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(© Foto: Getty Images)
Holger Schäfer im Wirtschaftsmagazin Bilanz Gastbeitrag 19. Juni 2018

Regierung beraubt Arbeitgeber ihrer unternehmerischen Freiheit

Mit der Einführung der sogenannten Brückenteilzeit schafft die Bundesregierung mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit – jedoch ausschließlich zugunsten der Arbeitnehmer. Arbeitgebern wird ein großes Stück ihrer Flexibilität genommen, schreibt IW-Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer in einem Gastbeitrag im Wirtschaftsmagazin Bilanz.

Mit der Brückenteilzeit erhalten Arbeitnehmer künftig das Recht, ihre Stundenzahl für eine festgelegte Dauer zu reduzieren, um anschließend wieder zur ursprünglich vereinbarten Arbeitszeit zurückzukehren.

Ob eine solche Regelung erforderlich oder sinnvoll ist, ist fraglich. Bislang gibt es keinen Beleg dafür, dass die Rückkehr in Vollzeit häufig an der Weigerung der Betriebe scheitert, die Arbeitszeit zu verlängern. Im Gegenteil: Die vorhandenen Daten deuten darauf hin, dass Betriebe den Arbeitszeitwünschen ihrer Mitarbeiter nach Möglichkeit entsprechen.

Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten, die keine Vollzeitbeschäftigung finden, sinkt seit Jahren und lag zuletzt bei zwölf Prozent. Bei Frauen sind es sogar nur zehn Prozent. Wenn es unfreiwillige Teilzeit gibt, liegen die Gründe eher im persönlichen Bereich oder an einer unzureichenden Kinderbetreuung.

Auf der einen Seite ist man also bemüht, Arbeitnehmern mehr Spielraum bei der Arbeitszeitgestaltung zu geben. Dafür nimmt man sogar in Kauf, bestehende tarifvertragliche Regelungen zu torpedieren. Auf der anderen Seite schränkt man entsprechende Flexibilisierungsinstrumente der Betriebe ein.

Zeitarbeit und Befristungen werden eingeschränkt

Als erster Schritt wurde im vergangenen Jahr die Zeitarbeit stärker reguliert. Die im Zuge der Hartz-Reformen abgeschaffte Höchstdauer, für die ein Zeitarbeitnehmer an einen Kunden überlassen werden darf, wurde wiedereingeführt – mit 18 Monaten liegt sie nun sogar noch unter der alten Frist von zwei Jahren.

Darüber hinaus wurde der Grundsatz des „Equal Pay“ strenger gefasst, demzufolge Zeitarbeitnehmer nach neun Monaten Einsatzdauer die gleichen Leistungen erhalten müssen wie Beschäftigte der Stammbelegschaft.

Das passt nicht mit der Einführung der Brückenteilzeit zusammen: Wenn ein Mitarbeiter sein Recht geltend macht, für die Dauer von zwei Jahren nur noch halbtags arbeiten zu wollen, kann der Betrieb die entstehende Lücke nun nicht mit einem Zeitarbeitnehmer füllen. Denn dieser muss nach dem Willen des Gesetzgebers bereits nach 18 Monaten gehen.

Zudem plant die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag, die Befristung von Arbeitsverträgen zu erschweren. Die sachgrundlose Befristung soll nur noch für höchstens 2,5 Prozent der Beschäftigten möglich sein. Zudem wird die maximale Dauer der Befristung von zwei Jahren auf 18 Monate verkürzt.

Bislang greifen viele Unternehmen vor allem deshalb auf die sachgrundlose Befristung zurück, weil es schwierig ist, einen Sachgrund gerichtsfest zu formulieren. Doch auch die Befristung mit Sachgrund wird erschwert, indem diese auf fünf Jahre begrenzt wird.

Das Ergebnis: Auch befristete Verträge können die Lücken, die die Brückenteilzeit reißen wird, nur noch eingeschränkt füllen.

Überkommene Arbeitszeitregelungen

Während die Regierung den Betrieben also immer mehr Flexibilität abverlangt, nimmt sie ihnen gleichzeitig die Mittel, diese Flexibilität herzustellen. Außerdem sperrt sie sich vehement gegen die Abschaffung überkommener Regelungen.

So schreibt das Arbeitszeitgesetz nach wie vor eine tägliche Höchstarbeitszeit und eine elfstündige Ruhezeit vor. Wer abends um elf noch eine dienstliche Mail checkt, dürfte rechtlich nicht vor zehn Uhr am nächsten Morgen wieder arbeiten. Diese Regelungen aus vergangenen Zeiten passen nicht mehr in eine digitalisierte Arbeitswelt.

Die Festschreibung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit reicht aus, um Arbeitnehmer vor Ausbeutung zu schützen. Doch alles, was die Regierung in dieser Hinsicht anbietet, sind „Experimentierräume“ für tarifgebundene Unternehmen – wobei unklar bleibt, was sich konkret dahinter verbirgt. Experimentieren heißt in diesem Zusammenhang wohl, dass sich gesetzlich erst einmal nichts ändert.

Die Politik versäumt, den Arbeitgebern die Erfüllung der höheren Anforderungen zu erleichtern, die mit dem vergrößerten Gestaltungsspielraum für Arbeitnehmer einhergehen. Flexible Erwerbsformen werden mehr und mehr eingeschränkt.
Mit der Einführung der Brückenteilzeit hat man die Chance verpasst, sie mit einer Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes zu verknüpfen und damit allen Beteiligten ein annehmbares Angebot zu machen.

Bei der gegenwärtig guten Arbeitsmarktlage wird sich das voraussichtlich noch nicht allzu stark auswirken. In der nächsten Krise wird man sich aber womöglich fragen, wie es zu solchen Verkrustungen am Arbeitsmarkt kommen konnte.

Zum Gastbeitrag auf welt.de

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