Nach der dritten Streikwelle im laufenden Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn nimmt die Kritik am Verhalten der Lokführergewerkschaft GDL zu. Neue Verhandlungen könnten erfolgreich sein – wenn der Kampf um öffentliche Wahrnehmung endet und sich beide Seiten auf einen Kompromiss einlassen. Der Weg dahin ist noch weit.
Bahnstreik: Kooperation statt Konfrontation
Der laufende Tarifkonflikt ist nach jenen in den Jahren 2007/08 und 2014/15 der dritte Großkonflikt zwischen GDL und Deutscher Bahn. Neben Löhnen und Arbeitszeiten wurde auch damals um grundsätzliche Fragen gestritten: Beim ersten Konflikt ging es darum, dass die GDL einen eigenständigen Tarifvertrag für die bei ihr organisierten Lokführer bekommt, 2014 erhob sie den Anspruch, für das gesamte Zugpersonal eigene Tarifverträge auszuhandeln. Heute geht es um das Recht, auch für die Beschäftigten in der Fahrzeuginstandhaltung, im Netzbetrieb und in der Fahrweginstandhaltung verhandeln zu dürfen – die GDL weitet ihren Vertretungsanspruch also Schritt für Schritt aus und scheut dabei keine Eskalation.
Im ersten Konflikt vor 14 Jahren summierten sich die verschiedenen Konflikthandlungen wie Streikdrohungen, Verhandlungsabbrüche, juristischer Streitigkeiten, Urabstimmungen und Streiks bei einer Verhandlungslänge von 12,6 Monaten auf 64 Punkte und 2014/15 fielen in 14,5 Monaten sogar 73 Punkte an. Im laufenden Konflikt sind es bislang 30 Punkte, verhandelt wird – mit Unterbrechungen – seit über einem Jahr.
Moderierte Gespräche
Die drei Großkonflikte weisen Parallelen auf: Bahn und GDL Seiten neigen dazu, den Konflikt immer wieder öffentlich auszutragen. So soll in der Bevölkerung Verständnis für die jeweiligen Zuspitzungen geweckt werden. Das mag kurzfristig funktionieren, langfristig erwartet die Öffentlichkeit aber Kooperation statt Konfrontation. Gerade das zeichnet die drei Großkonflikte aber nicht aus: Während die GDL regelmäßig auf ihr schärfstes Instrument, den Streik, setzt, versucht die Deutsche Bahn, die GDL durch Gerichtsbeschlüsse zu stoppen. Das gelang 2007 sogar mehrfach, scheiterte aber 2014 und jüngst auch 2021. Durch die regelmäßig öffentlich ausgetragene Eskalation wird es für beide Seiten schwieriger, gesichtswahrend Kompromisse zu finden.
Kompromisse nur mit Mediation, Moderation oder Schlichtung
Wichtige Instrumente auf dem Weg zum Kompromiss waren in der Vergangenheit die Mediation oder Moderation und die Schlichtung. Die Mediation will die Streitparteien zusammenführen, Vertrauen herstellen und einen Verhandlungsprozess strukturieren, die Schlichtung sucht dann nach inhaltlichen Übereinstimmungen und Lösungen. Im Jahr 2007 gelang es den CDU-Politikern Kurt Biedenkopf und Heiner Geisler, die Streitparteien durch moderierte Gespräche an den Verhandlungstisch zu bringen, 2015 fiel diese Aufgabe dem ehemaligen Vorsitzenden des Bundesarbeitsgerichts, Klaus Bepler, zu. Es bietet sich also an, den von der Deutschen Bahn bereits vorgeschlagenen Weg noch einmal zu versuchen. Im Tarifmonitoring des IW zeigt sich übrigens, dass sieben von zehn Schlichtungen in der Vergangenheit zu Erfolg geführt haben.
Voraussetzung dafür ist aber erstens, dass vertraulich miteinander umgegangen wird und der Kampf um die öffentliche Wahrnehmung und das Verständnis der Öffentlichkeit endet. Zweitens müssen beide Seiten bereit sein, Kompromisse einzugehen. Dazu müssen Kompromisslinien definiert werden. In Tarifverhandlungen geht es nicht darum, den „Gegner“ zu „besiegen“, sondern darum, ein für beide Seiten vertretbares Ergebnis zu finden. Schließlich trifft man sich immer wieder zu Verhandlungen.
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