Die Diskussion um das „Bädersterben“ erhitzt trotz wackeliger Datenbasis die Gemüter. Unter Einbezug der in Google vermerkten Schwimmbäder lassen sich in Deutschland insgesamt 6.255 Bäder – über 700 mehr – auffinden als in der herkömmlichen Datenbasis.
Schwimmbäder: Infrastruktur und Erreichbarkeiten
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Die Diskussion um das „Bädersterben“ erhitzt trotz wackeliger Datenbasis die Gemüter. Unter Einbezug der in Google vermerkten Schwimmbäder lassen sich in Deutschland insgesamt 6.255 Bäder – über 700 mehr – auffinden als in der herkömmlichen Datenbasis.
Im Mittel ist die Erreichbarkeit mit 4:29 Pkw-Minuten zur nächsten Abkühlung im Sommer – 5:44 Pkw-Minuten zum nächsten Hallenbad – überschaubar. Jedoch zeigt sich ein Stadt-Land Gefälle. Im Sommer braucht man in Mecklenburg-Vorpommern mit Pkw oder Rad rund 60 Prozent länger als in Berlin. Die Fahrtzeit zum Hallenbad dauert knapp dreimal so lang.
Der Rückgang des Schwimmbäder-Angebots wird häufig herangezogen, wenn der infrastrukturelle Rückbau auf kommunaler Ebene greifbar gemacht werden soll. Diese Entwicklung wiegt besonders schwer, da Schwimmbäder als Orte sozialer Interaktion über die Grenzen sozio-ökonomischer Schichten gesellschaftliche Bindungskräfte entfalten können (Klinenberg, 2018). Besonders dramatisch wiegt demnach der unter der Überschrift „Bädersterben“ geführte Befund, dass in Deutschland alle vier Tage ein Schwimmbad schließt – umgerechnet 80 Bäder im Jahr (Greive, 2023). Viele Menschen erinnern sich an Schwimmbäder, die mittlerweile geschlossen wurden. Auch die Daten scheinen eine eindeutige Sprache zu sprechen: Der Anteil an Kindern, die nicht schwimmen können, hat sich zwischen 2017 und 2022 verdoppelt (DLRG, 2022). Zuletzt wurden jedoch empirische Zweifel an der Stichhaltigkeit des Ausgangsbefundes angemeldet. Der häufig als Datengrundlage verwendete „Bäderatlas“ der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen zählt aktuell 5.545 Bäder (davon 2.405 Frei-, 2.739 Hallen- und 401 Kombibäder). Nach Experteneinschätzungen ist die Anzahl der Schwimmbäder in Deutschland damit nach-weislich zurückgegangen, wie drastisch der Rückgang aber ausfällt, bleibt hingegen unklar (Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, 2023). Lediglich beim Befund der zunehmend schlechteren Versorgung mit Schwimmmöglichkeiten im ländlichen Raum scheint die Debattenlage klar (Greive, 2023).
Um eine angemessene Status-quo Betrachtung vor-nehmen zu können, wurde der Bäderatlas für die folgende Analyse um alle dort nicht geführten aber auf Google verzeichneten Schwimmbäder ergänzt (siehe Methodenkasten). Insgesamt lassen sich mit diesem Vorgehen 6.289 Schwimmbäder – 710 mehr als im Bäderatlas (davon: 374 Hallen- und 336 Freibäder) finden. Allein diese Zahlen deuten an, dass das Bädersterben weniger stark ausgefallen ist, als häufig beschrieben. Fakt bleibt: Die Versorgung mit Schwimmbädern in Deutschland ist höchst heterogen. So gibt es in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg die wenigsten Schwimmbäder pro Kopf. Thüringen ist demgegenüber am besten versorgt (Mendelson, 2023). Betrachtet man aber die Erreichbarkeiten von Schwimmbädern, liegen die dichtbesiedelten Städte wieder vorn – im Sommer und im Winter (siehe Karte). Um das zu berechnen, wurde die Erreichbarkeit von 50 Prozent der Bevölkerung in einer Gemeinde mit dem Pkw oder dem Fahrrad zur nächstgelegenen Schwimmmöglichkeit berechnet. Als Datenbasis dienen die oben genannten insgesamt 6.289 Frei-, Hallen oder Kombibäder, weitere 662 in Google vermerkte Naturbäder sowie 1.230 Naturbäder und 2.189 Badestellen aus dem Bäderatlas. Anhand dieser Kategorisierung lässt sich neben den allwettertauglichen Hallen- oder Kombibädern auch die bei warmem Wetter relevantere Erreichbarkeit von Bade-stellen, Frei-, und Naturbäder berechnen. Für den Winter wird die wichtigere Anreise zum nächsten Hallen- oder Kombibad berechnet.
Erreichbarkeit mit dem Fahrrad im Sommer
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Erreichbarkeit mit dem Fahrrad im Winter
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Sommer: Schnelle Pkw-Anbindung
Im Mittel erreichen die Deutschen im Sommer eine Bademöglichkeit in 4:29 Minuten mit dem Auto (9:33 Minuten mit dem Fahrrad). Am schnellsten ist man in Berlin und Hamburg (im Mittel unter 4 Minuten Pkw-Fahrzeit). Am längsten (im Mittel fast 6 Pkw-Minuten) fahren Menschen in Mecklenburg-Vorpommern. Mit dem Fahrrad ist man in Baden-Württemberg mit rund 8 Minuten am schnellsten im kühlen Nass. Es folgen mit unter 9 Minuten Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Berlin. Mit über 13 Minuten müssen Personen aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern am längsten in die Pedale treten. Insgesamt braucht man in über 20 Prozent der Gemeinden mit dem Rad über eine halbe Stunde zur nächsten Schwimmmöglichkeit. Mit dem Pkw beträgt die Anreise in nur 3 Prozent der Gemeinde mehr als eine Viertel-stunde. Auch auf Gemeindeebene rangiert Mecklenburg-Vorpommern am unteren Ende: sechs der zehn am schlechtesten an sommerliche Bademöglichkeiten angebundenen Kommunen liegen im nordöstlichen Bundesland. Die Gemeinden Karenz, Estorf und Iven führen mit über 24 Pkw-Minuten die Liste der schlechtesten Erreichbarkeit zur Abkühlung im Sommer an. Im Vergleich dazu braucht man in der am schlechtesten angebundenen Gemeinde Nordrhein-Westfalens, in Blankenheim in der Eifel, gerade einmal 12 Pkw-Minuten zur nächsten Abkühlung.
Winter: Weitere Fahrwege
Betrachtet man nur die bei kaltem Wetter in Frage kommenden Hallen- und Kombibäder, liegt die mittlere Erreichbarkeit in Deutschland bei knapp 6 Pkw-Minuten. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern fallen größer aus als im Sommer. Berlin, Hamburg und NRW sind mit Erreichbarkeiten von unter 5 Pkw-Minuten am besten aufgestellt. In Brandenburg dauert die Anfahrt mit dem Auto mehr als doppelt so lange. In Mecklenburg-Vorpommern sind es sogar fast 12 Minuten. In den zehn am schlechtesten an angebundenen Gemeinden (neun davon in Mecklenburg-Vorpommern) braucht man im Mittel länger als 50 Minuten. Dabei wird in über 90 Prozent der Gemeinden eine Erreichbarkeit in unter 20 Pkw-Minuten gewährleistet.
Bedeutsameres als nur die Erreichbarkeit
Die vorliegende Analyse verbessert die schwierige Datengrundlage in einem wichtigen Bestandteil der freiwilligen kommunalen Daseinsvorsorge. Dabei ist die Angemessenheitsbewertung der Anzahl an Schwimmmöglichkeiten durchaus komplex. So ist zu hinterfragen, ob die Anzahl der Bäder oder die eher als bedarfsgerecht eingeschätzte Wasserfläche entscheidend sind (Bäder Allianz, 2023). Zudem mag es in den städtischen Schwimmbädern voller sein, die Erreichbarkeit ist aber im Ländlichen besonders schwierig. Eine kurze Fahrtdauer kann wiederum ein schwacher Trost sein, wenn die Badestätte aufgrund der grundsätzlich klammen Kommunalfinanzen, der Energiekosten oder dem Personalmangel die Öffnungszeiten kürzt. Auswertungen der IW-Fachkräftedatenbank gehen im Zeitraum vom Juli 2022 bis zum Juni 2023 von einer Fachkräftelücke – offene Stellen, für die es keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt – von durchschnittlich 682 Menschen der Berufsgruppe Badeaufsicht aus. Auch hier zeigt sich jedoch ein Stadt-Land Gefälle: Praktisch keine Fachkräftelücke besteht in Berlin, Hamburg und Bremen. Jeweils 10 Prozent oder mehr der Fachkräftelücke entfällt auf die weniger dicht besiedelten Länder, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz.
Methodik und Datengrundlage
Die Standorte der deutschen Schwimmbäder wurden über die Google Maps „Places“ API (Keywords „Schwimmbad“ und „Freibad“) im November 2022 und August 2023 abgerufen. Nach Aufbereitung der Daten wurden 4.847 Schwimmbäder identifiziert. Diese Datengrundlage wurde mit Eintragungen aus dem Bäderatlas ergänzt. Schwimmbäder, die nicht bei Google oder dem Bäderatlas gelistet sind, fließen nicht in die Berechnungen ein. Dadurch können einzelne berechnete Erreichbarkeiten überschätzt sein. Auch wenn händisch kontrolliert wurde, können Orte, die bei Google fälschlicherweise als Schwimmbad eingetragen wurden, in die Berechnung einfließen, sodass Erreichbarkeiten unterschätzt werden. Die Fahrrad- und Pkw-Erreichbarkeiten werden mithilfe der „Open Source Routing Machine“ (OSRM) (Luxen/Vetter, 2011) basierend auf „OpenStreetMap“ Deutschlandkarten (OpenStreetMap Mitwirkende, 2017) berechnet. Die Bevölkerungsdaten stammen aus den 100 m x 100 m Rasterdaten des Zensus 2011. Der Mittelpunkt jeder Rasterzelle wird repräsentativ für das Raster verwendet, um die Erreichbarkeiten zu den per Luftlinie zehn geografisch nächstgelegenen Schwimmbädern zu ermitteln. Die kürzeste Fahrzeit wird mit der Bevölkerungsdichte gewichtet, um die Erreichbarkeiten auf Gemeindeebene zu berechnen. Mit OSRM wird nur die Fahrzeit ohne Verkehr gemessen. Die berechneten Fahrtdauern könnten die Anreisezeit in dichtbesiedelten Regionen mit hohem Verkehrsaufkommen unterschätzen.
Erreichbarkeit mit dem Auto im Sommer
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Erreichbarkeit mit dem Auto im Winter
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