Die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland haben mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung eines gemeinsam: ein Demografieproblem.
Rente, Pflege, Kranken- und Arbeitslosenversicherung
Über das Thema
- Beispielsweise die Rentenversicherung: 2020 kommen auf 100 Beitragszahler 57 Rentner; im Jahr 2030 dürften es 67 sein, im Jahr 2050 etwa 77. Die Beitragssätze müssten deshalb steigen – oder die Rentner weniger Geld beziehen. Um die steigenden Lasten der Alterssicherung fair auf Beitragszahler und Rentner zu verteilen, wurden in den letzten Jahrzehnten immer wieder Anpassungen an der umlagefinanzierten Rentenversicherung vorgenommen. Dazu gehören die Riester-Rente, der Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel, mit dem der demografische Wandel berücksichtigt wird, und – seit dem Jahr 2012 – die Rente mit 67. Die Mütterrente und die abschlagfreie Rente mit 63 Jahren für langjährige Versicherte werden die Rentenkasse jedoch wieder stärker belasten.
- Auch in der umlagefinanzierten Pflegeversicherung droht ein demografisch bedingtes Finanzierungsproblem, denn bereits bis 2030 wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen von heute 4,1 auf dann rund 4,5 bis 5 Millionen Menschen erhöhen – weitere Tendenz steigend. Auch deshalb werden die benötigten Pflegekräfte und Heimplätze zunehmend knapp. Doch statt die Pflegeversicherung demografiefest zu machen, hat die Politik bislang vor allem neue Leistungsansprüche beschlossen. Einen Ausweg aus dem Dilemma steigender Beitragssätze für nachfolgende Generationen bietet der Umstieg auf ein teilweise kapitalgedecktes System, das die Menschen verpflichtet, für die eigene Pflege vorzusorgen.
- Die Krankenkassen stehen unter Druck: In den vergangenen Jahrzehnten konnten die Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen nur über höhere Beitragssätze mit den steigenden Ausgaben Schritt halten. Die alternde Bevölkerung und der medizinische Fortschritt werden die Gesundheitsausgaben künftig weiter in die Höhe treiben. Die Gründe für die ausufernden Ausgaben liegen auch im System: Für die Versicherten zahlt sich Kostenverantwortung bislang nicht aus, denn den persönlichen Beitrag beeinflusst sie nicht. Würde sich die das eigene Verhalten stärker im Portemonnaie der Patienten niederschlagen, hätten sie ein größeres Interesse, bei gleicher Leistung einen Tarif mit effizienterem Versorgungsmanagement zu wählen.
Deshalb sollten die Versicherungsbeiträge je nach Wahl der Leistungsanbieter unterschiedlich hoch ausfallen dürfen. Dazu sollte an die Stelle des derzeitigen einkommensabhängigen Krankenkassenbeitrags mindestens ein anteiliger Versicherungsbeitrag treten. Für Einkommensschwache könnte der Versicherungsschutz über einen steuerfinanzierten Transfer sichergestellt werden. Langfristig führt aber auch in der Kranken- und Pflegeversicherung kaum ein Weg an ergänzender Privatvorsorge vorbei.
- Die Arbeitslosenversicherung dient dazu, Menschen, die arbeitslos werden, einen Teil ihres entgangenen Einkommens zu ersetzen, so dass sie keine materielle Not leiden müssen. Arbeitslose erhalten in der Regel ein Jahr lang 60 Prozent des zuletzt erzielten Nettoeinkommens – wenn sie Kinder haben sogar 67 Prozent. Die Leistungen werden hauptsächlich aus einkommensabhängigen Beiträgen finanziert, die je zur Hälfte die Versicherten und ihre Arbeitgeber aufbringen. Steigt in einer Rezession die Arbeitslosigkeit, wird die Arbeitslosenversicherung durch sinkende Einnahmen und wachsende Ausgaben doppelt belastet. Erholt sich die Beschäftigung wieder, läuft es genau umgekehrt: Die Beitragseinnahmen der Versicherung steigen und die Ausgaben sinken.
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
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