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Berthold Busch IW-Kurzbericht Nr. 27 11. April 2023 Der Europäische Binnenmarkt

Der Europäische Binnenmarkt ist zu Beginn dieses Jahres 30 Jahre alt geworden. Die wirtschaftliche Integration in der Europäischen Union (EU) hat in dieser Zeit zugenommen. Gleichwohl gibt es immer noch vielfältige Hemmnisse für die Realisierung der vier Grundfreiheiten, was sich auch an der Entwicklung von Preisunterschieden für Dienstleistungen zeigt.

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Der Europäische Binnenmarkt
Berthold Busch IW-Kurzbericht Nr. 27 11. April 2023

Der Europäische Binnenmarkt

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Der Europäische Binnenmarkt ist zu Beginn dieses Jahres 30 Jahre alt geworden. Die wirtschaftliche Integration in der Europäischen Union (EU) hat in dieser Zeit zugenommen. Gleichwohl gibt es immer noch vielfältige Hemmnisse für die Realisierung der vier Grundfreiheiten, was sich auch an der Entwicklung von Preisunterschieden für Dienstleistungen zeigt.

Die Vorgabe im Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) war eindeutig: Bis zum 31. Dezember 1992 sollte der Europäische Binnenmarkt verwirklicht werden. Es sollte ein Raum ohne Binnengrenzen entstehen, in dem der „freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital“ gewährleistet ist – gemäß den Bestimmungen des EGV. Der 1. Januar 1993 kann damit als der Geburtstag des Europäischen Binnenmarktes bezeichnet werden, der sich in diesem Jahr zum dreißigsten Mal jährt.

Der Binnenmarkt hat die wirtschaftliche Integration in der EU vertieft. Allerdings hat sich gezeigt, dass die Vollendung des Binnenmarktes eine Daueraufgabe ist, da immer noch vielfältige Hemmnisse für die Verwirklichung der vier genannten Grundfreiheiten bestehen. Beschreibt man als Ziel des Binnenmarktes die „Verschmelzung der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt“ (Geiger, 2004, 215), so sollte diese Verschmelzung sich auch in einem Abbau von Preisunterschieden bemerkbar machen.

Die Preisniveaus in den Mitgliedstaaten des Binnenmarktes sind nach wie vor recht unterschiedlich (Euro-stat, 2022). 2021 wurde das höchste Preisniveau unter den EU-Mitgliedstaaten, gemessen an den Konsumausgaben der privaten Haushalte, in Irland beobachtet. Es lag 44 Prozent über dem EU-Durchschnitt, während das so gemessene Preisniveau in Rumänien 45 Prozent unter dem EU-Mittel lag. Bildet man den Quotienten für das Preisniveau in Irland und für das in Rumänien, so kommt man auf einen Wert von 2,6. Irland war damit um das 2,6-Fache teurer als Rumänien. Diese Ergebnisse beruhen auf Berechnungen von Kaufkraftparitäten auf Grundlage einer Preiserhebung für mehr als 2.000 Konsumgüter und Dienstleistungen, die neben den 27 Mitgliedstaaten weitere europäische Länder erfasste (Eurostat, 2022).

Man kann das Preisniveau für die Konsumausgaben der privaten Haushalte als einen Durchschnitt für die Käufe von Waren und Dienstleistungen ansehen. Hinter diesen Durchschnitten verbergen sich für einzelne Waren und Dienstleistungen erhebliche Unterschiede. Wird wiederum der Quotient aus dem Preisniveau im teuersten Land mit dem Preisniveau im billigsten gebildet, so liegen die Unterschiede bei Nachrichtenübermittlung (4,8), bei Tabakwaren (4,9), für Wohnung, Strom, Gas und andere Brennstoffe (5,4) sowie für die Gesundheitspflege (6,7) deutlich über dem Mittelwert von 2,6. Hier zeigt sich eine Grenze für die Preisangleichung im Binnenmarkt, da die Preise für die oben erwähnten Erzeugnisse von staatlichen Vorgaben beeinflusst werden – sogenannte staatlich administrierte Preise.

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Geringer fallen die Unterschiede bei den Investitionsgütern aus. Für die Bruttoanlageinvestitionen ergibt sich ein Preisniveauunterschied von 1,9: Schweden kommt hier auf einen Indexwert von 123,3, Kroatien auf einen Wert von 63,7. Dabei fallen die Unterschiede bei den Ausrüstungsinvestitionen noch deutlich niedriger aus: Maschinen und Geräte liegen bei 1,3, Metallerzeugnisse und -ausrüstung ebenfalls bei 1,3, elektrische und optische Ausrüstung bei 1,2 und der Fahrzeugbau bei 1,6. Die Bauinvestitionen weisen dagegen größere Preisniveauunterschiede auf. Hier ist ein Verhältnis von 1 zu 3,1 ausgewiesen. Wohngebäude liegen mit 1 zu 3,7 über diesem Wert, Hoch- und Tiefbauarbeiten mit 1 zu 2,8 darunter. Beim Bau ist Schweden mit einem Indexwert von 146,1 am teuersten, gefolgt von Deutschland mit 142,1. Im Bereich der Ausrüstungsinvestitionen scheint der Binnenmarkt besser zu funktionieren in dem Sinn, dass es geringere Preisniveauunterschiede gibt als im Bereich der Konsumgüter. Das Baugewerbe erscheint dagegen noch fragmentierter, mit Ausnahme des Hoch- und Tiefbaus. Hier könnte eine Rolle spielen, dass gerade Tiefbauarbeiten oft von staatlichen Stellen vergeben werden, die ab bestimmten Schwellenwerten EU-weit ausschreiben müssen.

Interessant ist auch die zeitliche Entwicklung der Preisstreuung. Sie kann mithilfe des Variationskoeffizienten beschrieben werden. Das ist der Quotient aus Standardabweichung und Mittelwert. Ceteris paribus ist der Variationskoeffizient umso höher und damit die Preisdispersion umso größer, je stärker die einzelnen Werte um den Mittelwert streuen. Eine im Zeitablauf abnehmende Preisstreuung, also ein Rückgang des Variationskoeffizienten, deutet auf eine zunehmende Integration im Binnenmarkt hin. Jevons „law of one price“ zufolge werden die Preisunterschiede umso geringer, je vollkommener ein Markt ist.

Die unterschiedliche Höhe der Dispersionswerte bei Waren und Dienstleistungen (Abbildung) können mit der geringeren Transportierbarkeit, Handelbarkeit und Heterogenität von Dienstleistungen erklärt werden (Europäische Kommission, 2012, 5). Die deutlich zunehmende Dispersion bei den Dienstleistungen deutet dagegen auf noch bestehende Wettbewerbsbeschränkungen hin. Dieser Befund deckt sich mit einschlägigen Studien. Danach ist die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen noch weitgehend unterentwickelt. Die Regulierung von Dienstleistungen ist immer noch national fragmentiert und die Mitgliedstaaten nutzen die vorhandenen Spielräume. Die Dienstleistungsrichtlinie von 2006 hatte nicht den erhofften Liberalisierungseffekt (European Commission, 2019; European Parliament, 2019, 33; Dahlberg et al., 2020; Europäische Kommission, 2020a; 2020b). Auch die EU selbst ist mitverantwortlich dafür, dass grenzüberschreitende Dienstleistungen auf Hindernisse stoßen. Aufgrund von EU-Recht ist auch bei kurzfristigen Dienstreisen eine Bescheinigung erforderlich, aus der hervorgeht, dass der entsandte Arbeitnehmer sozialversichert ist.

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