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Nora Rohr / Kristina Stoewe / Dirk Werner / Luena Zifle IW-Kurzbericht Nr. 25 21. März 2022 10 Jahre Anerkennungsgesetz: Beitrag zur Fachkräftesicherung und Integration

2022 jährt sich das Anerkennungsgesetz (kurz: BQFG) zum zehnten Mal. Ab 2020 hatte die Corona-Pandemie starken Einfluss auf die Fachkräftemigration weltweit. Dennoch wurden im selben Jahr 31.536 Anträge auf Berufsanerkennung in bundesrechtlich geregelten Berufen gestellt, darunter über 10.700 aus 13 Ländern, die bei der Fachkräfteeinwanderung besonders im Fokus stehen.

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Beitrag zur Fachkräftesicherung und Integration
Nora Rohr / Kristina Stoewe / Dirk Werner / Luena Zifle IW-Kurzbericht Nr. 25 21. März 2022

10 Jahre Anerkennungsgesetz: Beitrag zur Fachkräftesicherung und Integration

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

2022 jährt sich das Anerkennungsgesetz (kurz: BQFG) zum zehnten Mal. Ab 2020 hatte die Corona-Pandemie starken Einfluss auf die Fachkräftemigration weltweit. Dennoch wurden im selben Jahr 31.536 Anträge auf Berufsanerkennung in bundesrechtlich geregelten Berufen gestellt, darunter über 10.700 aus 13 Ländern, die bei der Fachkräfteeinwanderung besonders im Fokus stehen.

Fachkräftemigration: Ab 2020 unter besonderen Bedingungen

Die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen ist durch das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG) rechtlich geregelt und im Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) verankert. Seit dem Inkrafttreten des BQFG am 1. April 2012 wurden bis 2019 Jahr für Jahr mehr Anträge auf Anerkennung gestellt.

Der Winter 2019/2020 markierte dann den Beginn der globalen Corona-Pandemie, die weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft und zahlreiche Bereiche des Privatlebens hatte. Nicht zuletzt wirkte sie als Bremse auf die internationale Migration, da ab dem Frühjahr 2020 die grenzüberschreitende Mobilität stark eingeschränkt war.

In dieser außergewöhnlichen Situation trat im März desselben Jahres das FEG in Kraft, das die Zuwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten vereinfacht. Eine Voraussetzung der Zuwanderung nach Deutschland über diesen Weg ist neben entsprechenden Deutschkenntnissen die Anerkennung des ausländischen hochschulischen oder beruflichen Abschlusses. Bereits im Jahr 2020 ist trotz deutlich geringerer Nettozuwanderung ein erheblicher Anstieg der aus dem Ausland gestellten Anträge auf Berufsanerkennung zu Berufen nach Bundesrecht zu beobachten, der bei rund 11 Prozent lag (Böse/Schmitz, 2021).

Im Folgenden wird die Entwicklung der Anträge auf Berufsanerkennung aus 13 Fokusländern der Fachkräfteeinwanderung (Baczak et al., 2020) betrachtet. Dabei wird für vier regionale Ländercluster differenziert: Lateinamerika (Brasilien, Mexiko, Kolumbien), Nordafrika (Ägypten, Tunesien, Marokko), Westbalkan (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo) sowie Indien und Südostasien (Philippinen, Indonesien, Vietnam).

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Trend der Anerkennungsanträge 2012 bis 2020 in vier Länderclustern

Ländercluster Lateinamerika: Die Antragszahlen auf Anerkennung für die drei lateinamerikanischen Länder Brasilien, Mexiko und Kolumbien können faktisch nicht als groß bezeichnet werden. Im Betrachtungszeitraum ist ein Anstieg für alle drei Herkunftsländer zu beobachten, wobei sich die Intensität des Anstiegs zwischen den Ländern unterscheidet. Seit dem Inkrafttreten des BQFG bis 2015 lag die Anzahl der Anerkennungsanträge aller drei lateinamerikanischen Länder jeweils unter 100 Anträgen. Ab 2018 nehmen die Anträge für Brasilien und Mexiko deutlich zu. Auch für 2020 ist ein Zuwachs der Anträge für diese Länder trotz der Auswirkungen der Corona-Pandemie zu verzeichnen. Lediglich die Anträge für Kolumbien 2020 weisen einen leichten Rückgang auf. Insgesamt dürfte die Zunahme der Zahlen durch auf das Inkrafttreten des FEG 2020 positiv beeinflusst worden sein. Zudem spielen die aktiven Projekte zur Pflegekräftegewinnung aus Mexiko und Brasilien, beispielweise das Triple-Win-Programm „Pflegekräfte für Deutschland“, eine nennenswerte Rolle bei der Zuwanderung. Damit einhergehend dominieren die Anträge im Bereich der medizinischen Gesundheitsberufe (BQ-Portal, 2022).

Ländercluster Nordafrika: Auffällig für das Ländercluster Nordafrika sind fast durchgängig steigende Antragszahlen seit 2012. Auch im Jahr 2020 ist kein Corona-bedingter Rückgang zu verzeichnen. Für die ägyptischen Abschlüsse sind leichte Schwankungen der Antragszahlen zu verzeichnen, die 2020 ihren Höchstwert erreichten. Angesichts der großen Bevölkerungszahl sind die ägyptischen Anträge auf Berufsanerkennung allerdings auf einem sehr niedrigen Niveau. Während die Antragszahlen marokkanischer, tunesischer und ägyptischer Abschlüsse 2012 zusammen noch bei 234 lagen, erhöhte sich der Gesamtwert mit Inkrafttreten des BQFG bis 2020 auf knapp 2.000 Anträge pro Jahr. Den stärksten Anstieg erreichen tunesische Abschlüsse. Marokko zeichnet sich durch moderate, aber konstant steigende Antragszahlen seit 2012 aus. Die meisten Anträge aus der Region Nordafrika beziehen sich ebenfalls auf die Gesundheitsberufe. Aus Marokko fallen einige Anträge zudem auf den Beruf Fachinformatiker/in (BQ-Portal, 2022).

Ländercluster Westbalkan: Trotz der Westbalkanregelung, die seit 2016 festlegt, dass die Staatsangehörigen von Westbalkanländern keine Anerkennung ihrer Berufsqualifikation für den Zugang zum Arbeitsmarkt in Deutschland benötigen, weist dieses Ländercluster nach wie vor die höchste Zahl an Anerkennungsanträgen auf. Diese sind von 366 im Jahr 2012 auf 4.824 im Jahr 2020 gestiegen. Besonders ausgeprägt ist die Zunahme der Anerkennungsanträge für albanische und bosnisch-herzegowinische Berufsabschlüsse. Bosnien und Herzegowina verzeichnet durchgängig hohe Antragszahlen und lag auch im Jahr 2020, trotz eines leichten Rückgangs, wieder auf dem ersten Platz der antragstärksten Länder weltweit (BQ-Portal, 2022). Ferner zeigt der kontinuierliche und stetige Anstieg der Antragszahlen für Kosovo, dass die Anerkennung der kosovarischen Berufsabschlüsse in Deutschland an Relevanz gewinnt. Die Anträge aus den drei betrachteten Ausbildungsstaaten beziehen sich ebenfalls überwiegend auf die Gesundheitsberufe. Für Handwerksberufe wurden im untersuchten Zeitraum am häufigsten Anerkennungsanträge aus Bosnien und Herzegowina für den Beruf Elektroniker/in gestellt.

Ländercluster Indien und Südostasien: Die vier Länder in diesem Cluster unterscheiden sich bezüglich der Antragszahlen stark untereinander. Gemeinsam haben sie, dass es sich auch hier mehrheitlich um Anträge für Fachkräfte aus dem Pflegebereich handelt. Für die Philippinen sind die Anträge am stärksten gestiegen. Vorrangiger Grund hierfür sind bilaterale Kooperationsvereinbarungen im Bereich Pflege. Wenngleich es 2020 einen nennenswerten Rückgang der Anträge gab, befinden sich die Philippinen immer noch unter den Top-5 der antragsstärksten Ausbildungsstaaten weltweit. Auch indische Fachkräfte stellen vermehrt Anträge auf Anerkennung ihrer ausländischen Berufsqualifikation. Mit einem Wert von knapp 1.000 Anträgen im Jahr 2020 ist aber auch hier in Bezug auf die Fachkräftesicherung für Deutschland noch Luft nach oben, wobei gezielte Anwerbe- und Qualifizierungsprojekte, wie z.B. die Fachkräftegewinnungsangebote der TÜV Rheinland Akademie, helfen könnten. Während sich die Anträge indonesischer Fachkräfte seit 2012 kaum verändert haben und unter 50 Anträgen pro Jahr liegen, sind die Anträge vietnamesischer Abschlüsse mit Einführung des BQFG leicht angestiegen.

Fazit und Ausblick

Dieser Bericht umfasst die Entwicklung der Anerkennungsanträge bis zum Jahresende 2020 für 13 ausgewählte Fokusländer mit besonderem Potenzial für die Fachkräfteeinwanderung. Die Analyse zeigt eine deutlich steigende Tendenz der Antragszahlen insgesamt sowie – trotz der Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie – lediglich einen leichten Rückgang der Zahlen im Jahr 2020. Die Zahl der Anträge auf Anerkennung aus den 13 Fokusländern hat von 822 im Jahr 2012 auf 10.700 im Jahr 2020 zugelegt.

Die Bedeutung der Berufsanerkennung für die Fachkräftesicherung hat somit zugenommen. Zum einen werden die Potenziale von bereits hier lebenden und arbeitenden Menschen gehoben, zum anderen können neue Potenziale der Zuwanderung erschlossen werden. Angesichts der Fachkräftelücke, die Ende 2021 bei 465.000 fehlenden Fachkräften über alle Qualifikationsniveaus lag (Pierenkemper et al., 2022), befinden sich die Antragszahlen aber trotz ihres Wachstums auf einem niedrigen Niveau. Um für die deutsche Wirtschaft die dringend benötigten ausländischen Fachkräfte zu gewinnen, wird es in den nächsten Jahren darauf ankommen, die bisher gesammelten Erfahrungen effizient zu nutzen, auszubauen und Verfahrensabläufe auch hinsichtlich ihrer Digitalisierung zu optimieren. Zudem könnten mehr bilaterale Kooperationsvereinbarungen und gezielte Anwerbe- und Qualifizierungsprojekte einen wichtigen Beitrag auch zur Weiterentwicklung der beruflichen Bildung in den Herkunftsländern leisten. Hier dürften die derzeit in Anbahnung befindlichen Aktivitäten in den Fokusländern beitragen, um die Potenziale des FEG künftig noch stärker zu entfalten.

Hinweis: Der Kurzbericht schließt an die Arbeit des BQ-Portals an. Es ist das Informationsportal für ausländische Berufsqualifikationen und stellt ein wichtiges Instrument bei der Umsetzung des Anerkennungsgesetzes und des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes dar.

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