Nach dem Corona-Schock vom Frühjahr 2020 haben sich der private Konsum und das Verbrauchervertrauen in Deutschland wieder erholt und die Lücken zum Normalniveau haben sich deutlich reduziert. Als eines von wenigen Ländern sieht es bei allen Dimensionen des TCB-IW-Verbrauchervertrauens besser aus als im Frühjahr.
Beschäftigungssorgen dämpfen Konsumlaune
IW-Kurzbericht
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Nach dem Corona-Schock vom Frühjahr 2020 haben sich der private Konsum und das Verbrauchervertrauen in Deutschland wieder erholt und die Lücken zum Normalniveau haben sich deutlich reduziert. Als eines von wenigen Ländern sieht es bei allen Dimensionen des TCB-IW-Verbrauchervertrauens besser aus als im Frühjahr.
Die Finanzlage wurde im Schlussquartal 2020 von den Konsumenten als normal bewertet. Dagegen sorgten die weiterhin eingetrübten Arbeitsmarktaussichten für Zurückhaltung, auch wenn die Kurzarbeit einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit verhinderte. Die erneute Infektionswelle, die damit einhergehende Zurückhaltung und die Lockdown-Maßnahmen können die Stimmung der Konsumenten aber wieder in den Keller schicken.
Die Corona-Krise ließ im Frühjahr 2020 die Stimmung der Verbraucher weltweit einbrechen. Die Unwägbarkeiten über den Pandemie-Verlauf, die Lockdown-Maßnahmen und die globalen wirtschaftlichen Verwerfungen haben zu erheblichen Verunsicherungen über die weitere wirtschaftliche Entwicklung geführt. Wenn Angst über die Sicherheit der Arbeitsplätze und die zukünftigen Einkommen vorherrscht, muss ein Rückschlag der Konsumkonjunktur befürchtet werden. Gerade langlebige und hochwertige Gebrauchsgüter können später angeschafft werden. Die Verdopplung der Sparquote der privaten Haushalte in Deutschland auf 20 Prozent im zweiten Quartal spiegelt dieses Vorsichtsverhalten wider. Dieser Nachfrageausfall trifft jene Unternehmen hart, die aufschiebbare Konsumgüter anbieten. Konsumzurückhaltung verschärft dann die konjunkturelle Krise. Die konjunkturpolitischen Maßnahmen ab Frühsommer 2020 hatten die Aufgabe, genau solche sich selbst verschärfende Prozesse zu stoppen.
In Deutschland haben sich privater Konsum und Verbrauchervertrauen im Jahresverlauf 2020 wieder erholt. Lagen die Konsumausgaben im zweiten Quartal noch um 13 Prozent unter dem Vorjahresniveau, so konnte die Konsumlücke im dritten Quartal bereits bis auf –3,7 Prozent reduziert werden. Der krisenbedingte Rückgang beim deutschen Verbrauchervertrauen vom Frühjahr 2020 konnte bis zum Herbst zu zwei Dritteln wieder ausgeglichen werden: Das TCB-IW-Verbrauchervertrauen – vom Befragungsunternehmen Nielsen im Rahmen des Global Consumer Confidence Survey erhoben und gemeinsam von The Conference Board (TCB) und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) publiziert (Bardt et al., 2019) – ist in der Frühjahrskrise von 101,5 Punkten auf 86,8 Punkte gefallen. Zum Jahresende 2020 lag der Index wieder bei 96,1 Punkten – das dritte Quartal konnte nicht erhoben werden.
Diese Erholung beim deutschen Verbrauchervertrauen darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass erstens das aktuelle Niveau weiterhin deutlich unter den früheren Normalwerten liegt (Abbildung links). Zweitens schlagen sich darin noch nicht die zum Jahreswechsel stark ansteigenden Infektionen und die erneut verschärften Lockdown-Regeln nieder. Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Rückkehr des Verbrauchervertrauens in Deutschland jedoch bemerkenswert: Der Anstieg um fast 10 Punkte war der zweithöchste in Europa. Zum Befragungszeitraum im November waren die Lockdown-Maßnahmen in Deutschland aber auch weniger streng als in vielen Nachbarländern.
Die Komponenten, auf denen das TCB-IW-Verbrauchervertrauen basiert, entwickelten sich bis zum vierten Quartal 2020 sehr unterschiedlich, teilweise erreichten sie bereits wieder ihr Normalniveau (Abbildung rechts):
- Nachdem die eigene Einschätzung der Beschäftigungsperspektiven der Verbraucher nach dem ersten Corona-Schock im Frühjahr geradezu ins Bodenlose gefallen war, kam es im Jahresverlauf 2020 zu einer moderaten Erholung – obwohl der deutsche Arbeitsmarkt bisher nur einen überschaubaren Anstieg der Arbeitslosigkeit zeigt und auch die Kurzarbeit wieder kräftig zurückgegangen ist. Zunächst war in der ersten Jahreshälfte der Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen von +16 Prozentpunkten auf extrem pessimistische –42 Punkte abgestürzt. Seitdem ist der Pessimismus nur leicht schwächer geworden. Immer noch ist der Anteil der Befragten mit schlechten Aussichten um knapp 29 Prozentpunkte höher als der Anteil der Optimisten: Knapp zwei Drittel der Konsumenten hatten im Schlussquartal 2020 weniger gute oder sogar schlechte Jobperspektiven, nur ein Drittel hatte positive Beschäftigungsaussichten.
- Im Gegensatz zu den weiterhin eingetrübten Arbeitsmarkterwartungen steht die gute Bewertung der eigenen Finanzlage. Diese ist wieder auf dem Normalniveau der Vorjahre angekommen. Der Saldo aus Positiv- und Negativbewertungen war in der Frühjahrskrise nur leicht von knapp +13 auf fast +10 Prozentpunkte gefallen und ist inzwischen auf einen Wert von gut +19 Punkte angestiegen. Hierin spiegelt sich auch wider, dass die stärksten Einkommensfolgen und mögliche negative Verteilungswirkungen der Krise durch umfassende staatliche Ausgleichszahlungen in erheblichem Maß abgemildert wurden (Beznoska et al., 2020a).
- Erfreulich verbessert hat sich ebenfalls die Anschaffungsneigung. Die Hälfte der befragten Konsumenten in Deutschland konstatierte zuletzt einen guten Zeitpunkt für den Kauf von Konsumgütern. Dies nährt sich sicherlich auch aus den aufgestauten Ersparnissen. Mit einem positiven Saldo von +5 Prozentpunkten wurde damit nach einem zwischenzeitlichen Rückgang auf über –15 Punkte im Frühjahr 2020 das Vorkrisenniveau wieder erreicht. Im Vergleich der letzten Jahre liegt die Anschaffungsneigung damit wieder auf einem mittleren Niveau. Die Mehrwertsteuersenkung bis Ende 2020, die durch Preissenkungen auch bei den Verbrauchern wahrnehmbar angekommen ist, hat hierzu einen Beitrag geleistet (Beznoska et al., 2020b).
Die weiteren konjunkturellen Aussichten werden von den Konsumenten eher skeptisch gesehen. Ein Drittel der Verbraucher glaubt, dass Deutschland Ende 2021 noch in der Rezession sein wird. Knapp 40 Prozent sehen das positiver. Damit zeigen sich die Konsumenten skeptischer als die Unternehmen und Wirtschaftsforscher (Grömling, 2020). Die mit dem TCB-IW-Verbrauchervertrauen gemessene Verbesserung des Konsumklimas zum Jahresende 2020 bildet die erneut verschärften Lockdown-Regeln im Dezember jedoch noch nicht ab. Solange es gelingt, die wirtschaftlichen Folgen der erneuten Infektionswelle und des darauf reagierenden Lockdowns im Winterhalbjahr zu begrenzen, kann ebenso der Konsum stabilisierend auf die Gesamtwirtschaft wirken. Ein erneuter Einbruch des Verbrauchervertrauens würde dagegen die gesamtwirtschaftliche Krisenlage weiter verschärfen und die Erholung verschieben.
Hubertus Bardt / Michael Grömling / Ilaria Maselli: Verbrauchervertrauen auf der Kippe
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