Daten sind eine wertvolle Ressource für Unternehmen. Voraussetzung ist dabei allerdings, dass Unternehmen wissen, welche Daten sie überhaupt besitzen und dass sie diese sicher und sinnvoll digital speichern, schreibt IW-Ökonom Jan Büchel in einem Gastbeitrag für BigData-Insider.
So schöpfen Unternehmen das Potenzial ihrer Daten aus
Daten sind eine wertvolle Ressource für Unternehmen. Durch sie können Prozesse gesteuert und optimiert werden oder innovative Produkte und Dienstleistungen entstehen: Etwa können Maschinen gewartet werden, bevor sie ausfallen, Werbekampagnen zielgruppenorientierter geschaltet werden und Unternehmen über Nachfrageänderungen oder Lieferengpässe in Echtzeit informiert werden. Voraussetzung ist dabei allerdings, dass Unternehmen wissen, welche Daten sie überhaupt besitzen und dass sie diese sicher und sinnvoll digital speichern, strukturiert verarbeiten und vielfältig nutzen.
Erst dann gelten Unternehmen als „data economy ready“ und können in effektiver Weise an der Datenökonomie teilnehmen. Mithilfe von drei jährlichen Befragungen jeweils unter mehr als 1.000 Industrieunternehmen und industrienahen Dienstleistern kann das Lagebild der Data Economy Readiness in Deutschland seit 2021 nachgezeichnet werden. Dafür stuft ein Reifegradmodell Unternehmen als „data economy ready“ ein, wenn sie im Durchschnitt mindestens die Hälfte der relevanten Aspekte aus den drei Bereichen (Speichern, Verarbeiten und Nutzen von Daten) erfüllen. Die Ergebnisse haben mein Kollege Dennis Bakalis und ich in der Studie „Datennutzung und Data Sharing – Zwischen Potenzial und Realität in deutschen Unternehmen“ veröffentlicht.
Nur jedes dritte Unternehmen ist „data economy ready“
Im Jahr 2023 war lediglich jedes dritte Unternehmen in Deutschland bereit für die Datenökonomie. Positiv ist dabei, dass der Anteil seit 2021 leicht ansteigt (plus zwei Prozentpunkte jährlich). Vor allem mehr kleine und mittlere Unternehmen werden zunehmend „data economy ready“. Insgesamt nimmt der Anteil mit wachsender Unternehmensgröße zu: Mehr als sieben von zehn großen Unternehmen erfüllen im Jahr 2023 die Voraussetzungen, um Daten effizient zu bewirtschaften. Unter den kleinen Unternehmen sind es etwas weniger als ein Drittel und unter den mittleren Unternehmen zwei Drittel. Ein tieferer Einblick zeigt, dass viele Unternehmen beim Speichern ihrer Daten bereits fortgeschritten sind und etwa die Hälfte ihre Daten strukturiert verarbeitet. Viele Unternehmen nutzen ihre Daten jedoch gar nicht oder nur eher eindimensional. Demnach bleibt viel Potenzial ungenutzt, denn der tatsächliche Mehrwert von Daten entfaltet sich für Unternehmen meist erst, wenn sie vielfältig genutzt werden.
Die größten Potenziale der Datennutzung ergeben sich, wenn Unternehmen Daten aus verschiedenen Quellen kombinieren. Data Sharing ermöglicht den Zugang zu mehr Daten und somit auch vielfältigere Möglichkeiten der Datenanalyse. Beim Data Sharing können Unternehmen eigene Daten bereitstellen, die von anderen Unternehmen genutzt werden, oder sie können selbst Daten nutzen, die sie von anderen Unternehmen empfangen.
Data Sharing kann zudem unterschiedlich intensiv erfolgen: Beispielsweise können Unternehmen Daten nur vereinzelt an behördliche Stellen abgeben, weil sie rechtlich dazu verpflichtet sind. Bei anderen Unternehmen kann Data Sharing Teil des Geschäftsmodells sein, wenn Daten in besonders hoher Qualität einer Vielzahl von Unternehmen kostenpflichtig bereitgestellt werden. In den Befragungen der Jahre 2022 und 2023 waren deshalb auch Fragen zu den Data-Sharing-Aktivitäten der Unternehmen enthalten.
Seitwärtsbewegung beim Data Sharing
Die Unternehmensangaben zur Qualität und Quantität des Data Sharing haben wir in ein Modell eingespeist, das in der Folge die Intensität für die Datenabgabe und den Datenempfang der Unternehmen berechnet. Das Ergebnis: Im Jahr 2023 empfingen durchschnittlich vier von zehn Unternehmen Daten und zwei von zehn stellten anderen Unternehmen Daten zur Verfügung. Dabei teilen in etwa gleich viele Unternehmen Daten mit hoher und niedriger Intensität. Insgesamt bleibt die Verbreitung und Intensität des Data Sharing zwischen 2022 und 2023 jedoch nahezu unverändert.
Informationsasymmetrien zu möglichen Transaktionspartnern, die im Jahr 2022 als Hemmnisse für mehr Data Sharing festgestellt wurden, sowie weitere Hemmnisse, die gerade auch aufgrund rechtlicher Bedenken entstehen, scheinen noch nicht überwunden zu sein. Ein tieferer Einblick in das Antwortverhalten der Unternehmen offenbart, dass sich vor allem noch Potenzial beim automatisierten Datenteilen in Echtzeit und bei eher fortgeschrittenen Datenqualitätskriterien zeigt. Die Motive des Data Sharing sind vielschichtig mit Fokus auf datenbasierte Prozessoptimierung gerade in der Produktion. Grundsätzlich werden dabei zwar viele Datenarten digital gespeichert, in hohem Umfang werden aber einzig Produktdaten geteilt.
Data Economy Readiness und Data Sharing begünstigen sich gegenseitig
Werden die Ergebnisse der Data Economy Readiness und des Data Sharing zusammengebracht, zeigt sich ein positiver Zusammenhang: Unternehmen, die Daten mit hoher Intensität teilen, speichern im Durchschnitt ebenfalls mehr Datenarten digital, verarbeiten Daten strukturierter und nutzen Daten vielfältiger. Der Zusammenhang ist insofern plausibel, als dass Datenteilen einerseits selbst einen Nutzungszweck von Daten darstellt. Andererseits ist es besonders einfach, Daten intensiv zu teilen, wenn sie im Unternehmen strukturiert verarbeitet oder in hohem Umfang digital gespeichert werden.
Dennoch ist nicht offensichtlich, ob die Data Economy Readiness eher ein intensives Data Sharing begünstigt oder andersherum. Beide Wirkungsrichtungen sind theoretisch denkbar: Unternehmen können auf der einen Seite durch die Data Economy Readiness erst in der Lage sein, Daten überhaupt intensiv zu teilen. Auf der anderen Seite kann beispielsweise ein intensiver Datenempfang gewisse Standards wie Datenqualitätskriterien oder Echtzeitübertragung etablieren, die daraufhin bei der eigenen Datenbewirtschaftung adaptiert werden und so die Data Economy Readiness stärken. Da sich die Effekte gegenseitig verstärken, gibt dies Hoffnung, dass Unternehmen in Deutschland die Chancen der Datenökonomie in Zukunft noch stärker nutzen, gerade in Bezug auf eine vielfältigere Datennutzung und intensiveres Data Sharing.
Unser Fazit: Erste Potenziale der Datenbewirtschaftung und des Data Sharing werden erfolgreich ausgeschöpft. Perspektivisch sollte es gelingen, die Chancen des Data Sharing noch stärker zu vermitteln, zusätzliche Anreize beispielsweise über niedrigschwellige digitale Vertragsgeneratoren zu schaffen und insbesondere die bestehenden rechtlichen Hemmnisse abzubauen. Dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Potenziale von Daten in Zukunft noch stärker ausgeschöpft werden, sich mehr Unternehmen in Deutschland am Data Sharing beteiligen und auch die Intensität des Data Sharing zunimmt. Das ist gesamtwirtschaftlich wichtig, damit mehr datengetriebene Innovationen in Deutschland entstehen sowie Unternehmen effizienter wirtschaften und so ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken können.
Data Sharing in Deutschland: Theorie, Empirie und europäische Gesetzgebung
Das Teilen von Daten kann die Wohlfahrt einer Volkswirtschaft steigern – muss sie aber nicht. Jedenfalls nimmt Data Sharing bei deutschen Unternehmen zu. Diese Entwicklung wird nicht zuletzt von der europäischen Gesetzgebung beeinflusst.
IW
Experten sind besonders nah an KI
Früher haben Digitalisierungstechnologien eher Helfer und Fachkräfte ersetzt als Höherqualifizierte. Durch die Fortschritte der künstlichen Intelligenz (KI) sind zunehmend Spezialisten und Experten betroffen.
IW