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Oliver Koppel im Deutschlandfunk Interview 26. Mai 2014

"Im Akademikerbereich auf einem sehr guten Weg"

Der MINT-Frühjahrsreport zeigt, dass den Unternehmen Ingenieure und Facharbeiter fehlen. Allerdings müsse man differenzieren, sagte Oliver Koppel vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln im Deutschlandfunk. Während das Problem fehlender MINT-Akademiker beherrschbar sei, werde es sich bei der Berufsausbildung verschärfen.

MINT steht nicht nur für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, die Abkürzung steht auch für eine große personelle Lücke, und die tut sich auf bei Unternehmen, denen jetzt und in Zukunft Ingenieure und Facharbeiter fehlen werden. Diese Lücke hat auch der MINT-Frühjahrsreport 2014, wie fast schon zu erwarten war, wieder zutage gefördert. Doch Oliver Koppel und seine Kollegen beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln haben sich die Sache noch etwas genauer angeschaut. Sie wollten zum Beispiel wissen, welche Länder eigentlich etwas für den MINT-Nachwuchs tun, zum Beispiel im Hochschulbereich. Ich habe Oliver Koppel gefragt, welche Länder da besonders glänzen.

Wir haben insbesondere festgestellt, dass Nordrhein-Westfalen das Paradeland für die Hochschulausbildung im MINT-Bereich ist. In Nordrhein-Westfalen wird weit oberhalb des eigenen Bedarfes ausgebildet. Profitieren tun davon typischerweise die südlichen Flächenländer, namentlich Bayern und Baden-Württemberg, die, gemessen am eigenen Bedarf, eigentlich zu wenig ausbilden, zu wenig Ingenieure und Informatiker, und die davon profitieren, dass andere Bundesländer, auch zum Beispiel Sachsen sehr stark ausbildet.B

Eine Steilvorlage für die Länder, die ja gerade auch versuchen, mehr Geld für sich und die Hochschulen rauszuschlagen. Sollte es für diese Länder einen zusätzlichen Bonus geben Ihrer Meinung nach?

Ich bin der Meinung, dass es für ausbildende Länder auf jeden Fall einen Bonus geben sollte, denn im Moment ist es noch so, dass Länder wie Nordrhein-Westfalen, die eben weit über den eigenen Bedarf hinaus ausbilden, die eigenen Absolventen verlieren, typischerweise eben an die südlichen Flächenländer Bayern und Baden-Württemberg. Sachsen verliert auch eigene Absolventen, die sie sehr stark ausbilden, an eben diese Länder, und bisher ist es eben so, dass man natürlich dann als Land sagen kann, na gut, wenn ich die Absolventen jetzt aus anderen Bundesländern bekomme, dann brauche ich mich ja auch selber nicht so anzustrengen. Die kommen eh zu mir, weil meine Unternehmen vielleicht dann die besseren Arbeitsbedingungen und die höheren Löhne bieten. Dann habe ich natürlich einen schlechten Anreiz. Und um diese Art Trittbrettfahrerverhalten zu verhindern, sollte man eben vielleicht mal überlegen, ob man nicht die Ausbildungsleistung oder ob man eben die stark ausbildenden Bundesländer nicht für ihre Ausbildungsleistung stärker kompensiert, sodass sie eben auch langfristig einen Anreiz haben, denn die Ingenieurausbildung und die Informatikerausbildung ist natürlich tendenziell eher Bundesaufgabe von ihrer gesamtwirtschaftlichen Dimension her, dass diese Bundesländer eben langfristig den Anreiz behalten, auch in die Ausbildung zu investieren.

Wie bewerten Sie denn die Hochschulausbildung im Bereich MINT? Die Bundesbildungsministerin Wanka nannte ja kürzlich erst Zahlen, von denen einige ja ganz hoffnungsvoll stimmen. Den Master-Abschluss schaffen demnach die meisten, bei den Bachelorstudiengängen sieht die Lage aber weiter finster aus. Spitzenreiter ist das Fach Mathe zum Beispiel: An den Unis bricht jeder Zweite sein Studium ab. Rechnet sich die Regierung das Problem schön?

Man muss da, glaube ich, ziemlich differenzieren. Wenn man sich das absolute Niveau anguckt, das heißt, den Bedarf, den wir haben und auch haben werden in Zukunft, sind wir im Akademikerbereich auf einem sehr guten Weg. Das heißt, es werden durchaus sehr viele Masterabschlüsse erzielt. Im Bachelorbereich gibt es aber trotzdem ein sehr, sehr großes Problem in Form dieser sehr hohen Abbrecherquoten. Im MINT-Bereich brechen einfach viel mehr Studierende im Bachelorstudium noch ab als jetzt in anderen Fächern. Die Ursachen sind leider darin zu sehen, dass die MINT-Fächer objektiv auch schwieriger sind. Das heißt, wer einmal sozusagen den Bachelorabschluss geschafft hat, der schafft es dann auch weiter, aber im Bereich der Studierendenbetreuung gerade in den ersten Semestern muss einfach noch mehr investiert werden. Das liegt eben auch daran, dass die Schulabsolventen mit sehr unterschiedlichen Vorbildungsniveaus kommen. In manchen Bundesländern ist, das haben die Pisa-Ergebnisse auch gezeigt, ist die Schulausbildung im Bereich Mathematik jetzt nicht so ideal wie in anderen Bundesländern, und wenn die dann an ein und derselben Hochschule aufschlagen, führt das natürlich zu Problemen.

Sie sagen in Ihrer Studie auch, während das Problem mit den fehlenden MINT-Akademikern noch beherrschbar erscheine, werde es sich im beruflichen Segment noch verschärfen. Warum ist das so, und was ist zu tun?

Die attraktiven Arbeitsmarktbedingungen für MINT-Akademiker haben natürlich in der Vergangenheit dazu geführt, dass sehr viele Menschen jetzt auch in das Studium reingegangen sind. Das ist wünschenswert, das ist auch prima – das sind natürlich typischerweise Personen, die vielleicht dann vor zehn bis zwanzig Jahren auch eine Ausbildung eher gemacht hätten in einem typischerweise gewerblich-technischen Beruf. Es gibt so eine Art Aufstiegstrichter im Bildungsbereich, das heißt, Personen, die eben früher eine Ausbildung gemacht haben, studieren jetzt bei schrumpfender Kohortenzahl – wir werden eben immer weniger pro Jahr – führt das natürlich dazu, dass wir im Bereich der Berufsausbildung ein echtes Nachwuchsproblem bekommen. Das heißt, die wirklichen Probleme im Nachwuchsbereich werden wir in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren definitiv im Bereich der MINT-Berufsausbildung haben.

Warum ist das denn aus Ihrer Sicht schwieriger zu handeln als bei der akademischen Ausbildung?

Es ist dahingehend schwieriger zu handeln, weil man weniger Potenziale hat, die man schöpfen kann. Im Bereich der akademischen Ausbildung haben wir in den letzten Jahren durch eine sehr, sehr starke Erhöhung der Erwerbstätigkeit Älterer zum Beispiel dafür gesorgt, dass die Engpässe ein bisschen beherrschbarer wurden, sprich, die Leute haben einfach länger gearbeitet. Ein zweiter Kanal war auch die Zuwanderung. Deutschland ist ein sehr attraktives Land für MINT-Akademiker, das heißt, es sind auch sehr viele Ingenieure und Informatiker aus dem Ausland zugewandert, um hier zu arbeiten. Dieser letzte Kanal, sprich die Zuwanderung, funktioniert im Ausbildungsbereich nicht.

Warum nicht?

Wir haben in Deutschland ein exzellentes System der dualen Berufsausbildung, was es in anderen Ländern, in abgeschwächt in der Schweiz und in Österreich noch gibt, aber eben in anderen Ländern nicht, das heißt, Zuwanderung von MINT-Ausbildungsabschlüssen ist so gut wie nicht möglich. Die müssen wir alle hier in Deutschland ausbilden. Das wäre prinzipiell nicht das Problem, wenn es genug Köpfe geben könnte, die man ausbilden könnte. Aber in der Tat bleiben eben auch zunehmend Lehrstellen hier unbesetzt, weil die Leute sich eben dann eher für kaufmännische Ausbildungsberufe entscheiden oder direkt für ein Studium.

Das Interview zum Anhören

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