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Holger Schäfer IW-Nachricht 24. September 2018

Prekarität: Eine Frage der Definition

In einer neuen Studie versucht eine Forschergruppe im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die Prekarität von Arbeits- und Lebensverhältnissen zu vermessen. Allerdings sind die Kriterien sehr weit gefasst.

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Prekarität ist ein Problem, keine Frage. Wer in prekären Umständen lebt und arbeitet, ist in einer schwierigen Lage und hat am Monatsende kaum noch Geld auf dem Konto, geschweige denn genug, um etwas zur Seite zu legen. Nur: Wann genau sind Tätigkeiten und Lebenssituationen prekär? Eine neue Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hat eine eigene Definition erarbeitet, die Personen berücksichtigt, die sowohl prekäre Arbeit ausüben als auch prekäre Lebensumstände haben. Diese Differenzierung ist sinnvoll: Andernfalls würde ein Minijobber, der mit einer hochbezahlten Vorstandsvorsitzenden verheiratet ist, ebenfalls als prekär betrachtet. 

Die Forscher haben verschiedene Kriterien entwickelt. Darunter finden sich nachvollziehbare Punkte wie Niedriglohn oder ein geringes Jahreseinkommen, aber auch Kriterien wie die Beschäftigung in einem Kleinbetrieb. Wer zwei von sieben Indikatoren erfüllt, arbeite in prekären Verhältnissen, so die Studie. Diese Annahme ist tückisch: So werden Selbstständige, die keine oder wenige Mitarbeiter haben, per Definition in die prekäre Ecke eingeordnet, da sie keine Ansprüche an die Renten- und Arbeitslosenversicherung haben und das Kriterium des Kleinbetriebs erfüllen. Wer eine körperlich fordernde Tätigkeit ausübt oder in einem Beruf arbeitet, dessen Arbeitslosenquote über dem Durchschnitt liegt, arbeitet per Definition ebenfalls in prekären Verhältnissen. Viele Studenten oder Schüler, die einen Nebenjob haben, dürften solche Kriterien erfüllen.

Auch die Kriterien für prekäre Lebensverhältnisse sind schneller erfüllt, als man denkt – etwa bei Selbstständigen, die keiner Sozialversicherung unterliegen (erstes Kriterium) und in deren Haushalt ein Mitglied lebt, das wegen Krankheit oder Behinderung erwerbsgemindert ist (zweites Kriterium). Aber auch wer nicht spart und zusätzlich keine Zentralheizung hat, lebt prekär.

Wie groß der Kreis der prekär Lebenden ist, hängt also wesentlich davon ab, wie weit oder eng die Definition gefasst wird – die Studie der Böckler-Stiftung fasst die Definition sehr weit. Das kann problematisch sein, weil aus dem Anteil des Prekariats direkt politische Forderungen abgeleitet werden.
 

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