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Armutsbekämpfung Wirtschaft und Ethik 5. Juli 2013 Wachstum hilft den Schwachen

Auch wenn die Bilder aus den Krisenregionen es nicht vermuten lassen: In den vergangenen 20 Jahren konnte die Armut drastisch verringert werden. Die Weltbank will aber den Anteil von derzeit 20 Prozent Armen an der Weltbevölkerung weiter auf 1 Prozent bis 2030 senken. Dies kann – wenn überhaupt – nur mit Wachstum und besseren Institutionen gelingen.

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Wachstum hilft den Schwachen
Armutsbekämpfung Wirtschaft und Ethik 5. Juli 2013

Wachstum hilft den Schwachen

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Auch wenn die Bilder aus den Krisenregionen es nicht vermuten lassen: In den vergangenen 20 Jahren konnte die Armut drastisch verringert werden. Die Weltbank will aber den Anteil von derzeit 20 Prozent Armen an der Weltbevölkerung weiter auf 1 Prozent bis 2030 senken. Dies kann – wenn überhaupt – nur mit Wachstum und besseren Institutionen gelingen.

Als extrem arm gelten Menschen, die mit einer Kaufkraft von weniger als 1,25 US-Dollar am Tag leben müssen. Im Jahr 1990 lebten nach dieser Definition noch 43 Prozent der Weltbevölkerung in extremer Armut. Im Jahr 2010 beträgt der Anteil nur noch 21 Prozent – obwohl im gleichen Zeitraum die Weltbevölkerung um 1,8 Milliarden gestiegen ist. Die Zahl der Armen hat sich somit von mehr als 1,9 auf rund 1,2 Milliarden verringert.

Damit haben die Vereinten Nationen ihr im Jahr 2000 selbst gestecktes Milleniumsziel, die Armut bis 2015 gegenüber 1990 zu halbieren, erreicht. Diese Entwicklung hatten viele Experten so nicht erwartetet, und die Erfolge sind vielen Menschen noch gar nicht bewusst geworden. Indes hat die Weltbank bereits ein neues Ziel formuliert: eine Armutsquote von 1 Prozent bis 2030 (vgl. The Economist, 06/2013). Auch Thabo Mbeki, Präsident von Südafrika, ist der Meinung, dass die Weltgesellschaft zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte die Ressourcen, das Wissen und die Möglichkeiten hat, die Armut zu beseitigen. Um dieses Ziel erreichen zu können, müssen aber zunächst die wesentlichen Gründe für die Erfolge erkannt werden – um sie dann stärken zu können.

Wirtschaftswachstum: Eine der treibenden Kräfte ist das wirtschaftliche Wachstum. Bei einem Wirtschaftswachstum von 1 Prozent jährlich kann – grob geschätzt – die Armut im Durchschnitt um 1,7 Prozent verringert werden. Die Arbeitsteilung und der internationale Handel sind die Motoren des Wachstums. Anders als vielfach behauptet, vergrößert die Globalisierung die Armut nicht, sondern verringert sie. Ein Beispiel: In China lebten 1980 weltweit die meisten Menschen in Armut. Dank großem wirtschaftlichen Wachstum sank die Armutsrate dort von 84 auf 10 Prozent im Jahr 2013.

Gerechtigkeit: Eine weitere Voraussetzung für den Erfolg ist, dass es in dem Land halbwegs gerecht zugeht. Das britische Magazin „The Economist“ zitiert Schätzungen, wonach rund zwei Drittel der Armutsbekämpfung durch Wachstum und ein Drittel durch eine gerechtere Verteilung erzielt werden kann. In Ländern mit einer sehr ungleichen Verteilung des Einkommens führt eine Steigerung der Einkommen um 1 Prozent nur zu einer Reduktion der Armut um 0,6 Prozent. In Ländern mit gleicherer Verteilung dagegen sinkt die Armut um 4,3 Prozent je Prozent Wirtschaftswachstum. Verlässliche Institutionen und eine allen zugute kommende Infrastruktur sind ebenfalls hilfreich, um die Armut zu verringern.

Jedoch wird es schrittweise schwieriger, die noch verbleibende Armut zu bekämpfen. Denn die Armut konzentriert sich immer mehr auf die kleinen, instabilen Länder, die bis heute kaum vorangekommen sind. Während sich viele Menschen in Ost- und Südostasien aus ihrer extremen Armut befreien konnten, gestaltet sich der Kampf in Afrika viel schwieriger. In Asien ist der Anteil der sehr armen Menschen von 80 auf 18 Prozent der Bevölkerung gesunken; in Subsahara-Afrika liegt der Anteil weiterhin bei 50 Prozent – mit einer großen Bandbreite von Südafrika mit 14 Prozent bis zur demokratischen Republik Kongo mit 85 Prozent.

Selbst in den bislang erfolgreichen Ländern wird es schwerer, weiterhin so viele Menschen aus der Armut zu holen, denn die weiterhin Armen sind diejenigen, die sehr schwer zu erreichen sind. Das Tempo der Armutsreduktion dürfte sich auch deshalb verringern.

Worst- und Best-Case-Szenario: Die Weltbank blickt dennoch optimistisch in die Zukunft: Bei gleichbleibendem Trend in den Entwicklungsländern rechnet sie mit einer Armutsreduktion bis 2027 auf fast 3 Prozent. Das entspricht etwa 200 Millionen armen Menschen weniger (siehe Best Case in der Grafik). Allerdings ist diese Prognose sehr gewagt, denn geringfügige Änderungen der Wachstumsrate haben drastische Auswirkungen auf die Armutsentwicklung – und Wachstumsprognosen sind traditionell mit großen Unsicherheiten behaftet. Auch gegenüber anderen Faktoren wie der Einkommensverteilung verhält sich die Armutsrate sensibel. Im Worst–Case-Szenario mit weniger Wachstum und weniger Einkommensgleichheit würde die Armutsquote bis 2027 nur auf 15 Prozent sinken (siehe Worst Case in der Grafik).

Spenden: Hilfsprojekte können in Krisensituationen und bei Notfällen die größte Not lindern. Aber als dauerhafte Eingriffe behindern sie eher eine nachhaltige Armutsbekämpfung. Ein Problem haben Hilfsprojekte zudem, weil sie sich meist an die Menschen aus instabilen Ländern richten, und dort versickern die Hilfsgelder leicht in dunklen Kanälen. Deshalb liegt der Fokus zu Recht darauf, die Bildungschancen und die Infrastruktur zu verbessern, und weniger auf Nahrungsmittelspenden.

Während beispielsweise China den Sprung aus der Armut gemeistert hat, steht dies anderen Ländern (hoffentlich) noch bevor. Auch Indien und Brasilien sind in den vergangenen Jahren recht erfolgreich gewesen, was sich am steigenden Pro-Kopf-Einkommen ablesen lässt. In Brasilien hat sich das Durchschnittseinkommen nach Angaben der Weltbank von 1980 bis 2011 fast verfünffacht; in China (von einem deutlich geringeren Ausgangsniveau) sogar fast verzwanzigfacht, und in Indien immerhin noch versechsfacht.

Afrika: Bleibt noch Subsahara-Afrika, in dem die Menschen im Durchschnitt von umgerechnet rund 70 Cent am Tag leben müssen. Afrika macht auch deshalb nur kleine Fortschritte, weil die Länder dort sehr unterschiedlich sind. Einige Staaten verzeichnen bereits seit Jahren ein hohes Wirtschaftswachstum, in erster Linie Rohstoffexporteure und Tourismusstandorte wie die Seychellen und Mauritius. Südafrika ist nach dem Ende der Apartheid das Land mit der erfolgreichsten Industrialisierung auf dem Kontinent.

Dem gegenüber stehen die fragilen Länder wie der Kongo, Somalia, Guinea, Simbabwe und Togo, die unter Kriegen und der Herrschaft von Diktatoren und Clans leiden. Ihre Entwicklungschancen sind eher gering. In den ärmsten Ländern Afrikas müssen die Menschen durchschnittlich mit nur 50 Cent am Tag auskommen, und daran hat sich in den vergangenen 20 Jahren kaum etwas geändert. Trotzdem prognostizieren Experten Subsahara-Afrika insgesamt eine ähnliche Zukunft wie Asien (Grafik).

Hintergrund der optimistischen Prognosen sind zum einen die positiven Erfahrungen in Asien mit dem Fokus auf die Verbesserung der institutionellen Rahmenbedingungen und die stärkere Einbindung in den Welthandel statt auf reine finanzielle Hilfe. Davon können, bei allen kulturellen Unterschieden, auch afrikanische Staaten profitieren. Zum anderen steht derzeit weltweit viel Finanzkapital zur Verfügung, das seinen Weg zum Beispiel über Mikrokredite auch nach Afrika finden wird, sobald die Institutionen verlässlicher werden, so die Erwartungen der Ökonomen.

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