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Axel Plünnecke in Liberal Gastbeitrag 1. Dezember 2014

Ausländer rein!

Ohne qualifizierte Zuwanderung droht Deutschlands Ökonomie der demografische Infarkt, schreibt IW-Bildungsökonom Axel Plünnecke in der Zeitschrift Liberal der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. In Hochtechnologiebranchen und im Gesundheitsbereich sind bereits heute massive Engpässe spürbar. Darum muss das Land noch deutlich stärker um ausländische Fachkräfte werben.

Der Wohlstand in Deutschland basiert zu großen Teilen auf exportstarken Hochtechnologiebranchen, in denen rund 60 bis 70 Prozent der Erwerbstätigen eine berufliche oder akademische MINT-Qualifikation (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) aufweisen. Analysen zum Arbeitsmarkt zeigen, dass vor allem in diesen Berufen, aber auch im Gesundheitsbereich bereits heute Engpässe bestehen. Betrachtet man die Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland, so wird die demografische Herausforderung für die technologische Leistungsfähigkeit und die gesundheitliche Versorgung besonders deutlich: Im Jahr 2012 waren rund 13,4 Millionen Personen im Alter zwischen 45 und 54 Jahren. Zwischen dem Jahr 2025 und 2035 werden diese Personen aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden und müssen von den nachrückenden Jahrgängen ersetzt werden. Im Jahr 2012 waren jedoch nur 7,2 Millionen Menschen im Alter zwischen 5 und 14 Jahren, die im Zeitraum von 2025 bis 2035 in den Arbeitsmarkt eintreten werden. Ohne Zuwanderung würden folglich rechnerisch rund 6,2 Millionen Personen fehlen, um die im Zeitraum von 2025 bis 2035 aus dem Arbeitsmarkt ausscheidenden Kohorten zu ersetzen. Wenn aber nicht genug Fachkräfte zur Verfügung stehen, muss damit gerechnet werden, dass die wirtschaftliche Entwicklung an Dynamik einbüßt.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, sowohl alle inländischen Fachkräftepotenziale optimal zu nutzen als auch Potenziale aus dem Ausland zu gewinnen. Hierbei wurden in den vergangenen Jahren Fortschritte erzielt, und Deutschland ist attraktiver für Menschen aus dem Ausland geworden. So wurde im August 2012 die „Blaue Karte EU“ eingeführt, die Akademikern aus Drittstaaten bessere Möglichkeiten bietet, in Deutschland zu arbeiten und mit ihren Familien zu leben. Besonders attraktiv sind die Zuwanderungsregeln für Akademiker in den Engpassbereichen MINT und Gesundheit sowie für Studierende aus dem Ausland, die in Deutschland ihren Hochschulabschluss erwerben. Zum 1. Juli 2013 wurden mit der neuen Beschäftigungsverordnung auch attraktive Zuwanderungsregeln für Fachkräfte aus Drittstaaten mit Berufsausbildung in Engpassberufen geschaffen.

Die Zuwanderung nach Deutschland erreicht in den letzten Jahren Rekordwerte. Für das Jahr 2012 verzeichnet das Statistische Bundesamt eine Nettozuwanderung von rund 370.000 Personen; im Jahr 2013 sind sogar 437.000 mehr Personen nach Deutschland gekommen als das Land verlassen haben. Eine überaus hohe Nettozuwanderung ist auch für das Jahr 2014 zu erwarten.

Bereits die Zuwanderung der vergangenen Jahre führt zu großen ökonomischen Vorteilen. Die Zuwanderer, die nach Deutschland kommen, sind im Durchschnitt jünger und weisen häufiger einen Hochschulabschluss auf als die inländische Bevölkerung. Der Akademikeranteil unter den Neuzuwanderern ist in den letzten zehn Jahren dabei deutlich gestiegen.

Besonders häufig verfügen Zuwanderer über eine Engpassqualifikation. Der Anteil der Zuwanderer unter den erwerbstätigen MINT-Akademikern ist von 2005 bis 2012 von 13 auf 16 Prozent gestiegen. Auch seit Einführung der „Blauen Karte“ zeigen sich große Erfolge bei der Fachkräftesicherung in Deutschland: Von Ende 2012 bis 2014 stieg die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in akademischen MINT-Berufen bei Deutschen um 3,4 Prozent und bei Ausländern um 12,7 Prozent. Ähnlich hohe Zuwächse verzeichneten aber auch viele Drittstaaten wie beispielsweise Indien. Die für die Innovationskraft in Deutschland wichtigen MINT-Akademiker werden folglich zunehmend internationaler – will Deutschland im Feld der technologischen Innovationen Weltspitze sein, müssen die weltweit besten Experten für Deutschland gewonnen werden.

Eine dauerhafte Erhöhung der Nettozuwanderung um 100.000 Personen bewirkt nach Berechnungen des Sachverständigenrates langfristig eine Erhöhung der jährlichen Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,2 bis 0,4 Prozentpunkte. Dies führt auch zu einer Stärkung der Steuerbasis, höheren Steuereinnahmen sowie einer geringeren öffentlichen Verschuldung pro Einwohner und in Relation zum BIP. Ein weiterer Vorteil: Da Zuwanderer im Durchschnitt jünger als die inländische Bevölkerung und immer besser in den Arbeitsmarkt integriert sind, unterstützen die zusätzlichen Einnahmen auch die umlageorientierten Sozialversicherungen.

Auch im Bereich Gesundheit und Pflege leistet Zuwanderung bereits heute einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung. Von allen in Deutschland tätigen Ärzten sind rund sechs Prozent Personen, die in den vergangenen zehn Jahren zugewandert sind. Bei den Altenpflegern beläuft sich die entsprechende Quote auf fast vier Prozent. Da die Alterung der Gesellschaft die Nachfrage nach Gesundheits- und Pflegeleistungen sowie den Bedarf an entsprechenden Fachkräften weiter erhöhen wird, kann durch Zuwanderung die Versorgung mit entsprechenden Dienstleistungen besser gesichert werden.

Qualifizierte Zuwanderung leistet folglich einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Wohlstands der Menschen. Viele der Zuwanderer stammen aktuell aus Ost- und Südeuropa, wo der demografische Wandel in absehbarer Zeit ebenfalls zu Fachkräfteengpässen führen dürfte. Daher sind zur Sicherung einer nachhaltigen qualifizierten Zuwanderung zusätzliche Anstrengungen nötig. So muss sich Deutschland noch stärker für ausländische Fachkräfte aus demografiestarken Regionen öffnen. Deutschland sollte sich als weltoffenes Land positionieren, das Menschen einlädt und Chancen bietet. Hierzu sind vor allem die Willkommenskultur in Deutschland zu stärken und eine aktivere Ansprache potenzieller Zuwanderer im Heimatland anzustreben. Informationsangebote und Sprachkurse vor Ort können dabei helfen. Dazu sind die Potenziale von geringqualifizierten Zuwanderern durch Bildungsangebote und die von Flüchtlingen durch einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt zu heben.

Insgesamt steigen hierdurch die Chancen der Zuwanderer auf Teilhabe. Berechnungen des IW zeigen darüber hinaus, dass sich solche Maßnahmen auch für die öffentliche Hand langfristig lohnen und letztlich den Wohlstand aller erhöhen.

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