Im Jahr 2022 sind so viele Menschen nach Deutschland zugewandert wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Rund 1,46 Millionen Personen sind mehr hierher zugezogen, als das Land verlassen haben, was über ein Viertel mehr als der bisherige Höchstwert aus dem Jahr 2015 von 1,14 Millionen ist.
Rekordzuwanderung nicht nur aufgrund der Flucht aus der Ukraine
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Im Jahr 2022 sind so viele Menschen nach Deutschland zugewandert wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Rund 1,46 Millionen Personen sind mehr hierher zugezogen, als das Land verlassen haben, was über ein Viertel mehr als der bisherige Höchstwert aus dem Jahr 2015 von 1,14 Millionen ist.
Ausschlaggebend hierfür war vor allem die Fluchtbewegung in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar. Insgesamt sind von dort im Jahr 2022 per Saldo 960.000 Personen nach Deutschland gekommen. Dabei war es in ihrem Fall erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik für aus einem Kriegsgebiet Flüchtende möglich, visumfrei nach Deutschland einzureisen, was den Zuzug weit einfacher als für Geflüchtete aus dem außereuropäischen Ausland macht. So könnte es bei einer Verbesserung der Lage in der Ukraine auch schnell zu einer vergleichsweisen starken Rückwanderung kommen. Wie sich die Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine längerfristig auf die Fachkräftesicherung und die öffentlichen Haushalte auswirken wird, lässt sich aktuell noch nicht abschätzen, da ihre Integration noch ganz am Anfang steht.
Lässt man die Zuwanderung aus der Ukraine außer Acht, wurde mit einer Gesamtzuwanderung von per Saldo 503.000 Personen aus anderen Ländern im Jahr 2022 noch immer ein im historischen Vergleich sehr hohes Niveau erreicht. Dies geht zu bedeutenden Teilen auf einen wieder verstärkten Zuzug Geflüchteter aus dem außereuropäischen Bereich zurück. So wurden im Jahr 2022 insgesamt 218.000 Erstanträge auf Asyl gestellt, die meisten hiervon mit 71.000 Personen von syrischen Staatsangehörigen. Dabei ist die Tendenz weiter steigend. Im ersten Halbjahr 2023 lag die Zahl der Asylanträge bereits bei 150.000. Anzumerken ist, dass ukrainische Staatsangehörige in Deutschland aktuell auf anderem Weg Flüchtlingsschutz erhalten. Viele dieser Geflüchteten aus dem außereuropäischen Bereich bringen nur ein sehr niedriges Qualifikationsniveau mit, tun sich in Folge am deutschen Arbeitsmarkt schwer und sind auf staatliche Transferleistungen angewiesen. Daher ist ihr Zuzug trotz der zunehmenden demografischen Lücken bei der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter aus wirtschaftlicher Sicht auch nicht unbedingt vorteilhaft für Deutschland. Allerdings ist im Blick zu behalten, dass die Aufnahme Geflüchteter aus humanitären Erwägungen erfolgt und daher auch nicht vorwiegend anhand ökonomischer Kriterien bewertet werden sollte.
Anders stellt sich die Lage bei der Zuwanderung aus den neuen EU-Mitglieds- und den Westbalkanländern dar, die mit Salden von 78.000 und 65.000 Personen im Jahr 2022 ebenfalls sehr bedeutend war. Den von dort zuziehenden Personen gelingt es zumeist, sich am deutschen Arbeitsmarkt gut zu integrieren, sodass sie auch in substanziellem Maß zur Stabilisierung der öffentlichen Haushalte beitragen. Allerdings sind diese Herkunftsregionen ebenfalls stark vom demografischen Wandel betroffen. Dies hat nicht nur einen negativen Effekt auf die zukünftigen Migrationspotenziale, sondern spricht auch gegen eine prioritäre Anwerbung von Fachkräften für den deutschen Arbeitsmarkt. Daher muss eine gezielte Strategie zur Sicherung der Fachkräftebasis durch Zuwanderung ihren Schwerpunkt auch auf demografiestarke Staaten aus dem außereuropäischen Bereich haben. Hier konnte Deutschland in den letzten Jahren in Indien bereits größere Erfolge erzielen. Im Jahr 2022 sind rund 38.000 Personen mehr aus Indien nach Deutschland zugewandert, als das Land dorthin verlassen haben und die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit indischer Staatsangehörigkeit übten mit einem Anteil von 56,5 Prozent im September 2022 sehr häufig Tätigkeiten aus, die typischerweise einen Hochschul- oder Fortbildungsabschluss zum Meister, Techniker oder Fachwirt voraussetzen. Zwar erfolgt auch aus anderen außereuropäischen Ländern, wie Ägypten, Indonesien und Kolumbien eine mit Blick auf die Fachkräftesicherung und Stabilisierung der öffentlichen Haushalte sehr günstige Zuwanderung, allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau. Dabei geht die herausragende Stellung Indiens zu bedeutenden Teilen darauf zurück, dass hier mehr als ein Sechstel der Weltbevölkerung lebt.
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