Die Erfindermesse iENA steht unter dem Motto „Kreativität, Erfindergeist und Innovationskraft“. An keiner dieser Zutaten mangelt es den freien Erfindern hierzulande, dafür jedoch an öffentlicher Unterstützung bei der Kommerzialisierung ihrer Erfindungen. Mit inzwischen gravierenden Folgen.
Freie Erfinder: Patentanmeldungen auf neuem Tiefststand
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Die Erfindermesse iENA steht unter dem Motto „Kreativität, Erfindergeist und Innovationskraft“. An keiner dieser Zutaten mangelt es den freien Erfindern hierzulande, dafür jedoch an öffentlicher Unterstützung bei der Kommerzialisierung ihrer Erfindungen. Mit inzwischen gravierenden Folgen.
Am 4. November öffnet die iENA wieder ihre Pforten. Auf der Suche nach einem Hersteller, Vertriebspartner oder Patentverwerter präsentieren freie Erfinder in Nürnberg ihre neuen Ideen, Prototypen oder bereits fertigen Produkte. Im Unterschied zu Arbeitnehmererfindungen zeichnen sich freie Erfindungen dadurch aus, dass sie nicht im Umfeld eines Arbeitgebers erbracht wurden, sondern in Eigenregie einer oder mehrerer Privatpersonen. Schraubstollen für Fußballschuhe, Kaffeefilter oder Spreizdübel sind nur einige Beispiele für Innovationen, die hierzulande von so genannten Garagentüftlern hervorgebracht wurden. Doch während der Staat insbesondere technologische Unternehmensneugründungen und außeruniversitäre Forschung großzügig fördert, fristen freie Erfinder in puncto Innovationsförderung inzwischen ein Mauerblümchendasein – mit entsprechenden Folgen für deren Patentanmeldungen.
Methodik
Die Auswertung für den vorliegenden Kurzbericht erfolgte mittels der IW-Patentdatenbank, welche sämtliche Patentanmeldungen seit dem Jahr 1994 beinhaltet, die eine Schutzwirkung für Deutschland oder darüber hinaus anstreben oder angestrebt haben – zum Beispiel über eine Anmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA), Europäischen Patentamt (EPA) oder der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO). Zur Vermeidung von Doppelzählungen, wie sie zum Beispiel bei internationalen Folgeanmeldungen möglich wären, wird grundsätzlich eine Bereinigung auf Ebene von Patentfamilien vorgenommen. Da Patentanmeldungen einer Offenlegungsfrist unterliegen, bildet 2018 das zum Auswertungszeitpunkt aktuelle Jahr.
Grundlage der vorliegenden Analyse sind alle Patentanmeldungen aus dem Zeitraum von 2010 bis 2018,
- deren Anmelder ausschließlich natürliche Personen sind und
- von denen mindestens eine natürliche Person ihren Wohnsitz in Deutschland hat.
Der Vorteil dieser Methode gegenüber bisherigen Arten der Analyse freier Erfinder (z.B. DPMA, 2020) besteht darin, dass nicht nur Patentanmeldungen mit Personalunion von Erfindern und Anmeldern als freie Erfindungen identifiziert werden, sondern auch die quantitativ relevanten (s.u.) asymmetrischen Fälle, bei denen eine oder mehrere natürliche Personen als Anmelder fungieren, die benannten Erfinder jedoch in mindestens einer Person von den Anmeldern abweichen oder aber bewusst nicht benannt sind.
Anteil freier Erfinder stark rückläufig
Entfielen im Jahr 2010 noch 10,9 Prozent aller Patentanmeldungen aus Deutschland auf freie Erfinder, ist deren Anteil in den Folgejahren kontinuierlich gesunken und lag im Jahr 2018 bei nur noch 6,5 Prozent (Abbildung). Auch in Absolutwerten ist bei den freien Erfindern aus Deutschland im Vergleichszeitraum ein kontinuierlicher starker Rückgang von rund 5.300 Patentanmeldungen auf zuletzt nur noch 3.300 zu konstatieren. In der Biologie würden Garagentüftler damit inzwischen zu den bedrohten Spezies zählen.
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Einzelerfinder dominieren
Ein Blick auf die Binnenstruktur der Patentanmeldungen freier Erfinder offenbart, dass diese in erster Linie von Einzelerfindern hervorgebracht werden, natürlichen Personen also, die in Personalunion als einziger Erfinder und Anmelder fungieren. Konkret entfielen im Jahr 2018 von allen Patentanmeldungen freier Erfinder hierzulande 72,7 Prozent auf Einzelerfinder/-anmelder, 9,7 Prozent auf Teamerfinder/-anmelder, mehrere natürliche Personen also, die jeweils in Personalunion als Erfinder und Anmelder fungieren, sowie 17,6 Prozent auf asymmetrische Erfinder- und Anmelderkonstellationen (vgl. Methodik). Im Zeitverlauf seit 2010 lassen sich kaum Änderungen bezüglich dieser Binnenstruktur erkennen.
Frauen auf dem Vormarsch
Im Gegensatz hierzu hat sich der Beitrag von Frauen zur Patentaktivität der freien Erfinder erhöht. Hierbei wurde anhand des Vornamensmoduls der IW-Patentdatenbank das Geschlecht der natürlichen Personen bestimmt, die als Anmelder der freien Erfindung fungieren. Im Falle einer Teamanmeldung einer Frau und eines Mannes wurde die Patentanmeldung beiden Geschlechtern fraktional zugerechnet. Ergänzend erhoben wurden die Werte der Kategorie „Unisex“ mit Vornamen wie Kim oder Nikola (Kohlisch et al., 2021).
Gemessen an allen freien Patentanmeldungen entfielen im Jahr 2018 9,1 Prozent auf Frauen, 1,0 Prozent auf die Kategorie „Unisex“ und 90,0 Prozent auf Männer. Diese 9,1 Prozent der Frauen bedeuten eine spürbare Steigerung im Vergleich zu deren 6,9 Prozent im Jahr 2010, als der Anteil der Männer noch bei 92,5 Prozent und jener der Unisex-Kategorie bei 0,5 Prozent lag.
Süden absolut Spitze, Osten relativ Spitze
Ebenfalls interessante Ergebnisse liefert ein Blick auf die regionale Verteilung der freien Erfinder nach Bundesländern. Die drei bevölkerungsreichsten Bundesländer Bayern (24,4 Prozent), Nordrhein-Westfalen (20,7 Prozent) und Baden-Württemberg (18,6 Prozent) vereinen im Jahr 2018 zusammen rund zwei Drittel aller freien Erfindungen hierzulande. Gemessen an allen Patentanmeldungen eines Bundeslandes liegt im Jahr 2018 hingegen Sachsen-Anhalt mit einem Anteil von 30,2 Prozent freier Erfinder an der Spitze, gefolgt vom Saarland (23,7 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (21,2 Prozent), während Baden-Württemberg und Bayern mit Referenzwerten von 4,2 Prozent bzw. 5,0 Prozent die Schlusslichter bilden. Eben diese beiden Bundesländer sind jedoch aufgrund ihrer Wirtschaftsstruktur durch eine hohe Anzahl an Patentanmeldungen von Industrieunternehmen geprägt, so dass freie Erfinder dort trotz ihrer in Absolutwerten beachtlichen Leistung nur wenig ins Gewicht fallen. Insbesondere in strukturschwächeren Bundesländern können freie Erfinder jedoch einen besonders wichtigen Beitrag zum Innovationsgeschehen leisten.
Ursachen für den Schwund freier Erfinder
Auf den ersten Blick könnte eine Erklärung darin bestehen, dass sich der Komplexitätsgrad von Innovationen erhöht hat und es für freie Erfinder zunehmend schwerer wird, den notwendigen Neuheitsgrad zu erzielen. Insbesondere in der Elektrotechnik und Pharmazie ist zu beobachten, dass Erfindungen vermehrt von größeren Forscherteams hervorgebracht werden. Zusätzlich hält die Digitalisierung, die als Querschnittstechnologie immer mehr Bereiche durchdringt, für Einzelerfinder Hindernisse bereit, da es sehr viele sehr kleinteilige Patente von Unternehmen zu beachten gilt. Viele der typischen Forschungsgebiete freier Erfinder – z.B. Mechanik und Haushaltsgeräte – sind jedoch nur stark abgeschwächt durch diese Effekte betroffen. Die Hauptursache für den Schwund dürfte vielmehr darin liegen, dass sich die öffentliche Hand immer mehr aus der Förderung freier Erfinder zurückgezogen hat. Einige freie Erfinder konnten sich zwar ganz ohne Hilfe als Unternehmer am Markt behaupten, aber viele Erfindungen haben das Licht der Welt aus unterschiedlichen Gründen nicht erblickt. Bereits bei der Anmeldung eines Schutzrechtes müssen neben der eigentlichen Idee auch strategische Überlegungen zu den Aspekten Markt, Technik und Kosten sowie Schutzumfang, Prototypen und Vermarktung angestellt werden. Hier fehlt es freien Erfindern – anders als etablierten Unternehmen – oft an Finanzierung, Erfahrung und Marktkenntnissen. Bis vor 10 Jahren wurden Beratungs- und Hilfsangebote für freie Erfinder durch BMBF und BMWi gefördert. So wurden ab 1994 in Anlehnung an ein erfolgreiches japanisches Modell bundesweit sogenannte Erfinderclubs für Erfahrungsaustausch und Knowhow-Transfer aufgebaut, die Förderung 2011 jedoch eingestellt. Ein niederschwelliges Programm zur Erstberatung von freien Erfindern („Erfinderfachauskunft“) wurde im Jahr 2004 initiiert, jedoch 2013 ohne Evaluation wieder beendet. Dasselbe Schicksal erlitten Angebote wie der InnovationMarket (beendet 2011) und die Innovationsaktion (beendet 2009). Anders als für Wissenschaft, Unternehmen und Existenzgründer sucht man heute eine technologieoffene Förderung für freie Erfinder in der Förderdatenbank des Bundes (www.foerderdatenbank.de), bei der auch Landesprogramme berücksichtigt werden, vergeblich. Verblieben sind lediglich die Patentinformationszentren sowie die Erfinderberatung durch Patentanwälte, die bei Patentinformationszentren und Kammern originär zum Thema Schutzrechte (Recherche, Erfindungshöhe, Neuheit, Anmeldestrategie) angeboten werden. Einige Förderprogramme können von freien Erfindern genutzt werden, wenn diese gleichzeitig als Unternehmer fungieren. Am Beispiel des Programms „WIPANO-Unternehmen“ ist jedoch eindrücklich dokumentiert, dass mit ca. 55 geförderten Patenten pro Monat für ganz Deutschland nur eine marginale Förderung auf freie Erfinder entfällt. Der deutsche Staat sollte das Potenzial seiner freien Erfinder künftig wieder verstärkt bergen und deren Förderung wieder ausbauen.
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