Gemäß einer IW-Schätzung dürfte die weltweite Wirtschaftsleistung im Jahr 2022 um deutlich über 1.600 Milliarden US-Dollar niedriger ausgefallen sein als es hauptsächlich ohne die russische Invasion in der Ukraine der Fall gewesen wäre.
Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Weltwirtschaft – IW-Schätzung der Größenordnungen
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Gemäß einer IW-Schätzung dürfte die weltweite Wirtschaftsleistung im Jahr 2022 um deutlich über 1.600 Milliarden US-Dollar niedriger ausgefallen sein als es hauptsächlich ohne die russische Invasion in der Ukraine der Fall gewesen wäre.
Im Jahr 2023 können sich die weltweiten Produktionsausfälle gemäß den bestehenden Rahmenbedingungen auf nochmals rund 1.000 Milliarden US-Dollar belaufen. Fast 40 Prozent der Einbußen in 2023 entfallen schätzungsweise auf die Aufstrebenden Volkswirtschaften und Entwicklungsländer.
Der Krieg in der Ukraine hat neben dem menschlichen Leid auch erhebliche Folgen für die Weltwirtschaft insgesamt und die damit verbundene Lebensqualität in vielen Ländern. Er erzeugt zusätzliche Produktionsschocks für viele Unternehmen rund um den Globus. Denn zu den pandemiebedingten Zuliefer- und Produktionsstörungen kommen seit dem Frühjahr 2022 erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Energieversorgung in denjenigen Volkswirtschaften, die nicht auf eine eigene und ausreichende Ausstattung mit Energierohstoffen zurückgreifen können. Die Energiekrise betrifft nicht nur einzelne Unternehmen, sondern komplexe Zuliefergeflechte. Neben den Energie- und Industrierohstoffen haben sich auch Engpässe in der Versorgung mit Agrarrohstoffen, wie etwa Getreide, zu einer Problemlage vor allem in Entwicklungsländern entwickelt. Das hat dort unmittelbare Auswirkungen auf die Lebensqualität der Menschen. Darüber hinaus schaffen die vor allem kriegsbedingten Versorgungsprobleme mit Energie und Rohstoffen hohe Kostenschocks auf der Produktionsebene. Die in vielen Ländern erheblich höheren Erzeugerpreise treiben die Verbraucherpreise in die Höhe. Die hohen Inflationsraten zehren an der Kaufkraft der privaten Haushalte und belasten unmittelbar die Nachfrage nach Konsumgütern – und somit das Versorgungsniveau vor allem in den Entwicklungsländern. Angesichts der unsicheren Wirtschaftsperspektiven, steigender Finanzierungskosten (infolge des weltweit ansteigenden Zinsniveaus) und der Verteuerung von Investitionsgütern halten sich die Unternehmen rund um den Globus mit ihren Investitionen zurück. Die Weltwirtschaft verliert nach den Corona-Belastungen erneut an Schwung und dies setzt dem Welthandel zu. Zum Teil wirkten diesen Belastungen insbesondere im vergangenen Jahr die Nachholeffekte infolge der zurückgefahrenen Corona-Beschränkungen in vielen Ländern entgegen. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften konnten zudem teils großvolumige Konjunkturprogramme aufgelegt werden, um vor allem den kriegsbedingten Preisschocks entgegenzuwirken.
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Insgesamt hat die weltwirtschaftliche Entwicklung infolge der geopolitischen Lage erheblich an Dynamik eingebüßt. Vor diesem Hintergrund hat das Institut der deutschen Wirtschaft eine Modellrechnung erstellt, um eine Vorstellung darüber zu bekommen, in welchen Größenordnungen es im vergangenen Jahr und voraussichtlich auch im Jahr 2023 zu Produktionsausfällen in der Weltwirtschaft kommt. Dabei handelt es sich – vergleichbar mit einer Modellrechnung für Deutschland (Grömling, 2022) – um eine Schätzung. Die dabei ermittelten Produktionsausfälle sind nicht trennscharf, aber hauptsächlich der russischen Invasion in der Ukraine zuzurechnen. So sind etwa die hohen Inflationsraten in den USA und die damit einhergehenden Bremseffekte stärker auf binnenwirtschaftliche Entwicklungen und weniger auf die global durch den Krieg ausgelöste Energiekrise zurückzuführen. Des Weiteren dürfte auch das im Winterhalbjahr 2022/2023 stark ansteigende Infektionsgeschehen in China nach der Änderung der dortigen Corona-Politik voraussichtlich mit wirtschaftlichen Einbußen in China einhergehen. Das wiederum kann für sich betrachtet über die globalen Wertschöpfungsketten einen bremsenden Effekt in der Weltwirtschaft mit sich bringen.
Bezugsgröße der IW-Modellrechnung ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP), hier verstanden als Maß für die gesamtwirtschaftliche Produktionsleistung einer Volkswirtschaft. Es wird der Ausfall an Wirtschaftsleistung im Vergleich zu einer kontrafaktischen Welt ohne den Krieg und seinen vielfältigen ökonomischen Effekten geschätzt. Als Rechen- und Schätzgrundlage dienen die Herbstprognosen des Internationalen Währungsfonds. Dazu wird die faktische Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2022 sowie die nunmehr für das Jahr 2023 prognostizierte Entwicklung einerseits der ursprünglich erwarteten Entwicklung für die Jahre 2022 und 2023 vom Jahresende 2021 andererseits gegenübergestellt. In den Prognosen vom Jahresende 2021 waren der Krieg und seine vielfältigen ökonomischen Effekte nicht zu erwarten. Vielmehr waren zum Jahresende 2021 die Hoffnung und die gut begründete Zuversicht dominierend, dass sich nach zwei Jahren der vielfältigen Belastungen durch die Corona-Pandemie das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben wieder normalisieren würde. Es wurde damit gerechnet, dass sich die mit den multiplen Nebenwirkungen der Pandemie verbundenen Produktionsprobleme, vor allem die Materialknappheiten und die Störungen in der weltweiten Logistik, zurückbilden würden. Damit wäre dann auch der Weg für eine Normalisierung der weltweiten Investitionstätigkeit frei gewesen.
Gemäß der IW-Schätzung dürfte die weltweite Wirtschaftsleistung im Gesamtjahr 2022 um deutlich über 1.600 Milliarden US-Dollar niedriger ausgefallen sein als im kontrafaktischen Fall ohne Krieg. Es wird hier mit preisbereinigten Werten und nicht mit kaufkraftbereinigten Werten gearbeitet, da es unmittelbar um die produktionsseitigen Auswirkungen und nicht direkt um die damit einhergehenden Wohlstandseffekte geht. Rund zwei Drittel dieser Produktionseinbußen waren im vergangenen Jahr in den Fortgeschrittenen Volkswirtschaften (Advanced economies) zu verzeichnen und ein Drittel in den Aufstrebenden Volkswirtschaften (Emerging market and developing economies). China zählt zur letzteren Gruppe. Im Jahr 2023 können sich die weltweiten Produktionsausfälle gemäß den bestehenden Rahmenbedingungen auf nochmals rund 1.000 Milliarden US-Dollar belaufen. Die absoluten Einbußen dürften nach gegenwärtiger Sachlage geringer ausfallen als im Jahr 2022, weil von einer Entspannung an den globalen Rohstoff- und Energiemärkten ausgegangen wird. Damit dürfte auch die Inflation zurückgehen und die damit einhergehenden Belastungen. Mit Blick auf das Jahr 2023 fallen die Einbußen in den Aufstrebenden Volkswirtschaften und den Entwicklungsländern mit rund 40 Prozent des weltweiten Produktionsrückgangs relativ gesehen höher aus als im Jahr 2022. Insgesamt wird mit dieser Rechnung deutlich, dass der Krieg von weltwirtschaftlicher Bedeutung ist und auch die Aufstrebenden Volkswirtschaften und die Entwicklungsländer stark von wirtschaftlichen Ausfällen betroffen sind.
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