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Hubertus Bardt / Michael Grömling / Ilaria Maselli IW-Kurzbericht Nr. 2 21. Januar 2022 Verbrauchervertrauen: Erneuter Rückgang, aber auf Normalniveau

Mit der vierten Corona-Welle ist das Verbrauchervertrauen in Deutschland merklich gesunken. Die erneuten Restriktionen und Sorgen wegen der Pandemie schränken die Konsumaktivitäten ein, besonders Branchen wie die Gastronomie oder Veranstaltungsbetriebe leiden darunter. Das TCB-IW-Verbrauchervertrauen hat aber im vierten Quartal 2021 kein Krisenniveau erreicht. Vielmehr ist die Stimmung der Konsumenten wie vor der Corona-Zeit.

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Erneuter Rückgang, aber auf Normalniveau
Hubertus Bardt / Michael Grömling / Ilaria Maselli IW-Kurzbericht Nr. 2 21. Januar 2022

Verbrauchervertrauen: Erneuter Rückgang, aber auf Normalniveau

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Mit der vierten Corona-Welle ist das Verbrauchervertrauen in Deutschland merklich gesunken. Die erneuten Restriktionen und Sorgen wegen der Pandemie schränken die Konsumaktivitäten ein, besonders Branchen wie die Gastronomie oder Veranstaltungsbetriebe leiden darunter. Das TCB-IW-Verbrauchervertrauen hat aber im vierten Quartal 2021 kein Krisenniveau erreicht. Vielmehr ist die Stimmung der Konsumenten wie vor der Corona-Zeit.

Am Ende des zweiten Corona-Jahres sind die Verbraucher in Deutschland zuversichtlich. Dies zeigt das aktuelle TCB-IW-Verbrauchervertrauen. Der Indikator wird im Rahmen des weltweiten Global Consumer Confidence Survey erhoben und gemeinsam von The Conference Board (TCB) und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) veröffentlicht (Bardt et al., 2019). Er ermittelt das Verbrauchervertrauen durch Einschätzungen zu Beschäftigungsperspektiven, Finanzlage und Kaufgelegenheit der Konsumenten.

Der starke Einbruch der Konsumstimmung im zweiten Quartal 2020 war im Frühjahr 2021 wieder ausgeglichen. Das Verbrauchervertrauen erreichte sogar das Niveau des Boomjahres 2018. Die Öffnungen nach den erneuten Einschränkungen im Winterhalbjahr 2020/2021 ließen die Stimmung der Konsumenten enorm ansteigen, zumal sich einiges an Konsumwünschen in den Wintermonaten aufgestaut hatte. Dementsprechend stiegen die Konsumausgaben in Deutschland kräftig an. Im dritten Quartal 2021 erreichte der preisbereinigte Konsum zwar noch nicht das Niveau von 2019, aber zumindest das Niveau des ersten Quartals 2020, als die Pandemie nach und nach einsetzte und im März zum Lockdown führte.

Das hohe Verbrauchervertrauen vom zweiten und dritten Quartal 2021 konnte im Schlussquartal jedoch nicht mehr gehalten werden. Der Stimmungsindex fiel von 107 auf 103 Punkte (Abbildung). Trotz des erneuten Aufflammens der Pandemie und weiterer restriktiver Maßnahmen befindet sich das Verbrauchervertrauen auf einem zuversichtlichen Vorkrisenniveau. Wie sehr die Pandemie aber nach wie vor wirkt, zeigt sich daran, dass unter den größten Sorgen der Konsumenten in Deutschland die eigene Gesundheit und die der Familie am häufigsten genannt werden – von 15 Prozent der Befragten. Der Klimawandel, in der Wahlkampfzeit noch mit Abstand die häufigste Sorge, fiel auf den zweiten Platz zurück.

Bei den Einzelkomponenten des TCB-IW-Verbrauchervertrauens zeigt sich keine einheitliche Abwärtsbewegung (Abbildung):

  • Beschäftigungsperspektiven: Trotz des erneut ansteigenden Infektionsgeschehens und der damit verbundenen Verunsicherungen haben sich die Beschäftigungsperspektiven der Konsumenten in Deutschland weiter verbessert. Der Saldo aus posi-tiven und negativen Antworten der befragten Verbraucher stieg von 20 auf 24 Prozentpunkte an, was in etwa dem Niveau von Ende 2019 entspricht. In den Aufschwungjahren 2017 bis 2019 war gleich-wohl ein Saldo von 35 bis 40 Punkten üblich. Dieses insgesamt zuversichtliche Arbeitsmarktbild der Konsumenten deckt sich mit den optimistischen Beschäftigungserwartungen der Unternehmen für das Jahr 2022 (Grömling, 2021).
  • Finanzlage: Die Selbsteinschätzung zur eigenen Finanzlage der Konsumenten hat sich hingegen wieder verschlechtert. Der Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen sank im vierten Quartal 2021 deutlich von 27 auf 16 Prozentpunkte. Im längerfristigen Vergleich ist dies weiterhin ein guter Wert. Der Hintergrund hierfür dürften die aktuell hohen Inflationsraten sein, die die Realeinkommen und Kaufkraft schwächen. Im Durchschnitt des vierten Quartals 2021 lagen die Verbraucherpreise in Deutschland um rund 5 Prozent über dem Vorjahresniveau – zum Teil auch wegen des vor einem Jahr deutlich abgesenkten Mehrwertsteuersatzes. Besonders ältere und einkommensschwächere Haus-halte sind von dieser aktuell hohen Teuerung stärker betroffen (Demary et al., 2021).
  • Kaufgelegenheit: Entsprechend zu den Kaufkraftverlusten infolge der Preissteigerungen haben sich auch die Perspektiven verschlechtert, ob aktuell eine gute Zeit für Anschaffungen ist. Der Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen zur Kaufgelegenheit ging von 9 auf 3 Punkte zurück. Damit ist dieser Teilbereich des TCB-IW-Verbrauchervertrauens vom Niveau der konsumstarken Jahre 2018 und 2019 – welches im dritten Quartal 2021 wieder erreicht wurde – auf die Größenordnung von Ende 2019 zurückgegangen.
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Das starke Ansteigen der Infektionen – verschärft durch den nahtlosen Übergang von der vierten in die fünfte Pandemie-Welle – führt zu einem erneuten Nachfrageschock. Ein Teil des Konsums kann auch im Winterhalbjahr 2021/2022 wegen eingeschränkter Kauf- und Konsumgelegenheiten nicht realisiert werden. Gleichwohl werden die erwarteten Auswirkungen derzeit deutlich moderater eingeschätzt als im letzten Winterhalbjahr (IW-Forschungsgruppe Gesamtwirtschaftliche Analysen und Konjunktur, 2021). Besonders betroffen von den aktuellen Einschränkungen sind die Gastronomie und der stationäre Einzelhandel. In der Gastronomie wird mit Umsatzausfällen in Milliardenhöhe gerechnet, für den stationären Handel dürften sich die monatlichen Umsatzverluste auf gut 5 Milliarden Euro belaufen (Rusche, 2021). Teilweise wird dies vom Online-Handel kompensiert und damit schlägt der nochmalige Nachfrageschock nicht in vollem Umfang auf die gesamten Konsumausgaben durch.

Der Konsum von langlebigen Konsumgütern wie von Fahrzeugen oder Elektronikartikeln ist nicht nur wegen eingeschränkter Kaufgelegenheiten, sondern zusätzlich infolge von Lieferkettenstörungen und längeren Wartezeiten beeinträchtigt. In Teilen werden diese Produktions- und Angebotsprobleme das gesamte Jahr 2022 betreffen (Bardt/Grömling, 2021). Trotz der aufgestauten Bedürfnisse – alimentiert durch die hohen Sparpolster der Privaten Haushalte – wird auch dieses Angebotsproblem die Dynamik des Konsums in Deutschland zunächst zurückhalten.

Die Befragung zeigt, dass die Inflationssorgen etwas nachgelassen haben: 11 Prozent der Haushalte betrachten sie als ihre größte Sorge in den nächsten sechs Monaten, gegenüber 14 Prozent im dritten Quartal. Die Haushalte haben verstärkt begonnen, Maßnahmen zu ergreifen. 53 Prozent der Befragten (gegenüber 40 Prozent im dritten Quartal) geben an, dass sie versuchen, Energiekosten einzusparen, auch wenn sich die Aussichten wieder verbessern.

Eine Eintrübung der Konsumentenstimmung ist ebenfalls in anderen europäischen Ländern zu beobachten. Die wieder ansteigenden Infektionszahlen, die damit einhergehenden Verunsicherungen und Einschränkungen sowie die aufgezeigten Angebotsbeschränkungen infolge gestörter Liefer- und Produktionsnetzwerke sind ein länderübergreifendes Phänomen. Innerhalb der Europäischen Union waren im vierten Quartal 2021 allenfalls in Schweden, Frankreich und Italien Verbesserungen beim Verbrauchervertrauen zu verzeichnen. Die gestiegene Stimmung geht vor allem auf positivere Beschäftigungsaussichten zurück. In den stark von Corona-Infektionen betroffenen Ländern Mittel- und Osteuropas und in den Niederlanden kam es hingegen zu einem zweistelligen Rückgang beim Konsumvertrauen. Die Corona-Pandemie – vor allem die schnelle Ausbreitung der Omikron-Variante – erweist sich weiterhin als ein substanzielles Stimmungs- und Konsum-risiko.

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