werkvertragsnutzung wird von manchem Beobachter als Instrument betrachtet, mit dem Unternehmen tarifvertragliche oder rechtliche Standards umgehen könnten. Eine derartige Interpretation stellt aber eine Vielzahl der üblichen Dienst- oder Werkverträge insbesondere im Bereich Information und Kommunikation oder bei Entwicklungsprojekten unter Generalverdacht, obwohl diese zweifelsfrei rechtskonform abgeschlossen worden sind.

Auslagerungsaktivitäten in Deutschland und der Europäischen Union

Auch die Zahlen des European Company Surveys aus dem Jahr 2013 lassen Zweifel aufkommen, ob ein zusätzlicher Regulierungsbedarf in Sachen Werkverträge besteht. Die repräsentative Erhebung erlaubt einen Einblick, ob Unternehmen am Standort Deutschland in der Entwicklung, der Produktion/Dienstleistungserbringung oder dem Vertrieb/Marketing häufiger Aufgaben ausgelagert haben als die Betriebe in anderen europäischen Ländern. Auch wenn die Befragung die hiesige Diskussion um den vermeintlichen Missbrauch von Werkverträgen nicht Eins zu Eins widerspiegeln kann, erfasst sie zwei relevante Aspekte:

  • Die drei berücksichtigten Funktionsbereiche können zu den Kernbereichen des Wertschöpfungsprozesses eines Unternehmens gezählt werden und
  • die Nutzung eines Werkvertrags impliziert die Auslagerung von entsprechenden Aufgaben.

Deutsche Unternehmen lagern Kernfunktionen (Teile oder komplett) seltener aus als die Unternehmen in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (vgl. Abbildung). Bei der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen vertrauen lediglich 13,4 Prozent der hiesigen Betriebe auf die Expertise anderer Betriebe. Im Durchschnitt der EU-28 sind es neun Prozentpunkte mehr. Bei der eigentlichen Leistungserstellung, also der Fertigung von Erzeugnissen oder der Bereitstellung von Dienstleistungen, sind es hierzulande 22,1 Prozent, in der Europäischen Union knapp drei von zehn Betrieben. Aufgaben im Bereich Vertrieb und Marketing, zu dem letztlich auch die Logistik gehört, sind nur in jedem achten Betrieb ausgelagert, im EU-28-Durchschnitt sind es gut 23 Prozent.

Die Abbildung signalisiert ferner, dass sich an der relativ geringen Auslagerungsquote am Standort Deutschland auch nichts ändert, wenn man ausschließlich große Betriebe oder die Unternehmen in der Industrie in den Blick nimmt. Gerade diese beiden Unternehmenstypen sind im Zusammenhang mit der aktuellen Debatte über einen vermeintlichen Missbrauch ins Visier geraten.

Der Unterschied zwischen Deutschland und den restlichen EU-28-Staaten ist auch bei multivariaten Schätzungen signifikant und bleibt bei verschiedenen Modellspezifikationen robust. Dies gilt ebenso im Einzelvergleich mit dem Gros der EU-Mitgliedsstaaten. Es ist daher der Schluss zulässig, dass auch im internationalen Vergleich auf empirischer Basis kein Anhaltspunkt dafür existiert, dass Unternehmen am deutschen Standort Outsourcing beziehungsweise Werkverträge in einem Umfang nutzen, der Anlass für weitreichende Regulierungsvorschriften durch den Gesetzgeber gibt.

Fazit

Auch wenn abzuwarten bleibt, wie am Ende die gesetzlichen Regelungen im Zusammenhang mit der Vergabe von Werkverträgen aussehen werden, ist es bedenklich, wenn ein derartiger Eingriff ohne empirisch belastbare Evidenz vollzogen wird. Dies gilt nicht nur wie gezeigt für den Einsatz von Werkverträgen im Allgemeinen, sondern gerade hinsichtlich der Anzahl der vermeintlichen Missbrauchsfälle, die vor Gericht zur Entscheidung anstanden. Auch hier hat der Gesetzgeber bislang keine belastbare Evidenz präsentiert.

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Empirie signalisiert keinen gesetzlichen Handlungsbedarf
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Oliver Stettes: Werkverträge – Empirie signalisiert: Kein gesetzlicher Handlungsbedarf

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