Die Zahl der Ersterwerber ist 2016 weiter gesunken, nur rund 600.000 Haushalte wagten den Schritt von der Miete ins Eigenheim. Selbst auf Basis dieser geringen Zahlen wird das Baukindergeld den gesteckten Kostenrahmen von zwei Milliarden Euro vermutlich deutlich überschreiten.
Immobilien: Die Zahl der Ersterwerber sinkt weiter
IW-Kurzbericht
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Die Zahl der Ersterwerber ist 2016 weiter gesunken, nur rund 600.000 Haushalte wagten den Schritt von der Miete ins Eigenheim. Selbst auf Basis dieser geringen Zahlen wird das Baukindergeld den gesteckten Kostenrahmen von zwei Milliarden Euro vermutlich deutlich überschreiten.
Seit 2013 sinkt die Zahl der Ersterwerber in Deutschland, die das IW auf Grundlage der Wechsler von Miete ins Eigentum mit Hilfe des Sozio-oekonomischen Panels bestimmt (Vgl. Seipelt/Voigtländer, 2017). Dieser Trend hat sich im Jahr 2016 fortgesetzt, auch wenn der Rückgang geringer war als in den Vorjahren (Abbildung). Besonders in den Städten ist der Anteil weiter zurückgegangen, die Quote der Ersterwerber als Anteil an allen Haushalten ist zuletzt von 1,6 auf 1,2 Prozent gesunken. In den ländlichen Regionen gibt es dagegen einen steigenden Anteil von Ersterwerbern. Die geringen Ersterwerberzahlen können auf den ersten Blick verwundern, da das Wohneigentum aufgrund der Niedrigzinsphase an Attraktivität gewonnen hat (Vgl. Seipelt/Voigtländer, 2018) – hierauf hat jüngst auch der scheidende EZB Vizepräsident Vítor Constâncio hingewiesen (wallstreet:online, 2018). Doch der hohe Kapitalbedarf in Form von Eigenkapital und Erwerbsnebenkosten (Grunderwerbsteuer, Notar, Makler und Grundbuch) versperrt vielen Haushalten den Zugang zum Wohneigentum trotz langfristiger Vorteilhaftigkeit (Vgl. Bierdel / Voigtländer, 2017).
In diese Lücke soll das neue Baukindergeld stoßen. Als eine prioritäre Maßnahme der Bundesregierung soll es dazu beitragen, Familien bei dem Schritt ins Eigentum zu unterstützen. Doch die Kosten könnten für den Fiskus schnell ausufern, was unsere Schätzung auf Basis der neuen Ersterwerberzahlen belegt. Die Kosten sind abhängig von der Anzahl der Haushalte, die Eigentum erwerben, deren Einkommen sowie der Anzahl der Kinder. Anrecht haben Haushalte, deren zu versteuerndes Einkommen 75.000 Euro plus 15.000 Euro pro Kind nicht übersteigt. Diese Einkommensgrenze unterschreiten fast alle Haushalte. Die Förderung beträgt 1.200 Euro je Kind und Jahr – 10 Jahre lang.
In den rund 600.000 Haushalten, die zwischen 2015 und 2016 den Schritt ins Eigenheim wagten, lebten vor dem Erwerb des Wohneigentums gut 270.000 Kinder. Hätten all diese Familien Anspruch auf Baukindergeld, so beliefen sich die Kosten auf 325 Millionen Euro pro Jahr und Förderjahrgang. Wie die Abbildung zeigt, war die Anzahl der Wechselhaushalte von Miete zu Eigentum in den vergangenen Jahren jedoch recht volatil und zuletzt deutlich höher. Die Kostenschätzung auf Basis des Jahres 2016 kann somit eher als eine moderate Schätzung gesehen werden. Selbst dann würden sich die Kosten allein in dieser Legislaturperiode auf 3,25 Milliarden Euro belaufen, was auch den jährlichen Kosten nach 10 Jahren entspricht. Auffallend ist, dass ein nicht geringer Teil der Wechselhaushalte im Jahr nach dem Erwerb des Eigentums das erste oder zweite Kind bekommt.
So lag vor dem Wechsel ins Eigenheim der Anteil der Familien mit einem Kind noch bei 17 Prozent, derer mit zwei Kindern bei 7 Prozent. Im Jahr nach dem Wechsel erhöhten sich die Anteile auf 21 beziehungsweise 10 Prozent. Wären diese Kinderzahlen beim Entscheid zum Baukindergeld zu berücksichtigen, könnte die Belastung für den Staat spürbar steigen. In 2016 hätte dies in Summe zu einer Mehrbelastung von 66,7 Millionen Euro geführt. Insgesamt müsste der Staat dann mit Ausgaben von 391 Millionen Euro pro Jahr und Förderjahrgang rechnen. Tatsächlich dürften viele Paare in Vorbereitung des Kinderwunsches Wohneigentum erwerben – diese Paare beim Baukindergeld zu benachteiligen, wäre schwer vermittelbar.
Legt man für die Kostenschätzung den Durchschnitt über den Zeitraum 2010 bis 2016 zu Grunde, lägen die Kosten im ersten Jahr der Einführung des Baukindergeldes bei 340 Millionen Euro. Würde man die Kinder, die im ersten Jahr nach dem Wechsel ins Eigenheim geboren wurden mit berücksichtigen, beliefen sich die Kosten gar auf 421 Millionen Euro, also über 4,2 Milliarden Euro jährlich nach 10 Jahren – damit würden die Kosten die Prognose der Bundesregierung deutlich übertreffen (Deutscher Bun-destag, 2018).
Kritisch am Baukindergeld ist neben den hohen Kosten die Anreizwirkung. Die Bundesregierung erhofft sich, Familien beim Erwerb von Wohneigentum zu unterstützen, ignoriert dabei jedoch die unterschiedlichen Wirkungen in den Siedlungsgebieten. Es besteht die Gefahr, dass das Baukindergeld - ähnlich der Wirkung der 2006 abgeschafften Eigenheimzulage - dazu führt, dass es vor allem in ländlichen Räumen und strukturschwachen Gebieten zu Neubau kommt. Um ohnehin akute Leerstandsprobleme nicht zu verstärken, sollte das Baukindergeld in demographisch belasteten Gebieten lediglich bei Erwerb einer Bestandsimmobilie gewährt werden. In Ballungsgebieten mit angespannter Baulandsituation wird das Baukindergeld zu höheren Preisen führen. Die Bauträger sind in der Lage, das Baukindergeld einzupreisen und auf den Käufer abzuwälzen. Grundsätzlich drohen bei einer fixen Anspruchsgrenze Mitnahmeprobleme: Haushalte, die ohnehin Eigentum erworben hätten, erhalten ebenfalls eine Förderung.
Tatsächlich gibt es bessere Alternativen zum Baukindergeld. Entlasten könnte die Haushalte etwa eine Reform bei den Er-werbsnebenkosten. So könnte der Übergang auf das Bestellerprinzip bei Immobilienkäufen den Preiswettbewerb unter den Maklern verstärken und damit die Courtagen senken (vgl. Toschka / Voigtländer, 2017). Durch Kreditausfallgarantien könnte der Eigenkapitalbedarf deutlich gesenkt werden (Seipelt/Voigtländer, 2018). Würden diese mit langen Zinsbindungen und Mindest-tilgungen verknüpft werden, wären die Risiken für den Staat sehr begrenzt. Auch eine Reform der Grunderwerbsteuer nach bri-tischem Vorbild wäre sinnvoll (Hentze/Voigtländer, 2017). Dabei wird ein Freibetrag mit einem Stufentarif verknüpft, so dass Erwerber günstigerer Immobilien entlastet, Käufer von sehr luxuriösen Immobilien dagegen prozentual stärker belastet werden. Im Gegensatz zum Baukindergeld wären alle diese Maßnahmen nur mit geringen Kosten für den Staat versehen, aber mindestens genauso effektiv.
Pekka Sagner / Michael Voigtländer: Die Zahl der Ersterwerber sinkt weiter
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