Das Thema „Fachkräfteengpässe” ist in der öffentlichen Diskussion allgegenwärtig. Bedingt durch die anhaltend geringen Geburtenraten wird das Erwerbspersonenpotenzial – je nach Stärke der Zu- und Abwanderung – von derzeit 49 Millionen bis zum Jahr 2035 auf schätzungsweise 41 bis 43 Millionen Erwerbstätige zurückgehen. Zudem verstärken die Auswirkungen der Rente mit 63 zunehmend die Knappheiten am Arbeitsmarkt.
KOFA-Studie 2/2015: Fachkräfteengpässe in Unternehmen – Geschlechterunterschiede in Engpassberufen
Gutachten für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Das Thema „Fachkräfteengpässe” ist in der öffentlichen Diskussion allgegenwärtig. Bedingt durch die anhaltend geringen Geburtenraten wird das Erwerbspersonenpotenzial – je nach Stärke der Zu- und Abwanderung – von derzeit 49 Millionen bis zum Jahr 2035 auf schätzungsweise 41 bis 43 Millionen Erwerbstätige zurückgehen. Zudem verstärken die Auswirkungen der Rente mit 63 zunehmend die Knappheiten am Arbeitsmarkt.
Fachkräfteengpässe verfestigen sich: Anhaltende Fachkräfteengpässe sind in 96 Berufsgattungen zu verzeichnen
Zwischen August 2011 und April 2015 bestanden in 96 von 619 analysierten Berufsgattungen anhaltende Fachkräfteengpässe. Die meisten dieser dauerhaft durch Engpässe charakterisierten Berufe gab es mit 20 Berufsgattungen im Berufsfeld „Gesundheit, Soziales und Bildung“. In den Berufsfeldern „Bau- und Gebäudetechnik“ sowie „Energie, Elektro und Mechatronik“ bestanden mit 15 beziehungsweise 13 Engpassberufen ebenfalls viele Knappheiten. Anhaltende Engpässe bestehen, wenn die Zahl an registrierten Arbeitslosen mit diesem Zielberuf im gesamten Betrachtungszeitraum nicht ausreicht, um alle offenen Stellen zu besetzen. Für die Berechnung wurden Durchschnittswerte der Engpassrelationen von August bis Juli eines Jahres gebildet. Für das vierte Jahr wurden neun Monate (August bis April) berücksichtigt. Nur, wenn in allen vier Betrachtungszeiträumen im Durchschnitt weniger als 200 Arbeitslose auf je 100 gemeldete offene Stellen kommen, wird von einem Beruf mit anhaltendem Engpass gesprochen. Der Grund liegt darin, dass nur etwa jede zweite offene Stelle bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldet wird.
Männertypische Berufe sind stärker von Engpässen betroffen als frauentypische Berufe
Von den 5,05 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in Berufen mit anhaltenden Engpässen arbeiten, sind 3,23 Millionen männlich. Dieses Verhältnis spiegelt sich auch in der Struktur der Engpassberufe wider: Von den 96 Berufsgattungen mit anhaltenden Fachkräfteengpässen handelt es sich bei 64 um männertypische und bei 17 um frauentypische Berufe. Damit waren 23 Prozent aller männertypischen und 14 Prozent aller frauentypischen Berufe von Knappheiten betroffen. Ein frauen- oder männertypischer Beruf ist dadurch gekennzeichnet, dass mehr als 70 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einem Geschlecht angehören. Lediglich 15 Engpassberufe weisen einen vergleichsweise ausgeglichenen Frauen- und Männeranteil auf. Damit waren nur sieben Prozent aller gemischten Berufe von Engpässen betroffen. Engpassberufe sind somit häufiger durch ein Geschlecht dominiert als andere Berufe.
In frauentypischen Berufen bestehen die größten Engpässe im Gesundheitswesen
Neun der zehn frauentypischen Berufe mit den stärksten Engpässen stammen aus dem Berufsfeld „Gesundheit, Soziales und Bildung“. Besonders starke Engpässe lassen sich für Berufe der Gesundheits- und Altenpflege identifizieren. So gehören die Fachkrankenpflege, die Altenpflege sowie die Gesundheits- und Krankenpflege zu den frauentypischen Berufen mit den größten gemessenen Knappheiten. Hinzu kommen weitere Gesundheitsberufe der Sprach-, und Physiotherapie, der Augenoptik, der medizinisch-technischen Radiologie sowie Aufsichtskräfte der Erziehung, Sozialarbeit und Heilerziehung.
Engpässe in Gesundheitsberufen könnten durch eine Ausweitung der Arbeitszeiten gemildert werden …
Von den insgesamt knapp 5,05 Millionen Fachkräften in Berufen mit anhaltenden Engpässen arbeitet eine Million Fachkräfte in Teilzeit. Der größte Teil davon entfällt auf Fachkräfte im Berufsfeld „Gesundheit, Soziales und Bildung“. In den Engpassberufen dieses Berufsfeldes arbeiteten 670.000 Fachkräfte mit reduzierten Wochenstunden. Alleine 286.000 Teilzeitbeschäftigte sind in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie 118.000 in der Altenpflege zu verzeichnen. Bereits die Ausweitung der Arbeitszeit bei einem Teil der Beschäftigten stellt Potenzial dar, um derzeitigen Engpässen entgegenzuwirken. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nach Angaben des Statistischen Bundesamtes etwa 15 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten ihre Arbeitszeiten tatsächlich aufstocken möchten. Die Möglichkeiten, aber auch der grundsätzliche Wunsch, die Arbeitszeit auszuweiten, könnten größer ausfallen, wenn die Infrastruktur zur Kinderbetreuung an Kindertagesstätten und Schulen weiter ausgebaut würde und so weiteren Beschäftigten eine Aufstockung ihrer Arbeitszeiten ermöglicht wird.
… und durch eine stärkere Einbindung von männlichen Beschäftigten
Im Berufsfeld „Gesundheit, Soziales und Bildung“ gibt es 20 Berufsgattungen mit anhaltenden Fachkräfteengpässen. 15 davon sind frauentypische Berufe. Zahnmedizinische Fachangestellte sind zu 99,5 Prozent weiblich, Aufsichtskräfte der Erziehung, Sozialarbeit und Heilerziehung zu 95,9 Prozent und Sprachtherapeuten zu 93,9 Prozent. Auch die quantitativ sehr bedeutsamen Tätigkeiten der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Altenpflege werden mit 86,7 Prozent beziehungsweise 84,7 Prozent überwiegend von Frauen durchgeführt. Dies bedeutet, dass auch durch die Gewinnung von mehr Männern für diese Berufe Potenzial besteht, um Engpässe abzumildern. Allerdings stehen dem nach wie vor tradierte Rollenbilder und ein vergleichsweise unflexibles Berufswahlverhalten der jungen Menschen gegenüber.
In männertypischen Berufen bestehen die größten Engpässe im naturwissenschaftlich-technischen Bereich
Von den zehn männertypischen Berufen mit den stärksten Engpässen stammen fünf aus dem Berufsfeld „Energie, Elektro und Mechatronik“. Drei Berufe waren dem Berufsfeld „Bau- und Gebäudetechnik“ zuzuordnen. Auch akademisch qualifizierte Experten der Berufsgattungen Informatik sowie Ver- und Entsorgung gehören zu den zehn Männerberufen mit den größten Knappheiten. Somit liegt der Schwerpunkt der männertypischen Engpassberufe im naturwissenschaftlich-technischen Bereich. Das wird auch dadurch deutlich, dass alle Berufe mit anhaltenden Engpässen aus den Bereichen „Energie, Elektro und Mechatronik“, „Maschinen- und Fahrzeugtechnik“ sowie „Metall“ männertypische Berufe sind.
Die Ausweitung der Arbeitszeit bietet in naturwissenschaftlich-technischen Berufen nur wenig Potenzial zur Reduzierung von Engpässen …
In Engpassberufen der Berufsfelder „Metall“, „Maschinen- und Fahrzeugtechnik“ sowie „Energie, Elektro und Mechatronik“ arbeiten fast ausschließlich Männer in Vollzeit. Der Frauenanteil an den Beschäftigten reicht von 0,3 Prozent in der Land- und Baumaschinentechnik bis hin zu 12,9 Prozent in der Elektromaschinentechnik. Durch das verstärkte Anwerben von weiblichen Fach- und Nachwuchskräften könnten Unternehmen in diesen Berufen einen Teil ihrer offenen Stellen besetzen. Bis hier jedoch ein nennenswerter quantitativer Effekt erreicht werden kann, ist noch ein weiter Weg bei der Veränderung des Berufswahlverhaltens zu gehen.
… während eine stärkere Erwerbsbeteiligung von Frauen Engpässe mildern könnte
Der Anteil an Teilzeitkräften liegt zwischen 1,1 Prozent bei Fachkräften der industriellen Gießerei und 7,4 Prozent bei Experten der Mechatronik. Ein größeres Angebot an Teilzeitstellen könnte einen zusätzlichen Anreiz für Frauen darstellen, diese Berufe zu ergreifen.
Harter Kern von Engpassberufen: 41 Berufsgattungen waren anhaltend sogar von starken Engpässen betroffen
Von den insgesamt 96 Berufsgattungen mit anhaltenden Knappheiten waren 41 von starken Engpässen betroffen. Ein starker Engpass besteht, wenn weniger als 100 Arbeitslose auf je 100 gemeldete offene Stellen kommen. Selbst unter der Annahme, dass alle offenen Stellen tatsächlich bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet werden, reichten die Arbeitslosen nicht aus, um alle Stellen zu besetzen. Von den starken Engpässen entfielen jeweils zehn Berufsgattungen auf die Berufsfelder „Gesundheit, Soziales und Bildung“ sowie „Energie, Elektro und Mechatronik“. In fünf Berufsgattungen der „Bau- und Gebäudetechnik“ waren ebenfalls starke Engpässe zu verzeichnen.
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