Die früher übliche Ausbildung über den eigenen Bedarf hinaus ist vorbei, sagt der IW-Bildungsexperte Dirk Werner in einem Interview mit dem Handelsblatt.

Auszubildende: „Sie bilden so viele aus, wie sie brauchen”
Herr Werner, die Ausbildungsquote börsennotierter Unternehmen ist deutlich gesunken - warum?
Na ja, so eklatant ist der Rückgang gar nicht. Zudem liegt er genau im Trend des gesamten Ausbildungsmarkts: Im Laufe von zehn Jahren ist die Zahl der Ausbildungsplätze auf rund 90 Prozent gesunken.
Warum legen dann nicht börsennotierte Großunternehmen zu?
Das ist ganz offensichtlich eine sehr positive Entwicklung gegen den Trend, ein Ausreißer sozusagen.
Insgesamt geht die Ausbildung zurück, weil viele Betriebe keine Azubis finden - das Problem haben aber Konzerne doch nicht.
Richtig. Sie bilden eben so viele Leute aus, wie sie selbst brauchen. Vermutlich haben gerade die börsennotierten Unternehmen einen viel höheren Akademikeranteil und weniger Bedarf an qualifizierten Fachkräften. Teilweise gibt es allerdings den Trend, dass Betriebe lieber BWL-Bachelor einstellen, als Kaufleute auszubilden.
Sie glauben aber nicht, dass der Druck des Kapitalmarkts tendenziell dazu führt, dass langfristige Investitionen wie Ausbildung vernachlässigt werden?
In Einzelfällen mag das so sein. Beispielsweise bei Unternehmen wie Ford, bei denen die ausländischen Mutterkonzerne kein Verständnis für die deutsche duale Ausbildung haben. Ich glaube aber nicht, dass die Masse der Großunternehmen deshalb weniger ausbildet, als sie brauchen, und dann Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt kaufen. Das kann man ihnen nicht einfach so unterstellen. Was allerdings zurückgegangen ist, ist die Ausbildung über Bedarf.
Die war früher üblich. Vor zehn Jahren war mancher Dax-Konzern schon stolz, wenn er 60 Prozent der Lehrlinge übernommen hat. Von den übrigen profitierten Zulieferer und der Mittelstand.
Das ist richtig. Diese Zeiten sind vorbei. Das ist aber auch nicht zu bedauern, denn es ist sinnvoller, dass da ausgebildet wird, wo auch die Jobs sind. Viele Jugendliche sind auch enttäuscht, wenn sie etwa bei Daimler lernen können und dann aber nach der Prüfung zu einem kleinen Zulieferer wechseln müssen.
Sehen Sie auch Positives in der Ausbildung?
Ja: Die Ausbildungszahlen in Engpassberufen - also bei Mechatronikern, IT-Berufen und vielen Handwerksberufen - ist seit 2011 um ein Drittel gestiegen!

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