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Andreas Fischer IW-Kurzbericht Nr. 30 22. Mai 2024 Europäischer Stromhandel: Gut für Klima und Portemonnaie

Der Energiesektor hat im vergangenen Jahr erneut seine Klimaziele erreicht. Beim CO2-Abdruck der Stromversorgung liegt Deutschland innerhalb Europas allerdings noch zurück. Zuträglich ist dem Klimaschutz, dass Deutschland im letzten Jahr zum Netto-Stromimporteur geworden ist.

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Gut für Klima und Portemonnaie
Andreas Fischer IW-Kurzbericht Nr. 30 22. Mai 2024

Europäischer Stromhandel: Gut für Klima und Portemonnaie

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Der Energiesektor hat im vergangenen Jahr erneut seine Klimaziele erreicht. Beim CO2-Abdruck der Stromversorgung liegt Deutschland innerhalb Europas allerdings noch zurück. Zuträglich ist dem Klimaschutz, dass Deutschland im letzten Jahr zum Netto-Stromimporteur geworden ist.

Laut den Zahlen des Umweltbundesamtes hat Deutschland auch im Jahr 2023 die selbstgesteckten Klimaziele eingehalten. Erneut wurden im Verkehrssektor als auch im Gebäudesektor allerdings die Ziele verfehlt. Dies wurde, wie bereits in den Vorjahren – vor allem im Energiesektor überkompensiert – aber auch im Industriesektor gingen die Emissionen deutlich zurück. Die Einsparungen im Energiesektor betrugen insgesamt 51,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten – und damit primär aus der Stromerzeugung – im Vergleich zu 2022 sogar mehr als das Doppelte der gesamten Einsparungen aller anderen Sektoren (UBA, 2024). Dabei wurden 2022 aufgrund der Gaskrise mehr zusätzliche Kohlekraftwerke hochgefahren als ursprünglich geplant und auch in Folge des Kernkraftausstiegs 2023 wurde ein Anstieg der Kohleverstromung befürchtet.

Ein weiterhin steigender Anteil Erneuerbarer Energien hat in den letzten Jahren ein entsprechendes Absinken der CO2-Emissionen geführt. Bis zur Energiekrise 2022 hat der spezifische CO2-Abdruck einer in Deutschland verbrauchten Kilowattstunde seit dem Inkrafttreten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2000 bereits um ein Drittel abgenommen (UBA, 2023). Dennoch liegt der spezifische CO2-Abdruck der deutschen Stromerzeugung aufgrund des weiterhin hohen Kohleanteils noch deutlich über dem europäischen Durchschnitt.

CO2-Abdruck im europäischen Vergleich

Mit Bezug auf den spezifischen CO2-Abdruck einer erzeugten bzw. verbrauchten Kilowattstunde Strom ist die Bandbreite innerhalb der EU weiterhin groß. Aufgrund des hohen Kohleanteils von knapp zwei Dritteln (63,8 Prozent) hatte der Strom aus Polen auch 2023 mit 661,9 g CO2-Äquivalent pro Kilowattstunde (g/kWh) den größten CO2-Abdruck (Ember, 2024; Fraunhofer ISE, 2024). In Schweden dagegen lag der durchschnittliche CO2-Abdruck aufgrund des geringen Anteils fossiler Stromerzeugung von nur 4,7 Prozent bei nur 40,7 g/kWh.  Dies entspricht nur gut sechs Prozent des polnischen Wertes.

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Trotz des steigenden Anteils Erneuerbarer Energien lag auch der deutsche CO2-Abdruck mit 381 g/kWh weiterhin höher als in den meisten Nachbarstaaten und liegt damit auf Platz 22 innerhalb der EU. Zwar liegt der Anteil der Erneuerbaren Energien mittlerweile bei über 50 Prozent, trotzdem lag der Beitrag von Braun- und Steinkohle im letzten Jahr immer noch bei 23,8 Prozent – obwohl der Anteil im Vergleich zu den Vorjahren bereits deutlich abgesunken ist (Fraunhofer ISE, 2024).

Klimafreundliche Stromimporte

Da der Strommix in den meisten unserer Nachbarländer einen deutlich geringeren CO2-Abdruck aufweist, hat der Import auch einen positiven Effekt auf die Klimabilanz unseres Stromverbrauchs. Insgesamt wurden mit 63,7 Terawattstunden (TWh) 2023 knapp 11,8 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs gedeckt (BDEW, 2023). Dagegen wurden auch 52 TWh des in Deutschland erzeugten Stroms in die Nachbarländer geleitet. Ausgehend vom Strommix der einzelnen Länder lag der durchschnittliche CO2-Abdruck einer 2023 nach Deutschland importierten kWh bei 162,9 g/kWh. Der Abdruck der deutschen Erzeugung lag um den Faktor 2,3 höher. Wenn man den Vergleich auf die jährlichen Netto-Importe konzentriert – also die Netto-Importe aus Ländern, aus denen mehr Strom importiert als dorthin exportiert wurde – liegt der CO2-Abdruck sogar bei 117,2 g/kWh und damit bei nur 31 Prozent des deutschen Wertes.

Daher zeigt sich, dass vor allem Strom mit einem geringeren CO2-Abdruck importiert wurde. Diese Importe ergeben sich aber nicht aus der jeweiligen Klimabilanz, sondern schlicht in den Zeiten, in der die zum Import verfügbare Kilowattstunde am Markt günstiger ist als sie in Deutschland selbst zu erzeugen. Aus welchen Ländern zu welcher Zeit Strom importiert wird, ist aber auch an regionale Restriktionen gebunden. Denn es braucht die notwendigen Leitungs- und Grenzkuppelkapazitäten, um den Strom beziehen und zum Bedarfsstandort transportieren zu können.

Nennenswerte Anteile an den deutschen Importen ergaben sich 2023 aus Nachbarländern wie Frankreich, Belgien, Tschechien, Polen oder der Schweiz. Allerdings wurde im vergangenen Jahr Strommengen in ähnlichem Ausmaß auch in diese Länder geliefert. Neben den bereits beschriebenen CO2-intensiven Importen aus Polen wird der CO2-Abdruck in den vier weiteren Ländern auch durch signifikante Anteile an Kernenergie begrenzt. In der Schweiz stammen zudem bereits über 63 Prozent aus Erneuerbaren Energien. Unter den genannten Ländern weist nur Tschechien aufgrund der hohen Anteile von Braunkohle am Strommix mit 449,7 g/kWh im Vergleich zu Deutschland einen höheren CO2-Abdruck auf (Ember, 2024). Nach Österreich (87 Prozent Erneuerbare Energien) wurde zudem mehr als die doppelte Menge exportiert als von dort nach Deutschland importiert (Fraunhofer ISE, 2024).

Bei den Netto-Importen überwiegen die Anteile von Ländern, die im Durchschnitt deutlich geringere Strommarktpreise aufweisen und bei der Stromversorgung vor allem auf Erneuerbare Energien setzen. Allein 49 Prozent dieser Netto-Importe entfallen auf Dänemark mit einem Anteil an Erneuerbaren Energien von 81,5 Prozent 2023. Dort lag der Börsenstrompreis 2023 im Schnitt 9 Prozent niedriger als in Deutschland.  Weitere signifikante Anteile der Netto-Importe stammten aus Norwegen (21 Prozent), Schweden (13 Prozent) und den Niederlanden (10 Prozent). Die Importe aus Norwegen und Schweden werden dabei durch Seekabel ermöglicht. Norwegen weist mit 98,9 Prozent den höchsten Anteil Erneuerbarer Energien auf – hauptsächlich Wasserkraft. Der Strommarkt ist in Norwegen zudem in unterschiedliche sogenannte Gebotszonen unterteilt, in denen sich jeweils eigene Börsenpreise bilden. Die Anbindung nach Deutschland befindet sich dabei in der Gebotszone im Süden Norwegens mit den höchsten Strompreisen. Aber auch dort lag der Börsenstrompreis 2023 durchschnittlich 17 Prozent unter den deutschen Preisen. Das Gleiche gilt für Schweden mit einem durchschnittlich 32 Prozent günstigeren Börsenpreis in der angebundenen Gebotszone und einem Anteil Erneuerbarer Energien von 65,3 Prozent (Fraunhofer ISE, 2024).

Klimaschutz durch Stromhandel

Dass Deutschland im vergangenen Jahr beim Strom vom Nettoexporteur zum -importeur geworden ist, lässt daher nicht auf eine mangelnde Versorgung innerhalb Deutschlands schließen – auch wenn potenzielle Knappheiten bei uns als auch unseren Nachbarn durch Importe abgesichert werden können. Es ist grundsätzlich ein Zeichen für einen funktionierenden europäischen Strommarkt. Zudem zeigt sich, dass vor allem der Bezug von klimafreundlichem Strom aus den angeschlossenen Staaten nicht nur den CO2-Abdruck senkt, sondern auch die Kosten unserer Stromversorgung reduziert.

Dieser gemeinsame Markt ist ein zentraler Baustein der geplanten Transformation. Denn das Ziel ist, dass dort Strom erzeugt werden sollte, wo es am günstigsten ist – und durch die geringen Betriebskosten der klimafreundlichen Technologien profitiert dabei auch das Klima. Der Ausbau volatiler Einspeisungen von Wind- und Solarenergie macht es unabdingbar, dass über Verbrauchsanpassungen und Speicher nicht nur zeitliche Verbrauchsanpassungen geschehen, sondern über inländische und grenzüberschreitende Leitungen auch auf räumlicher Ebene die nötige Flexibilität besteht.

Der grenzüberschreitende Handel hat trotzdem nur einen begrenzten Einfluss auf unsere Stromversorgung und ersetzt nicht den Bedarf an regelbarer Kraftwerksleistung, dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie der beschriebenen zeitlichen Flexibilisierung des Stromverbrauchs. Denn es braucht all diese Anpassungen, um eine erfolgreiche Energiewende zu gewährleisten und die Ansprüche an die jeweiligen anderen Faktoren nicht zu überfordern. Beispielsweise kann der Ausbau von Speichern und auch der Importkapazitäten den inländischen Netzausbau etwas entlasten. Daher sollte der europäische Stromhandel konsequent genutzt und die Leitungskapazitäten – inklusive Seekabeln als auch Grenzkuppelstellen – weiter ausgebaut werden. Das hilft unter dem Strich nicht nur dem Klima, sondern auch dem Portemonnaie der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Resilienz unserer Stromversorgung.

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