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Jan Büchel / Armin Mertens IW-Kurzbericht Nr. 101 19. Dezember 2022 Die großen Nachfrager nach KI-Experten in Deutschland

In Deutschland ist die Nachfrage der Unternehmen nach Experten mit KI-Kompetenzen groß. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass der Großteil der KI-Stellenanzeigen jedoch lediglich von einigen wenigen Nachfragern ausgeschrieben wird.

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Die großen Nachfrager nach KI-Experten in Deutschland
Jan Büchel / Armin Mertens IW-Kurzbericht Nr. 101 19. Dezember 2022

Die großen Nachfrager nach KI-Experten in Deutschland

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

In Deutschland ist die Nachfrage der Unternehmen nach Experten mit KI-Kompetenzen groß. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass der Großteil der KI-Stellenanzeigen jedoch lediglich von einigen wenigen Nachfragern ausgeschrieben wird.

Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) sind im Alltag vieler Menschen und Unternehmen bereits angekommen. Beispielsweise bei der Gesichtserkennung im Smartphone oder wenn Produktionsschritte automatisiert und autonomisiert werden, bieten KI-Anwendungen viele Vorteile für Wirtschaft und Gesellschaft. Um die Potenziale von KI vollständig ausschöpfen zu können, benötigen Unternehmen und Forschungseinrichtungen in der Regel spezialisierte Fachkräfte, die zu KI forschen, KI-Anwendungsfälle identifizieren sowie KI-Anwendungen entwickeln und implementieren.

Neben gezielten Weiterbildungen können entsprechende Kompetenzen in den Unternehmen aufgebaut werden, indem neue Fachkräfte eingestellt werden. In welchem Umfang Arbeitgeber entsprechende Stellenanzeigen ausschreiben, kann mithilfe eines Datensatzes des Anbieters Textkernel von Online-Stellenanzeigen in Deutschland untersucht werden (Büchel/Mertens, 2022). Dabei werden Stellenanzeigen aus über 60.000 verschiedenen Quellen wie den Anzeigenportalen Indeed oder Stepstone und der Website der Bundesagentur für Arbeit für die jeweils ersten Quartale der Jahre 2019, 2020 und 2021 analysiert. KI-Stellenanzeigen werden über ein iteratives und mehrfach validiertes Wörterbuch in allen in Deutschland ausgeschriebenen Stellenanzeigen identifiziert (Büchel et al., 2021). Die folgende Analyse fokussiert nun darauf, auf wie viele Nachfrager die identifizierten KI-Stellenanzeigen verteilt sind.

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Von den insgesamt mehr als 3,6 Millionen Stellenanzeigen, die im ersten Quartal 2021 in Deutschland ausgeschrieben wurden, lassen sich 11.537 KI-Stellenanzeigen identifizieren. Das sind leicht mehr als in den Vorjahresquartalen 2020 (10.940) und 2019 (10.363). 7.003 KI-Stellenanzeigen werden dabei im Jahr 2021 ohne Vermittler abgewickelt, sodass ein eindeutiger Name des suchenden Unternehmens angegeben ist. Zunächst werden die Namen der nachfragenden Unternehmen händisch auf Doppelungen und bestehende Konzernverflechtungen überprüft. Nahezu identische Unternehmensnamen – beispielsweise, wenn sich eine Tochtergesellschaft und der Mutterkonzern nur in der Rechtsform unterscheiden – werden als ein nachfragendes Unternehmen gezählt. Die zugrundeliegende Annahme ist, dass die Unternehmenseinheiten zwar unterschiedlich sein können, aufgrund der Einbindung in den Mutterkonzern jedoch von einem Wissenstransfer innerhalb des Unternehmens ausgegangen werden kann.  

Im ersten Quartal 2021 schrieben 1.818 unterschiedliche Unternehmen 7.003 KI-Stellenanzeigen aus. Generell ist die Konzentration hoch: Pro Unternehmen werden im ersten Quartal 2021 durchschnittlich 3,9 KI-Stellenanzeigen ausgeschrieben. Neben der durchschnittlichen Betrachtung kann die Konzentration der KI-Stellenanzeigen noch detaillierter über die Lorenzkurve gemessen werden (Bamberg et al., 2009, 23-24). Dabei werden zunächst die prozentualen Anteile ermittelt, die die KI-Stellenanzeigen der einzelnen Unternehmen an allen 7.003 KI-Stellenanzeigen ausmachen. Diese Anteile werden aufsteigend sortiert, kumuliert und anschließend in der Lorenzkurve dargestellt (Abbildung). Der Vergleich zwischen Lorenzkurve und einer hypothetischen Situation, in der alle KI-Stellenanzeigen gleichverteilt auf die Nachfrager wären, gibt Aufschluss über den Grad der Konzentration: Umso größer die Fläche zwischen beiden Kurven ist, desto höher ist die Konzentration der KI-Stellenanzeigen auf einige wenige Unternehmen.

Die Werte auf der Lorenzkurve geben den kumulierten prozentualen Anteil an allen KI-Stellenanzeigen an, den die Nachfrageschwächsten bis zu dieser Stelle auf sich vereinen. Beispielsweise entfallen auf die 50 Prozent schwächsten Nachfrager nur knapp 13 Prozent aller KI-Stellenanzeigen im Jahr 2021. Bei Gleichverteilung wären es hingegen 50 Prozent. Die Steigung der Lorenzkurve ist daher zu Beginn geringer als die Steigung der Diagonalen. Das bedeutet, dass die nachfrageschwachen Unternehmen weniger KI-Stellenanzeigen ausschreiben als im Durchschnitt (3,9 KI-Stellenanzeigen) bzw. bei einer Gleichverteilung angenommen würde.

Generell haben viele Nachfrager nur geringe KI-Bedarfe und schreiben meist nur eine einzige KI-Stelle aus: 50 Prozent aller KI-Stellenanzeigen entfallen auf die 94 Prozent schwächsten Nachfrager. Demnach wird die andere Hälfte der insgesamt 7.003 KI-Stellenanzeigen von den 6 Prozent stärksten Nachfragern ausgeschrieben. Dies verdeutlicht auch der sehr steile Anstieg am Ende der Lorenzkurve. Teilweise schreiben diese Nachfrager mehrere hundert KI-Stellenanzeigen aus. Unter den 20 Unternehmen mit den höchsten KI-Bedarfen befinden sich vier IT-Dienstleister, vier Unternehmensberatungen, drei Unternehmen aus dem Bereich Handel beziehungsweise E-Commerce, drei aus dem Bereich Fahrzeugbau inklusive Zuliefererbereich sowie drei Forschungsinstitutionen. Außerdem ist jeweils ein Unternehmen aus den Bereichen Elektrotechnik und Mobilität vertreten sowie ein Unternehmen, das primär Weiterbildungen anbietet. Diese Nachfrager schrieben auch in den Vorjahresquartalen KI-Stellenanzeigen aus: 242 der 291 Nachfrager (83 Prozent), die im ersten Quartal 2021 mindestens fünf KI-Stellenanzeigen ausgeschrieben haben, hatten entweder im Jahr 2020 oder im Jahr 2019 ebenfalls KI-Stellenanzeigen ausgeschrieben, 61 Prozent sogar in beiden Vorjahresquartalen.    

Eng verwandt mit der Lorenzkurve ist der Gini-Koeffizient (Bamberg et al., 2009, 25-26), der den Konzentrationsgrad auf einer Skala von 0 bis 1 quantifiziert. Dabei wird die Fläche zwischen Lorenzkurve und Gleichverteilung in Relation zur Gesamtfläche unterhalb der Gleichverteilung gesetzt. Bei maximaler Konzentration wären beide Flächen identisch und der normierte Gini-Koeffizient nimmt den Wert 1 an. Bei vorliegender Gleichverteilung wäre der Wert entsprechend 0.

Die Berechnung des normierten Gini-Koeffizienten im ersten Quartal 2021 ergibt einen Wert von 0,63. Zu beachten ist allerdings, dass der Maximalwert von 1 nur dann erreicht würde, wenn ein Nachfrager alle KI-Stellenanzeigen ausschreibt und alle übrigen Nachfrager keine KI-Stellenanzeige schalten. Dieser Fall ist allerdings im vorliegenden Kontext nicht realistisch. Nachfrager ohne KI-Bedarfe würden im Datensatz gar nicht auftauchen. Wird für diese Besonderheit kontrolliert, bildet stattdessen folgende Situation eine realistische Obergrenze: 1.817 Nachfrager schreiben jeweils nur eine KI-Stellenanzeige aus und ein Nachfrager den Rest der KI-Stellenanzeigen. Der normierte Gini-Koeffizient beträgt in diesem Fall 0,74. Der berechnete Gini-Koeffizient von 0,63 liegt daher sehr nah an der realistischen Obergrenze, was eine hohe Konzentration der KI-Stellenanzeigen auf einige wenige Nachfrager in Deutschland verdeutlicht.

Insgesamt wäre es wünschenswert, wenn KI zukünftig noch stärker in der Breite der deutschen Wirtschaft genutzt wird. KI-Stellenanzeigen können dabei als Indikator dienen. Auf der einen Seite kann ein Anstieg der KI-Stellenanzeigen bedeuten, dass Unternehmen mit derzeit keinen oder geringen KI-Bedarfen erstmals KI-Experten suchen oder Unternehmen mit bereits hohen KI-Bedarfen ihre Ausschreibungsaktivitäten intensivieren. Auf der anderen Seite kann ein Anstieg auch Ausdruck einer erhöhten Fluktuation sein, wonach viele neue KI-Stellen gleichzeitig bedeuten, dass vorher besetzte KI-Stellen fortan nicht mehr besetzt sind. Zudem können Unternehmen auch bestehendes Personal weiterbilden oder der KI-Einsatz im Unternehmen benötigt keine zusätzlichen neuen KI-Experten. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn im Unternehmen bereits passendes Personal vorhanden ist, das neue KI-Projekte implementieren kann.

Trotz dieser Unschärfe signalisieren KI-Stellenanzeigen zunächst einmal, dass externe KI-Kompetenzen im Unternehmen benötigt werden. Werden sie von mehreren, verschiedenen Unternehmen ausgeschrieben, steigt zumindest die Wahrscheinlichkeit, dass KI vermehrt in der Breite genutzt wird. Eine Annährung der Lorenzkurve an die Gleichverteilung und somit eine Verringerung des Gini-Koeffizienten würde bedeuten, dass die Konzentration insgesamt abnimmt und die KI-Bedarfe somit ausgewogener verteilt sind. Ein Blick in die Vergangenheit deutet darauf hin: im ersten Quartal 2020 lag der normierte Gini-Koeffizient ebenfalls bei 0,63, im ersten Quartal 2019 noch bei 0,66.

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