Die EU-Kommission will den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufgrund des Kriegs in der Ukraine noch ein weiteres Jahr aussetzen. Erst 2024 soll er wieder in Kraft treten. Das macht aber nur dann Sinn, wenn Europa diese Zeit nutzt, um die Schuldenregeln zu reformieren.
EU-Schuldenregeln weiter aussetzen: Richtiger Schritt, aber nicht ohne Reform
Die Europäische Kommission will heute vorschlagen, dass der wegen der Corona-Krise ausgesetzte Stabilitäts- und Wachstumspakt erst Anfang 2024 wieder in Kraft tritt statt wie geplant 2023. Der Russland-Ukraine-Krieg rechtfertigt diesen Schritt.
Vorgaben zum übereilten Schuldenabbau würden bremsen
Denn die Kriegs-Auswirkungen sind überall zu spüren, viele EU-Länder nehmen ihre Wachstumsprognosen zurück. Hohe Energiepreise, Engpässe bei der Rohstoffversorgung und in den Lieferketten, aber vor allem ein drohender Ausfall der Gasversorgung führen nicht nur zu hohen Kaufkraftverlusten, sondern auch zu weiteren Angebotsengpässen in der Industrie. Deshalb und aufgrund der großen Unsicherheit ist es ein richtiger Schritt, die Aussetzung noch ein Jahr zu verlängern.
Weitere Gründe sprechen dafür: So dürfte der öffentliche Schuldenstand nach Prognosen der Europäischen Kommission im Jahr 2023 nicht aus dem Ruder laufen. Nach derzeitigem Stand soll er weiter leicht sinken: in Griechenland etwa von 186 Prozent auf 180 Prozent des BIP, in Italien von 148 auf 147 Prozent und in Spanien von 115 auf 114 Prozent. Zudem wäre es in der jetzigen Lage schädlich, wenn die Wiedereinsetzung des Paktes hochverschuldete Euroländer zu einer zu starken und wachstumsdämpfenden Konsolidierung zwingen würde. Genau das würde eine strikte Anwendung der Schuldenabbauregeln aber erfordern.
Schuldenvorgaben reformieren
Unter anderem deshalb ist eine begrenzte Reform des Paktes und vor allem der Schuldenabbauregel nötig. Zwar kann die 60-Prozent-Grenze für den öffentlichen Schuldenstand bestehen bleiben. Die vorgegebene Anpassungszeit von 20 Jahren sollte für hochverschuldete Länder aber flexibler gehandhabt werden können, wenn sie angemessener konsolidieren. Außerdem sollte es keine Ausnahmen für staatliche (grüne) Investitionen geben: Das würde Tür und Tor für eine kreative Buchführung und neue nicht immer produktive Schulden öffnen.
Die Kommission will Mitte des Jahres ihre Vorschläge für die Paktreform unterbreiten. Wenn der Pakt Anfang 2023 wieder in Kraft treten würde, wäre zu wenig Zeit, um eine Reform zu diskutieren und umzusetzen. Eine Verschiebung bis Anfang 2024 gibt dafür mehr Zeit. Sie muss allerdings auch genutzt werden.
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