Knapp 3,2 Millionen Beschäftige in Deutschland haben laut Bundesagentur für Arbeit mindestens zwei Jobs. Damit ist die Zahl der Mehrfachbeschäftigten in den vergangenen zehn Jahren um etwa eine Million gestiegen. Im Vergleich zum Jahr 2003 hat sie sich sogar mehr als verdoppelt. Ein Gastbeitrag von IW-Arbeitsmarktökonom Holger Schäfer auf der XING-Debattenplattform Klartext.
Nebenjobs sind kein Indiz für Armut
Das Motiv für einen Zweitjob scheint auf den ersten Blick klar zu sein: Beschäftigte mit mehreren Jobs verdienen in ihrer Haupttätigkeit durchschnittlich etwa 570 Euro weniger als Erwerbstätige ohne Nebenjob – das zeigt eine vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung durchgeführte Studie. Doch ist der Grund nicht nur bei der Entlohnung zu suchen, sondern auch bei unterschiedlichen Arbeitszeiten: Nur etwa die Hälfte der Nebenjobber arbeitet im Hauptjob Vollzeit. Unter Einfachbeschäftigten liegt der Anteil bei 64 Prozent.
Arbeitnehmer ohne Nebenjob schrammen näher an der Armutsgrenze
Die Studie zeigt zwar, dass Nebenjobber auch bei ungefähr gleichem Arbeitsumfang im Hauptjob durchschnittlich weniger verdienen – allerdings werden in der Statistik weder Selbstständige noch Beamte mit Nebenjob berücksichtigt. Gerade unter Selbstständigen ohne Beschäftigte ist die Nebenjobquote besonders hoch.
Werden Beamte mit einbezogen, ergibt sich ein anderes Bild: Vollzeitbeschäftigte mit Nebenerwerb haben in ihrer Hauptanstellung ein höheres Bruttoeinkommen und einen höheren Stundenlohn als Vollzeitbeschäftigte ohne Nebenerwerb. Zudem ist auch ihre Armutsgefährdungsquote mit 2,8 Prozent unterdurchschnittlich. Von den Beschäftigten ohne Nebenerwerb gelten 5,3 Prozent als armutsgefährdet.
Interessant ist, dass Nebenjobs auch für Fachkräfte mit ordentlichem Einkommen attraktiv sind. Das liegt insbesondere an den Hartz-Reformen: Demnach dürfen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nebenbei bis zu 450 Euro hinzuverdienen, ohne zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Darüber hinaus bleibt der Nebenverdienst steuerfrei, wenn der Arbeitgeber einen Pauschalbeitrag entrichtet. Selbst wenn dort nur geringe Stundenlöhne erzielt werden, kann der Nebenjob also sehr lukrativ sein.
Vollzeitbeschäftigte sollten ihre Freizeit nicht für Nebenjobs aufgeben
Dass Nebenjobs derzeit boomen, liegt jedoch nicht nur an den Steuervorteilen. Ein weiterer Grund ist die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt. Mehr verfügbare Stellen bringen mehr Möglichkeiten für Mehrfachjobber. Dafür spricht auch die regionale Verteilung: Mit 10,5 Prozent finden sich im prosperierenden Baden-Württemberg wesentlich mehr Nebenerwerbstätige als in den neuen Bundesländern (4,1 Prozent), wo die Löhne deutlich niedriger sind.
Auch wenn die Zunahme von Nebenjobs also zunächst einmal kein Problem darstellt – ihre steuerliche Begünstigung ist wirtschaftspolitisch fragwürdig. Denn sie setzt die falschen Arbeitsanreize. Eine generelle Entlastung der Arbeitnehmer von Steuern und Sozialabgaben wäre deutlich besser als die vollständige steuerliche Befreiung geringfügiger Zweitjobs.
Zum Gastbeitrag auf xing.com
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