Dieser KOFA Kompakt-Fachkräftereport untersucht zum einen die langfristige Arbeitsmarktentwicklung im Vergleich zu den Septemberwerten der vergangenen zehn Jahre. Zum anderen werden die Veränderungen am deutschen Arbeitsmarkt im dritten Quartal 2021 näher beleuchtet, das bedeutet, die Entwicklung der Monate Juli bis September. Es zeigt sich, dass durch die wieder angestiegene Arbeitskräftenachfrage auch Fachkräfteengpässe wieder steigen.
KOFA Kompakt 9/2021: Der Fachkräftemangel nimmt wieder zu
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Dieser KOFA Kompakt-Fachkräftereport untersucht zum einen die langfristige Arbeitsmarktentwicklung im Vergleich zu den Septemberwerten der vergangenen zehn Jahre. Zum anderen werden die Veränderungen am deutschen Arbeitsmarkt im dritten Quartal 2021 näher beleuchtet, das bedeutet, die Entwicklung der Monate Juli bis September. Es zeigt sich, dass durch die wieder angestiegene Arbeitskräftenachfrage auch Fachkräfteengpässe wieder steigen.
Zahl offener Stellen über Vorkrisenniveau
Die Zahl der saisonbereinigten offenen Stellen überstieg im September 2021 den Vorjahreswert um 42,0 Prozent und lag sogar gut 8 Prozent über dem Wert des Vorkrisenjahres 2019.
Allein im dritten Quartal 2021 stieg die Zahl offener Stellen über alle Anforderungsniveaus hinweg um knapp 13 Prozent. Am stärksten stiegen seit Juni 2021 die offenen Stellen für Helfer/-innen ohne formale Qualifikation (plus 19,6 Prozent), gefolgt von Spezialist/-innen mit Meister-, Techniker-, oder Bachelorabschluss (plus 13,2 Prozent).
Die Zahl offener Stellen für Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung sowie für akademisch qualifizierte Expert/-innen ist im Vergleich zum Juni 2021 jeweils um gut 12 Prozent gestiegen.
Die Zahl der Arbeitslosen ist im September 2021 im Vergleich zum Vorjahreswert von 2020 um 12,7 Prozent gesunken, lag aber noch über dem Wert des Vorkrisenjahres 2019. Die Arbeitslosenquote sank im September 2021 auf 5,4 Prozent, ebenso sank die Inanspruchnahme von Kurzarbeit.
Fachkräftemangel nimmt in allen Berufsbereichen wieder zu
Die steigende Zahl der offenen Stellen zeigt, dass die Unternehmen wieder mehr Mitarbeitende suchen. Während durch die Corona-Pandemie zunächst ein Rückgang der Fachkräfteengpässe zu beobachten war, nehmen seit Beginn des Jahres 2021 Engpässe wieder kontinuierlich zu, sodass sie im dritten Quartal wieder deutlich sichtbar waren. So fehlten im September 2021 knapp 390.000 Fachkräfte, etwa 100.000 mehr als noch im Juni 2021 und sogar gut 50.000 mehr als zum Krisenbeginn im März 2020. Wird der gesamte deutsche Arbeitsmarkt im Aggregat betrachtet, stieg die Stellenüberhangsquote – also der Anteil an offenen Stellen, für die es bundesweit keine passend qualifizierten Arbeitslosen gab – von 21,0 Prozent im Januar 2021 auf 25,3 Prozent im Juli und auf 29,2 Prozent im September.
In den Berufsbereichen „Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung“ sowie Bau, „Architektur, Vermessung und Gebäudetechnik“ konnte im September sogar über die Hälfte aller offenen Stellen bundesweit rechnerisch nicht besetzt werden, da passend qualifizierte Arbeitslose fehlten (s. Abbildung 3).
Die Erholung auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich in fast allen Berufsbereichen. So liegt im September 2021 die Zahl der offenen Stellen in fast allen Berufsbereichen über dem Vorkrisenniveau vom März 2020. Lediglich der Berufsbereich „Sprach-, Literatur-, Geistes-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Medien, Kunst, Kultur und Gestaltung“ lag noch zwei Prozent unterhalb des Wertes vor Beginn der Corona-Pandemie.
In den Monaten Juli bis September 2021 wuchs die Arbeitskräftenachfrage besonders stark im Bereich „kaufmännische Dienstleistungen, Warenhandel, Vertrieb, Hotel und Tourismus“ (plus 20,7 Prozent) an. Im Vergleich zum Krisenbeginn im März 2020 stieg die Zahl der saisonbereinigten offenen Stellen besonders im Bereich der „Naturwissenschaft, Geografie und Informatik“ (plus 27,8 Prozent).
Stellenzuwächse insbesondere in der IT sowie der Tourismus- und Veranstaltungsbranche
Zwischen Juni und September 2021 stieg die Zahl saisonbereinigter offener Stellen insbesondere in IT-Berufen sowie in Berufen der Veranstaltungsbranche (Tabelle 1). Da die IT-Branche vergleichsweise wenig durch die Corona-Krise beeinträchtigt wurde und aktuell deutliche Stellenzuwächse zu verzeichnen waren, lag die Zahl offener Stellen im September 2021 in allen vier hier abgebildeten IT-Berufen saisonbereinigt sogar deutlich über dem Vorkrisenniveau. Anders gestaltet sich die Situation in der Veranstaltungsbranche: Hier waren aufgrund der Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen teilweise große Stellenrückgänge zu verzeichnen. Da Theatervorstellungen und andere Veranstaltungen wieder möglich sind, stieg auch die Nachfrage nach Fachkräften in diesem Bereich zwischen Juni und September 2021 wieder stark an. Dennoch lag die Zahl saisonbereinigter offener Stellen teilweise noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau vom März 2020. Beispielsweise gab es im September 2021 knapp 75 Prozent mehr Stellen für Fachkräfte der Veranstaltungs- und Bühnentechnik als noch im Juni 2021, aber immer noch knapp 25 Prozent weniger als vor Beginn der Corona-Krise im März 2020.
Die größte prozentuale Veränderung der saisonbereinigten offenen Stellen gab es im dritten Quartal 2021 bei Fachkräften des technischen Luftverkehrsbetriebs. Mit dem Rückgang des Corona-Infektionsgeschehens hat vermutlich die Reisetätigkeit wieder zugenommen, sodass die Unternehmen ihre Zahl offener Stellen für diese Fachkräfte innerhalb von drei Monaten mehr als verdoppelt haben. Trotz dieses großen Anstiegs ist das Vorkrisenniveau noch lange nicht erreicht. Die Zahl der offenen Stellen liegt immer noch um 30,8 Prozent niedriger als im März 2020.
In allen Top-Berufen mit dem größten Stellenzuwachs in den letzten drei Monaten hat sich die Engpassrelation deutlich verschlechtert. Fünf der aktuell sechs Engpassberufe (s. rot gefärbte Engpassrelation in Tabelle 1) in dieser Liste wiesen im Juni 2021 noch keine Fachkräfteengpässe auf. Lediglich bei Expert/-innen der technischen Informatik fehlten bereits im Juni 2021 rechnerisch passend qualifizierte Arbeitslose, um alle bundesweit offenen Stellen besetzen zu können.
Stellenrückgänge im Gesundheitsbereich sowie in der Verwaltung
In einigen Berufen – insbesondere im Gesundheitsbereich sowie in der Verwaltung – ist die Zahl offener Stellen im dritten Quartal zurückgegangen. Die Justizverwaltung verzeichnete mit minus 37,4 Prozent den stärksten Stellenrückgang zwischen Juni und September 2021 (Tabelle 2). Allerdings weist dieser Beruf – wie auch viele andere der Top-Berufe mit dem größten Stellenrückgang in den letzten drei Monaten – nur vergleichsweise wenige offene Stellen auf; im September 2021 waren es 165 Stellen. In Berufen mit einer geringen Anzahl offener Stellen führt bereits eine kleine absolute Veränderung zu einer starken prozentualen Veränderung.
Auffällig ist, dass sogar drei Berufe aus dem Gesundheitsbereich unter den Top-Berufen mit dem größten Stellenrückgang in den letzten drei Monaten zu finden sind: Spezialist/-innen für Medizintechnik, Fachkrankenpfleger/-innen sowie Ärzte/-innen sonstiger Spezialisierung. Letztere stehen beispielsweise für Sport- und Arbeitsmediziner/-innen. Der leichte Rückgang der offenen Stellen in den beiden letztgenannten Berufen hat jedoch nichts daran geändert, dass in diesen Berufen weiterhin starke Engpässe bestehen. In der Fachkrankenpflege beispielsweise kamen zuletzt bundesweit rein rechnerisch nur 23 passend qualifizierte Arbeitslose auf 100 offene Stellen (Engpassrelation). Hier gab es auch trotz des Stellenrückgangs keinerlei Entspannung auf dem Arbeitsmarkt.
Eine besondere Entwicklung ist bei Spezialist/-innen der IT-Organisation zu beobachten. Zwar ist hier im dritten Quartal zwischen Juni und September 2021 ein leichter Stellenrückgang zu verzeichnen, jedoch ist die Engpassrelation im selben Zeitraum gesunken. Kamen im Juni 2021 noch 385 Arbeitslose auf 100 offene Stellen bundesweit, waren es im September 361. Demnach ist hier die Zahl der Arbeitslosen stärker zurückgegangen als die Zahl der offenen Stellen. Dennoch bestehen in diesem Beruf noch keine Fachkräfteengpässe.
Bei Berufen für Spezialist/-innen mit Fortbildungs- oder Bachelorabschluss gab es im September 2021 insgesamt nur vier Berufe, die einen Stellenrückgang aufwiesen und das Relevanzkriterium von mindestens 100 offenen Stellen in der jeweiligen Region (hier Bund) im Jahresdurchschnitt erfüllt haben.
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