Eine moderne öffentliche Infrastruktur ist die Grundlage einer leistungsfähigen Volkswirtschaft. Immer wieder ist in diesem Kontext von einer öffentlichen Investitionsschwäche die Rede. Mitunter wird angesichts negativer Nettoinvestitionen oder eines stagnierenden öffentlichen Nettoanlagevermögens sogar attestiert, Deutschland verzehre seinen staatlichen Kapitalstock.
Verzehrt Deutschland seinen staatlichen Kapitalstock?
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Eine moderne öffentliche Infrastruktur ist die Grundlage einer leistungsfähigen Volkswirtschaft. Immer wieder ist in diesem Kontext von einer öffentlichen Investitionsschwäche die Rede. Mitunter wird angesichts negativer Nettoinvestitionen oder eines stagnierenden öffentlichen Nettoanlagevermögens sogar attestiert, Deutschland verzehre seinen staatlichen Kapitalstock.
Zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Produktionswirkung sind jedoch das Nettoanlagevermögen und die Nettoinvestitionen keine geeigneten Indikatoren. Auf Basis des Bruttoanlagevermögens kann das pauschale Urteil, Deutschland verzehre seinen staatlichen Kapitalstock, verworfen werden.
Nettoanlagen und Nettoinvestitionen sind konzeptionell für eine Bewertung des staatlichen Produktionskapitals und der staatlichen Investitionstätigkeit nicht gedacht und nicht geeignet. Vielmehr kommt es auf das Bruttoanlagevermögen, also den im Produktionsprozess nutzbaren Bestand an Anlagegütern an, und zwar unabhängig von seinem heutigen Verkaufswert. Hinsichtlich des Bruttoanlagevermögens kann das pauschale Urteil, Deutschland verzehre seinen staatlichen Kapitalstock, verworfen werden:
- Auf Basis des realen Bruttoanlagevermögens findet in Deutschland kein Verzehr des staatlichen Kapitalstocks statt. In den letzten Jahren gab es schwächere Zuwächse, aber keine Rückgänge.
- Dem stagnierenden Kapitalstock der Kommunen, auf die freilich 55 Prozent des staatlichen Anlagevermögens entfallen, stehen durchgehende Anstiege beim Kapitalstock von Bund und Ländern gegenüber.
- Die Stagnation zeigt sich beim dominierenden Nichtwohnungsbau, zu dem auch die staatliche Verkehrsinfrastruktur gehört.
- Seit 2011 stagniert die staatliche Kapitalintensität (preisbereinigter Kapitalstock des Staates je Einwohner). Trotz der stark angestiegenen Bevölkerung in diesem Zeitraum weist aber auch dieser Indikator keinen Rückgang auf. Die Stagnation ist hier ausschließlich ein Bauphänomen.
- Seit 1991 ist ein durchgehender Rückgang des Modernitätsgrads beim staatlichen Kapitalstock zu verzeichnen. Das gilt in erster Linie für den kommunalen Nichtwohnungsbau. Letztlich zeigt dies aber nur, dass die Abschreibungen stärker ansteigen als die Abgänge. Es handelt sich also vorwiegend um einen Werteffekt.
Wirtschaftspolitisch folgt daraus, dass es sehr spezifischer Maßnahmen bedarf. Pauschale Empfehlungen, den Staat zu verpflichten, die öffentlichen Investitionen jährlich zumindest in Höhe der Abschreibungen auf das Vermögen der öffentlichen Hand festzulegen, erweisen sich aufgrund der konzeptionellen und empirischen Analyse als unbegründet, ja sogar als irreführend. Jedoch ist die Schwächung der Infrastrukturinvestitionen ein Problem. Das in den vergangenen Jahren stagnierende Bruttoanlagevermögen und die leicht sinkende Kapitalintensität in diesem Bereich sind volkswirtschaftlich bedenklich. Dahinter steht im Wesentlichen das Investitionsverhalten der Gemeinden, die zuletzt generell ein stagnierendes Bruttoanlagevermögen aufweisen. Grundsätzlich sind dafür die Kommunalfinanzen die politische Herausforderung, denn deren seit über 25 Jahren laufende strukturelle Verschlechterung hat über „Konsolidierungsschäden“ die Verkehrsinvestitionen nachhaltig belastet. Wer also engpassorientiert handeln will, der muss die Kommunalfinanzen umfassend ertüchtigen. Hier liegt der Hebel für mehr öffentliche Investitionen.
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